Die sich nicht brechen ließen

»Sie hätten klar und deutlich schreiben müssen, dass Noetzel als Nazi-Opfer verstorben ist ... Es hieß damals, Noetzel hätte sich aufgehängt. Leute, die es noch besser wissen müssen als ich, behaupten allerdings, er sei ermordet worden.«

Diesen Leserbrief schrieb der ehemalige SPD-Oberbürgermeister von Wiesbaden, Georg Buch, am 30. Dezember 1980 an den »Wiesbadener Kurier«. Das konservative Lokalblatt hatte über eine Ausstellung des Malers Adolf Noetzel berichtet und seinen Kampf gegen den Faschismus verschwiegen. Er sei 1941 in Wiesbaden gestorben, hieß es in dem Blatt. Von der Folter, der er in den letzten Wochen seines Lebens in den Händen der Gestapo ausgesetzt war, kein Wort.

Adolf und Grete Noetzel waren Kommunisten. Ein in der Reihe »Bibliothek des Widerstands« des Bonner Pahl-Rugenstein Verlages erschienenes Buch erinnert an sie, gestützt auf den Nachlass, den die Tochter aufbewahrt hat. Der Journalist Horst Gobrecht rekonstruiert aus amtlichen Dokumenten und Briefen den Lebensweg der beiden Wiesbadener Antifaschisten, deren Kampf gegen Faschismus und Reaktion auch immer ein Kampf ums Überleben war.

Adolf Noetzel wurde im März 1933 in »Schutzhaft« genommen und verlor seine Arbeit als Reklamechef eines Wiesbadener Kaufhauses. Vom städtischen Polizeigefängnis wurde er in das KZ Sonnenburg verlegt, wo er an Tuberkulose erkrankte. Auch Gretel Noetzel geriet ins Visier von Gestapo und SA. Im Herbst 1933 wurde sie ins KZ Moringen eingesperrt. Anfangs verbreitete Adolf noch Optimismus, um seine Frau aufzumuntern. Immer wieder schrieb er ihr über seine Pläne, sich als Maler zu etablieren. Einige Galerien hatten Interesse an seinen Bildern, eine französische Zeitung widmete ihm sogar einen Artikel. Unter den Augen der NS-Zensoren konnte das Paar sich in den Briefen natürlich über Politik nur verschlüsselt austauschen. »Du schreibst, ich würde staunen, was und wie sich draußen alles geändert hat. Ich kann mir das von hier durchaus vorstellen«, schreibt der bereits inhaftierte Adolf Noetzel an seine noch in Freiheit weilende Frau am 21. Mai 1933. Gemeint war die rasche Zerschlagung von KPD, SPD und Gewerkschaften, die beiden Sorgen bereitete. Kaum entlassen, setzten die Noetzels ihre Widerstandsarbeit fort. Im November 1941 wurden sie erneut verhaftet. Vorgeworfen wurde ihnen das Abhören ausländischer Radiosendungen und das Verbreiten von Witzen gegen die Nazis.

Ebenfalls festgenommen wurden Andreas und Anneliese Hoevel, mit denen die Noetzels eine Widerstandsgruppe aufgebaut hatten; die beiden wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Zu jenen aus dieser Gruppe, die den Tag der Befreiung erlebten, gehörte Rudolf Steinwand, der spätere Minister für Berg- und Hüttenwesen in der DDR. Grete Noetzel starb 1983 in Hessen. Geehrt wurde sie für ihre Widerstandsarbeit von staatlichen Stellen nicht, lediglich von der VVN/Bund der Antifaschisten.

Im Zündschnüre-Song von Franz Josef Degenhardt, der im Buch abgedruckt ist, heißt es: »Und die von den Faschisten sich nicht zerbrechen ließen, die waren nicht mehr viel.« Die Noetzels gehörten zu jenen. Autor und Verlag ist zu danken, diese beiden mutigen Menschen dem Vergessen entrissen zu haben.

Horst Gobrecht: Und gingen aufrecht doch, Grete und Adolf Noetzel. Antifaschistischer Widerstand und Briefe aus der Haft. Pahl-Rugenstein Verlag. 351 S., br., 19,90 €

Peter Nowak

ANTIFASCHISTEN
Sie hätten klar und deutlich schreiben müssen, dass Noetzel als Nazi-Opfer verstorben ist … Es hieß damals, Noetzel hätte sich aufgehängt. Leute, die es noch besser wissen müssen als ich, behaupten allerdings, er sei ermordet worden.« Diesen Leserbrief schrieb der ehemalige SPD-Oberbürgermeister von Wiesbaden, Georg Buch, am 30. Dezember 1980 an den »Wiesbadener Kurier«. Das konservative Lokalblatt hatte über eine Ausstellung des Malers Adolf Noetzel berichtet und seinen Kampf gegen den Faschismus verschwiegen. Er sei 1941 in Wiesbaden gestorben, hieß es in dem Blatt. Von der Folter, der er in den letzten Wochen seines Lebens in den Händen der Gestapo ausgesetzt war, kein Wort.
Adolf und Grete Noetzel waren Kommunisten. Ein in der Reihe »Bibliothek des Widerstands« des Bonner Pahl-Rugenstein Verlages erschienenes Buch erinnert an sie, gestützt auf den Nachlass, den die Tochter aufbewahrt hat. Der Journalist Horst Gobrecht rekonstruiert aus amtlichen Dokumenten und Briefen den Lebensweg der beiden Wiesbadener Antifaschisten, deren Kampf gegen Faschismus und Reaktion auch immer ein Kampf ums Überleben war.
Adolf Noetzel wurde im März 1933 in »Schutzhaft« genommen und verlor seine Arbeit als Reklamechef eines Wiesbadener Kaufhauses. Vom städtischen Polizeigefängnis wurde er in das KZ Sonnenburg verlegt, wo er an Tuberkulose erkrankte. Auch Gretel Noetzel geriet ins Visier von Gestapo und SA. Im Herbst 1933 wurde sie ins KZ Moringen eingesperrt. Anfangs verbreitete Adolf noch Optimismus, um seine Frau aufzumuntern. Immer wieder schrieb er ihr über seine Pläne, sich als Maler zu etablieren. Einige Galerien hatten Interesse an seinen Bildern, eine französische Zeitung widmete ihm sogar einen Artikel. Unter den Augen der NS-Zensoren konnte das Paar sich in den Briefen natürlich über Politik nur verschlüsselt austauschen. »Du schreibst, ich würde staunen, was und wie sich draußen alles geändert hat. Ich kann mir das von hier durchaus vorstellen«, schreibt der bereits inhaftierte Adolf Noetzel an seine noch in Freiheit weilende Frau am 21. Mai 1933. Gemeint war die rasche Zerschlagung von KPD, SPD und Gewerkschaften, die beiden Sorgen bereitete. Kaum entlassen, setzten die Noetzels ihre Widerstandsarbeit fort. Im November 1941 wurden sie erneut verhaftet. Vorgeworfen wurde ihnen das Abhören ausländischer Radiosendungen und das Verbreiten von Witzen gegen die Nazis.
Ebenfalls festgenommen wurden Andreas und Anneliese Hoevel, mit denen die Noetzels eine Widerstandsgruppe aufgebaut hatten; die beiden wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Zu jenen aus dieser Gruppe, die den Tag der Befreiung erlebten, gehörte Rudolf Steinwand, der spätere Minister für Berg- und Hüttenwesen in der DDR. Grete Noetzel starb 1983 in Hessen. Geehrt wurde sie für ihre Widerstandsarbeit von staatlichen Stellen nicht, lediglich von der VVN/Bund der Antifaschisten.
Im Zündschnüre-Song von Franz Josef Degenhardt, der im Buch abgedruckt ist, heißt es: »Und die von den Faschisten sich nicht zerbrechen ließen, die waren nicht mehr viel.« Die Noetzels gehörten zu jenen. Autor und Verlag ist zu danken, diese beiden mutigen Menschen dem Vergessen entrissen zu haben.
Horst Gobrecht: Und gingen aufrecht doch, Grete und Adolf Noetzel. Antifaschistischer Widerstand und Briefe aus der Haft. Pahl-Rugenstein Verlag. 351 S., br., 19,90

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