Zeitgeist statt Politik

Die Occupy-Bewegung stößt in Deutschland an ihre Grenzen

In mehreren Städten in Deutschland gingen am Samstag Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Krisenlösungsmodelle zugunsten der großen Banken zu demonstrieren. Dabei gehen wie üblich die Meldungen über die Teilnehmerzahlen weit auseinander. Nach Polizeiangaben waren in Berlin 1000 und in Frankfurt/Main 2500 Menschen auf der Straße. Die Veranstalter gaben hingegen für die Mainmetropole 5000 und für die Hauptstadt 3000 Demonstranten an.

Dort hatte ein Bündnis unter dem Motto „Die Krise heißt Kapitalismus“ mit konkreten sozialpolitischen Forderungen aufgerufen, in dem verschiedene linke Gruppen, aber auch die Linkspartei und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vertreten sind. Das Krisenbündnis hatte in den vergangenen zwei Jahren mehrmals Demonstrationen organisiert, zuletzt im November 2010. Die Occupy-Proteste haben zu einer Reanimierung des Bündnisses geführt. Dabei gibt es allerdings über die Beurteilung dieser neuen Proteste unterschiedliche Einschätzungen. Während einige Gruppen vom Beginn einer neuen eigenständigen Bewegung sprechen, deren Eigendynamik ernst zu nehmen sei, gehen andere davon aus, dass sie eher ein Medienhype als eine machtvolle Bewegung ist.

Auch in ihrer Hochburg Frankfurt/Main stößt die Mobilisierungsfähigkeit der Occupy-Bewegung an ihre Grenzen. Dass der harte Kern der Aktivisten beschlossen hat, das Camp an der EZB zu verlängern, dürfte der milden Witterung und der Eigendynamik des Campkosmos geschuldet sein. Für viele Aktivisten handelt es sich um ein einschneidendes Ereignis, das möglichst lange erhalten bleiben soll. Dabei spielen eher gruppendynamische Prozesse als politische Erwägungen die zentrale Rolle. Ein wichtiges Zeichen dafür ist die Herausbildung einer eigenen Campidentität, wie sie gerade bei der Occupy-Bewegung zu beobachten ist. Dazu gehört das vielzitierte menschliche Mikrophon, bei dem die Teilnehmer einer Versammlung die Worte des jeweiligen Redners nachsprechen. Was aus einer Notlage entstanden ist, weil den Campern in den USA das Benutzen von Mikrophonen verboten war, wurde bald zum heftig verteidigten Markenzeichen der Campbewegung. Allerdings fiel mittlerweile vielen Besucher der Camps auf, dass diese Art der Kommunikation auch eine bestimmte Herrschaftstechnik ist. Es wird ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt und verstärkt, wenn man auch Positionen, die man selber ablehnt, nachsprechen soll, grundlegende inhaltliche Auseinandersetzungen sind mit dieser Methode aber kaum möglich.

Ressourcen statt Politik, Ideologie und Geld

Mittlerweile wird darüber diskutiert, dass „obskure“ Gruppen in der scheinbar so spontanen Bewegung Einfluss zu nehmen versuchen. So stellte sich heraus, dass der Sprecher des Frankfurter Camps, der es sogar in die Tagesschau geschafft hatte, gute Beziehungen zu der 2008 gegründeten Zeitgeistbewegung hat, die sich für eine Abkehr von jeder Politik und Ideologie einsetzt und das Ziel einer „ressourcenbasierten Wirtschaft ohne Geld“ verfolgt. Mit Filmen werden in der letzten Zeit besonders intensiv die Zeitgeist-Ideen verbreitet, die auf Jacque Fresco und sein Venus-Projekt zurückgehen. Kritiker warnen vor verschwörungstheoretischen und strukturell antisemitische Tendenzen in den Filmen und der Bewegung.

Die Abneigung vieler Aktivisten gegen jegliche politische Organisationen und Ideologien kommt den Intentionen dieser Bewegung entgegen und wird von ihr auch stark gefördert. So gehörte der Frankfurter Sprecher zu denen, die immer besonders auf die Unabhängigkeit der Occupy-Bewegung vor allem zu linken Bewegungen, aber auch zu Parteien und Gewerkschaften pochte.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150729

Peter Nowak

Karl Kraus

Der Wiener Schriftsteller Karl Kraus leistete mit seiner Sprachkritik einen wichtigen Beitrag zur Analyse der politischen Verhältnisse in Österreich zwischen 1900 und 1936.

In der von ihm selbst herausgegebenen Zeitschrift Die Fackel gelang es ihm, den autoritären Charakter kenntlich zu machen, den die kapitalistische Gesellschaft in allen Kreisen der Gesellschaft hervorgebracht hatte. Das Straf- und Rachebedürfnis gegenüber Opponenten und Minderheiten und der immer stärker hervorbrechende Antisemitismus werden in seinen Texten bloßgestellt. Die Germanistin Irina Djassemy analysiert seine Texte mit dem theoretischen Rüstzeug der Frankfurter Schule. „Karl Kraus‘ Stärke gegenüber den bloßen Moralisten besteht nicht zuletzt darin, dass er bei den vom ihm kritisierten Vertretern bestimmter Berufe, z.B. bei Polizisten und Journalisten, auch das berücksichtigt, was er das System nennt: die Arbeitsbedingungen und den organisatorischen Aufbau der Institutionen“, schreibt Djassemy. In vielen seiner frühen Glossen ist der Meldezettel für Kraus das Symbol für eine autoritäre Gesellschaft, die dem Staat und den Nachbarn die Möglichkeit gibt, im Privatleben ihrer Mitmenschen zu schnüffeln. Dabei ist Kraus keineswegs blind für die Klassenverhältnisse der monarchistischen Habsburgerdiktatur. Anhand der Werke „In dieser großen Zeit“ und „Die letzten Tage der Menschheit“ zeigt die Autorin, wie Kraus die Verlogenheit der Gesellschaft im Ersten Weltkrieg durch seine Sprachkritik entlarvt. Der Buchausgabe von „Die letzten Tage der Menschheit“ vorangestellt ist ein Foto des von der österreichischen Militärjustiz zum Tod durch Erhängen verurteilten italienischen Publizisten und sozialdemokratischen Politikers Cesare Battisti. Für Kraus ist es ein Beispiel für „das österreichische Antlitz“, das in den Kriegsjahren häufig sich stolz ihrer Taten rühmende Henker in Aktion zeigte. Der Autorin gelingt es mit ihrer Analyse des Werkes von Karl Kraus, die geistige Verfassung einer Gesellschaft auf dem Weg in die nazistische Barbarei deutlich zu machen.

Irina Djassemy: Die verfolgende Unschuld. Zur Geschichte des autoritären Charakters in der Darstellung von Karl Kraus. Böhlau Verlag, Wien 2011. 266 Seiten, 35 EUR

http://www.akweb.de/ak_s/ak565/01.htm

Peter Nowak

Bloßer Aktionismus

Kaum hat das neue Semester begonnen, schon wird auch wieder über die Bildungsproteste gesprochen. Bundesweite Proteste sind für den 17. November geplant. Mit dem Motto »Occupy Education« soll an die neue Bewegung angeknüpft werden, die ausgehend von Spanien, Israel und den USA nun auch vor dem Reichstag in Berlin und der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main ihre Zelte aufgeschlagen hat. Allerdings ist die Occupy-Bewegung hierzulande mehr ein Medienereignis als eine starke Bewegung. Wenn sich die Bildungsproteste einfach anschließen, wäre es eher die Fortsetzung des Aktionismus. Dabei sollte bei neuen Aktionen auf die Erfahrungen in den letzten Semestern angeknüpft werden und man muss sich dabei die Frage stellen, warum die Proteste letztlich stagnierten und sich nicht wie erhofft ausweiteten.

In der nachdenklichen Parole »Wir werden doch eh nichts ändern«, mit der ebenfalls zu den neuen Bildungsprotesten aufgerufen wird, werden diese Erfahrungen reflektiert. Dass ist auf jeden Fall eine bessere Grundlage als bloßer Aktionismus. Dass viele Studierende nicht eine abstrakte Bankenkritik sondern ihre konkrete Lebensrealität zum Protest reizt, zeigte sich in Frankfurt am Main. Dort hatten am 20. Oktober Studierende und Schüler ein leerstehendes Gebäude in der Schumannstraße 60 besetzt, um auf ihre schlechte Wohnungssituation aufmerksam zu machen. Viele Erstsemester müssen in Turnhallen oder auf der Couch bei Bekannten übernachten. Die nach Augenzeugenberichten brutale Räumung des Gebäudes hat zu Protesten auf dem Campus geführt und damit mehr zu einer Revitalisierung der Bildungsproteste beigetragen als ein abstrakter Bezug auf die Occupy-Bewegung es je könnte.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/209866.blosser-aktionismus.html

Peter Nowak

Modischer Schick für die Szene

Neuer „Thor-Steinar“-Laden in Berlin – zivilgesellschaftliches Bündnis plant Protestkundgebung.

Am  morgigen Freitag soll in der Berliner Allee in Berlin-Weißensee ein Klamottenladen mit dem  Namen „Tønsberg“ eröffnet werden. Betreiber ist die Skytec GmbH, die  als Betreiber der in der rechten Szene beliebte Modemarke „Thor Steinar“ bekannt wurde. Sie hat mittlerweile ihre Stammkunden per Postwurfsendung über die Neueröffnung informiert. Doch schon vor einigen Tagen wurden Nachbarn auf den Laden aufmerksam. Der Van, aus dem Waren in den Laden transportiert worden waren, wurde bereits zuvor vor anderen „Thor-Steinar“-Läden gesichtet.

In Weißensee musste bereits 2005 der rechte Szeneladen „Nordic Thunder“ nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen und politischen  Protesten schließen. Bereits zur Eröffnung des neuen Geschäfts plant ein zivilgesellschaftliches Bündnis am Freitagvormittag eine Protestkundgebung vor den Räumlichkeiten.

Annika Eckel von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (mbr) erklärte gegenüber bnr.de, man biete den Vermietern Beratung an, wenn sie aus dem Vertrag mit den Betreibern des rechten Ladens aussteigen wollten. Da es noch keinen Kontakt gibt, ist Eckel aber der Wortlaut des Vertrages nicht bekannt. Davon hängen die juristischen Chancen einer schnellen Kündigung ab.

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/modischer-schick-fuer-die-szene

Peter Nowak

Rechte Klamotten am Jüdischen Friedhof

PROTEST In Weißensee eröffnet heute ein Thor-Steinar-Laden. Antifa und Linke rufen zur Demo

Berliner AntifaschistInnen mussten heute wieder einmal früh aufstehen: Für 9 Uhr hat ein Bündnis, in dem neben Antifagruppen auch die Linkspartei und die Grünen vertreten sind, zu einer Kundgebung in die Berliner Allee 11 in Weißensee. Dort soll vormittags ein Bekleidungsladen mit dem Namen „Tønsberg“ eröffnen. Betreiber ist die Skytec GmbH, die die in der rechten Szene beliebte Modemarke Thor Steinar betreut. Der Standort befindet sich in der Nähe des Jüdischen Friedhofs Weißensee, des größten Deutschlands.

Erst wenige Tage vor der Eröffnung sei man durch Zufall auf die geplante Neueröffnung aufmerksam geworden, erklärte Martin Sonnenburg von der Antifaschistischen Initiative Nord-Ost, die gemeinsam mit North East Antifa (NEA) seit Jahren im Kiez aktiv ist, gegenüber der taz. „Das Autokennzeichen eines Vans, aus dem Waren in den Laden transportiert wurden, war aus anderen Thor-Steinar-Läden bekannt.“ Mittlerweile wurden die Bestandskunden von Thor-Steinar per Postwurfsendung von der Skytec GmbH über die Neueröffnung informiert.

In Weißensee gab es bereits eine Auseinandersetzung um den rechten Szeneladen „Nordic Thunder“, der 2005 schließen musste. Im vergangenen Jahr musste auch ein Thor-Steinar-Laden im Bezirk Mitte nach langen juristischen Auseinandersetzungen und vielfältigen zivilgesellschaftlichen Protesten die Räume verlassen. Ein Thor-Steinar-Laden in Friedrichshain darf nach einem Gerichtsbeschluss unter neuem Namen bis 2015 bleiben. In Weißensee hofft die Antifa auf ein schnelles Ende des Ladens. Deswegen wurde kurzfristig zur Kundgebung aufgerufen. Annika Eckel von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (mbr) erklärte, man werde dem Eigentümer des Hauses Beratung anbieten, wenn er aus dem Vertrag mit dem rechten Laden aussteigen wolle. Da es noch keinen Kontakt zum Vermieter gebe, ist Eckel auch der Wortlaut des Vertrags noch nicht bekannt. Von dem hängt ab, ob eine vorzeitige Kündigung juristisch möglich ist.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F10%2F28%2Fa0155&cHash=9831f12b2d

Peter Nowak

Schlupfloch für die Zwangsbehandlung

Urteil des Bundesverfassungsgerichtes stärkt die Rechte psychisch kranker Straftäter
Das Bundesverfassungsgericht erklärte kürzlich das baden-württembergische Gesetz über die zwangsweise medizinische Behandlung psychisch kranker Straftäter teilweise für nichtig. Es gab damit einem Kläger aus Baden-Württemberg recht, dem – seit 2005 im Maßregelvollzug – gegen seinen Willen ein Neuroleptikum gespritzt werden sollte.

ND: Handelt es sich um das erste Urteil des höchsten Gerichts zur Zwangsbehandlung?
Seibt: Bereits im März 2011 hatte das Bundesverfassungsgericht den entsprechenden Passus des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes über den Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln für nichtig erklärt. Auch in diesem Fall ging es um die Zwangsbehandlung.

Stützt sich das Gericht dabei auch auf internationale Verträge, wie die Menschenrechtskonvention?
Nein, es stützt sich in dem Urteil ausschließlich auf das Grundgesetz. Die Zwangsbehandlung ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in die durch Artikel 2, Absatz 2, Satz 1 des Grundgesetzes geschützte körperliche Unversehrtheit, argumentieren die Richter. Dabei hat sie wohl unser Gutachten überzeugt, in dem wir nachgewiesen haben, wie schädlich die Zwangsbehandlung ist und wie viele Todesfälle daraus resultieren.

Gibt es auch in anderen Bundesländern Gesetze, die eine Zwangsbehandlung erlauben?
Die gibt es in allen Bundesländern und sie gelten so lange, bis ein Betroffener aus dem jeweiligen Bundesland dagegen klagt. Ein Jurist aus Niedersachsen hat schon erklärt, dass das Maßregelgesetz dort fällt, wenn ein Betroffener es schafft, mit seiner Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zugelassen zu werden.

Aber ein generelles Verbot kam aus Karlsruhe nicht?
Nein, das Gericht hat entschieden, dass die laxe Praktizierung von Zwangsbehandlungen nicht mehr möglich ist. So kann sie nicht mehr wegen einer angeblichen Gefährdung der Öffentlichkeit angewendet werden. Lediglich wenn jemand keinen freien Willen mehr besitzt und dadurch auf unabsehbare Zeit in der Psychiatrie bliebe, ist eine Zwangsbehandlung möglich. Wir kritisieren, dass das BVG doch noch ein Schlupfloch für die Anwendung der Zwangsbehandlung offen gelassen hat. Aber angesichts der Tatsache, dass sich über Jahrzehnte nichts in der Psychiatrie verändert hatte, war ein generelles Verbot der Zwangsbehandlung auch nicht gleich zu erwarten gewesen.

Betrifft das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nur verurteilte Straftäter?
Keineswegs, mit dem Urteil wird die Zwangsbehandlung generell stark eingeschränkt. Also nicht nur der psychisch kranke Straftäter, sondern auch der harmlose Spinner, der aus irgendwelchen Gründen in der Psychiatrie landet, kann in Rheinland Pfalz und Baden-Württemberg und hoffentlich bald auch anderen Bundesländern nicht mehr gegen seinen Willen behandelt werden.

Gibt es für Ihre Organisation in dieser Frage noch Handlungsbedarf?
Mehr denn je. Wir müssen darauf achten, dass nicht durch die Hintertür um den angeblich nicht vorhandenen freien Willen herum wieder Regelungen getroffen werden, die die alte Praxis der Zwangsbehandlung fortsetzen. Daher müssen wir auf Kongressen für die Abschaffung kämpfen und Politiker der Landesparlamente von unseren Argumenten zu überzeugen versuchen.

Gibt es in dieser Richtung Unterstützung von Parteien?
Momentan haben wir auf der parlamentarischen Ebene für unsere Forderung nach einem Verbot der Zwangsbehandlung keine Verbündeten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/209815.schlupfloch-fuer-die-zwangsbehandlung.html

Interview: Peter Nowak

 

Gebühren für Grundrechte

Wenn Komi E. seine Freundin in Berlin besuchen will, muss er zahlreiche bürokratische Hürden überwinden. Er lebt als Flüchtling in Halle und ist der Residenzpflicht unterworfen. Wenn er den Landkreis verlassen will, muss er bei der zuständigen Ausländerbehörde einen Antrag auf Genehmigung stellen. Die verlangt dafür eine Gebühr von 10 Euro und stützt sich auf die Aufenthaltsverordnung. Das Verwaltungsgericht Halle hatte im Februar 2010 entschieden, dass diese Gebühr zu Unrecht erhoben wurde. Dagegen ist der Landkreis in Berufung gezogen. Am heutigen Mittwoch wird das Oberverwaltungsgericht Magdeburg über die Frage entscheiden. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie fordert vom Gericht die Ablehnung der Gebühren. Nicht nur die Gebühren, auch die Residenzpflicht, die die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen einschränkt, gehöre abgeschafft.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/209727.bewegungsmelder.html

Peter Nowak

Das Ei des Kommunismus

Linke DDR-Oppositionelle greifen Systemdebebatte auf
In der außerparlamentarischen Linken wird verstärkt wieder über den Kommunismus diskutiert. Am kommenden Montag beginnt in Berlin eine dreiteilige Veranstaltungsreihe mit der Fragestellung »Was tun mit Kommunismus?« Zu den Unterstützern gehört der Arbeitskreis Geschichte sozialer Bewegungen Ost/West, die North-East-Antifa, die Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie verschiedene linke Zeitschriften. Die Linkspartei lieferte den Anlass für die Vorbereitung. »Die von Gesine Lötzsch und Inge Viett angerührte Diskussion über Wege zum Kommunismus, die sofort von der Linkspartei wieder kassiert worden war, hat uns zu der Veranstaltungsreihe motiviert«, meint der Historiker Harry Waibel gegenüber ND. Die Veranstalter grenzen sich aber auch von Linken ab, die den repressiven Charakter der sozialistischen Staaten leugnen bzw. jede linke Kritik daran abschmettern.

Für Waibel sollen drei grundlegende Fragen bei den Veranstaltungen behandelt werden. Ist es heute möglich, den Begriff und den Inhalt von »Kommunismus« mit sozial-emanzipatorischen Positionen zu verbinden? Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Scheitern von Lenins autoritärem Konzept des »Demokratischen Zentralismus«? Ist eine horizontale Organisierung radikaler und revolutionärer Interessen eine Möglichkeit? So wird sich die erste Podiumsveranstaltung mit dem Verhältnis verschiedener emanzipatorischer Strömungen der antikapitalistischen Linken zum »real existierenden Sozialismus« befassen. Daran werden der Basisgewerkschafter Willi Hajek, der linke DDR-Oppositionelle Thomas Klein, die sächsische Landtagsabgeordnete der LINKEN, Monika Runge, die Autorin Bini Adamczak und der Verleger Jörn Schüttrumpf teilnehmen. Tags darauf diskutieren unter anderem die Zeithistorikerin Renate Hürtgen und der Publizist Christoph Jünke über die Frage, wie sozialistisch der »real existierende Sozialismus« war.

Die Organisatoren der Veranstaltungen, zu denen die heutige Erwerbslosenaktivistin Anne Seek gehört, nennen sich satirisch »Selbsthilfegruppe Ei des Kommunismus«, kurz SEK. Seek ist nicht die einzige DDR-Oppositionelle, die an der Vorbereitung beteiligt ist.

Auch Bernd Gehrke von der AG Geschichte der sozialen Bewegungen Ost-West, der in der DDR die Oppositionsgruppe Vereinigte Linke mitgegründet hat, gehört dazu. Er wird bei der Abschlussveranstaltung über Utopien jenseits des Kapitalismus diskutieren und zwar mit der Trotzkistin Lucie Redler, den Kölner Aktivisten Detlef Hartmann und Christoph Frings sowie dem anarchistischen Arzt Michael Wilk.

Bei aller Unterschiedlichkeit der Referenten und Veranstalter gibt es einen Konsens: Alle suchen nach einen Kommunismus ohne Staat und Stasi.

Berlin, 31. Oktober, 18 Uhr, Mehringhof, Gneisenaustr. 2a; 1. November, 18 Uhr, Haus der Demokratie, Greifswalder Str.; 6. November, 17 Uhr, Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Str. 130.

eidesk.wordpress.com

http://www.neues-deutschland.de/artikel/209728.das-ei-des-kommunismus.html

Peter Nowak

Gute Laune bei der Streikwache

Die Beschäftigten der Pflegefirma Alpenland streiken seit über zwei Monaten für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen.
„Alpenland“, das klingt nach bayerischen Bergen. Doch eine Filiale der Pflegefirma gleichen Namens liegt im flachen Marzahn, und auch die Entlohnung der dort beschäftigten Mitarbeiter ist alles andere als hoch: Die rund 210 Pflegekräfte werden geringer entlohnt als ihre knapp 130 Kollegen im Westteil der Stadt. Der Unterschied beläuft sich monatlich auf bis zu 170 Euro, rechnet Meike Jäger von Ver.di vor. Sie hat mittlerweile Hausverbot in dem Marzahner Pflegeheim, denn dessen Belegschaft streikt bereits seit dem 18. August. Die zentralen Forderungen: Angleichung der Löhne und Verhinderung der Flexibilisierung der Arbeitszeit.

„Bisher können wir über unsere Arbeitseinsätze entscheiden. Das soll auch so bleiben“, sagt eine Beschäftigte, die in eine dicke Decke gehüllt gegenüber dem Eingang des Pflegeheims auf einer Bank sitzt. Sie gehört zum harten Kern von rund 40 Beschäftigten, die täglich mehrere Stunden die Streikwache stellen. Die Stimmung ist gelöst. Weniger gut zu sprechen sind die AktivistInnen auf die ca. 40 Beschäftigten, die individuelle Verträge mit dem Unternehmen abgeschlossen haben. Dabei sichert ihnen eine Klausel zu, dass auch sie davon profitieren, wenn sich die Streikenden durchsetzen. „Da wird die Solidarität

Deshalb freuen sich die Streikenden über jede Unterstützung von außerhalb. Vor einigen Tagen haben ihnen die Ver.di-Senioren einen Solidaritätsbesuch abgestattet. Demnächst will sich die Streikwache mit einer Feuertonne gegen die herbstlichen Temperaturen schützen. Immerhin: Nach einem guten Monat Pause wird zwischen Ver.di und Alpenland wieder verhandelt. Am kommenden Samstag werden die Gespräche fortgesetzt.

In den vergangenen Wochen haben sich die Alpenland-Beschäftigten an gemeinsamen Aktionen mit den KollegInnen von der CFM, der Service-Tochter der Charité, beteiligt. Die rund 300 Beschäftigten der CFM befinden sich seit Mitte September im Ausstand, sie fordern einen Tarifvertrag und eine Lohnerhöhung von 168 Euro monatlich. Viele neu eingestellte KollegInnen seien bei Stundenlöhnen von weniger als sieben Euro zur Aufstockung ihres Gehalts durch Hartz IV gezwungen, schildert Ver.di-Verhandlungsleiterin Silvi Krisch die Arbeitsbedingungen.

Beschäftigte und UnterstützerInnen haben in den letzten Wochen mit Kundgebungen und Flashmobs vor dem Dussmann-Kulturkaufhaus den Druck erhöht. Dussmann ist Gesellschafter der CFM. Eine Sprecherin des Unternehmens fordert von Ver.di ein neues Gesprächsangebot, nachdem die Gewerkschaft im August die Verhandlungen abgebrochen hat. Gegenüber der taz betont Silvi Krisch, es gehe nicht darum, wer zu den Gesprächen einlade, sondern ob es ein verhandlungsfähiges Angebot gebe. Bisher war die CFM nur zu Verbesserungen bei vier von 18 Berufsgruppen bereit. Daher gehen die Beschäftigten am Donnerstag wieder auf die Straße. Um 11 Uhr startet eine Demonstration vom Charité-Bettenhochhaus zum Roten Rathaus. Die Streikenden von Alpenland wollen auch kommen.

http://www.taz.de/Langzeitstreik-bei-Pflegefirma/!80644/

Peter Nowak

Stürzt die EU Berlusconi?

Für Empörung in Italien sorgt das Lächeln von Merkel und Sarkozy über Berlusconi

n Seit Monaten fordert die breitgefächerte Opposition in Italien den Rücktritt von Ministerpräsident Berlusconi. Der aber, nur noch darum bemüht, sich seine Straffreiheit zu bewahren, hat trotz Zerwürfnissen in seiner eigenen rechten Koalition bei Vertrauensfragen im Parlament immer wieder eine knappe Mehrheit erhalten. Doch jetzt könnte der Dauerministerpräsident doch noch straucheln, wie italienische Medien melden. Verantwortlich dafür wären aber weder die italienische Protestbewegung und schon gar nicht die politischen Oppositionsparteien, die nicht weniger zerstritten als die Regierung sind. Der neueste Streit in der italienischen Regierung wurde von den EU-Gremien verursacht. Die verlangen von Italien massive Sozialkürzungen, u.a. eine Erhöhung des Rentenalters, damit das Land sein Defizit verringert. Gegen diese Maßnahme aber sperrt sich die Lega Nord, die in der letzten Zeit Berlusconis Stütze im Parlament war. Die norditalienischen Rechtspopulisten, die sich gerne als Stimme des italienischen Steuerbürgers gegen alle Zuwanderer, sei es aus dem Süden des Landes oder dem Ausland geriert, hat schon in der Vergangenheit an der Rentenfrage die Rechtskoalition platzen lassen. Schon redet der Lega-Vorsitzende Bossi von Neuwahlen. Damit aber bringt er nicht nur Berlusconi, sondern auch die EU in Bedrängnis. Denn wenn bei den Eurorettungsverhandlungen ein italienischer Ministerpräsident auf Zeit sitzt, der keine Verhandlungsvollmacht mehr hat, wird das vielzitierte Vertrauen in die Währung nicht gerade gestärkt. Zumal überhaupt nicht absehbar ist, wie es in einen Italien nach Berlusconi, der trotz erster Absatzbewegungen in seiner eigenen Partei noch immer die Nummer eins ist, weitergehen soll. Obwohl die Oppositionsparteien so oft dessen Rücktritt fordern, sind sie auf eine Nachfolgeregelung nicht vorbereitet. Zumal auch nicht klar ist, ob Berlusconi, entgegen aller seiner Versprechungen, bei vorgezogenen Neuwahlen nicht doch noch mal antreten und sich als Verteidiger Italiens gegen die Zumutungen der EU aufspielen könnte.

Das Lächeln von Merkel und Sarkozy

Zweifelhaft ist, ob Berlusconi auf dem EU-Gipfel am Mittwoch die von ihm zugesagten Maßnahmen zur Haushaltssanierung präsentieren kann. Es sei eine Vereinbarung erzielt worden, sagte Bossi, aber nicht über die Rentenreform. Für mehr Empörung in der italienischen Öffentlichkeit sorgt aber das „maliziöse Lächeln“ für Empörung, mit dem Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy bei einer Pressekonferenz auf die Frage reagierten, ob sie noch Vertrauen in Berlusconi haben? „Diese Erniedrigung, mit Griechenland gleich gesetzt zu werden, ist der Beweis, dass Italien abgestiegen ist. Wir müssen daran arbeiten, wieder in die erste Liga aufzusteigen“, übt sich Enrico Letta von der sozialliberalen Demokratischen Partei in Standortnationalismus. Auch Außenminister Frattini gab sich entrüstet. Solche Ab- und Aufwertungen der verschiedenen Länder im EU-Rahmen werden durch die Politik der EU eher gefördert und beschränken sich nicht nur auf Italien. So hat der konservative bulgarische Ministerpräsident in Bezug auf die Griechenlandhilfe gefordert, jedes EU-Mitglied solle die Löhne und Gehälter auf bulgarisches Niveau senken, bevor es Hilfe von der Europäischen Gemeinschaft in Anspruch nehmen darf. Wo nicht solidarische Bewegungen soziale Mindeststandards auf europäischer Ebene verteidigen, übernehmen oft rechte Populisten und Nationalisten auf ihre Weise diese Aufgabe. Das könnte auch der italienischen Rechten nützen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150700

Peter Nowak

Veränderung statt Caritas

Gründer möchte mit ethecon-Stiftung die Welt verändern

Wirtschaft und Gesellschaft werden zunehmend von den großen multinationalen Konzernen geprägt. Die Stiftung ethecon will deshalb Ethik und Ökonomie zusammen bringen. Dazu werden regelmäßig Tagungen und Preisverleihungen organisiert.

»Ich trete auf der ethecon Tagung auf, um Gesicht zu zeigen. Mir ist es wichtig, dass Menschen mir in die Augen sehen und ich ihr Feuer erkennen kann. Das stärkt meinen Willen und zeigt mir, dass ich nicht alleine bin.« So begründet der Rapper Kern seinen Auftritt bei der Verleihung der beiden internationalen ethecon-Preise am 19. November im Berliner Pfefferwerk. Es ist mittlerweile die sechste Preisverleihung.

Seit 2006 verleiht ethecon den Positivpreis Blue Planet Award und würdigt damit einen außerordentlichen Einsatz zum Erhalt und zur Rettung des Planeten. In diesem Jahr geht der Preis an die US-amerikanische Bürger- und Menschenrechtsaktivistin Angela Davis, die den Preis persönlich in Empfang nehmen wird. Damit steht sie in einer guten Tradition. Mit den Positivpreisen hat ethecon in den vergangenen Jahren Diane Wilson aus den Vereinigten Staaten, Vandana Shiva aus Indien, José Abreu und Hugo Chávez aus Venezuela, Uri Avnery aus Israel sowie Elias Bierdel aus Österreich ausgezeichnet.

Der Schmähpreis Black Planet Award, mit dem Verantwortliche für den Ruin und die Zerstörung der Erde markiert werden sollen, geht an Tsunehisa Katsumata und Masataka Shimizu, die als Großaktionäre und verantwortliche Manager des Tepco-Konzern in Japan für ihre Verantwortung für die Atomkatastrophe. In den vergangenen Jahren haben unter anderem Manager der Konzerne Monsanto, Blackwater und Nestlé diesen ungeliebten Preis bekommen. Es sind bewusst immer Menschen und nicht Institutionen, die mit den Preisen im Positiven wie im Negativen bedacht werden. »Es sind immer einzelne Menschen, die im Guten wie im Schlechten die Verantwortung tragen und die Entscheidungen fällen. Nur zu gerne wird dies vor allem bei ökologischen, sozialen, friedenspolitischen und anderen Verbrechen hinter den Fassaden von Institutionen und »Sachzwängen« verborgen«, ist Stiftungsgründer Schnura-Köhler überzeugt. Die ethecon-Preise sollen Ross und Reiter klar beim Namen nennen.

Kritiker könnten einwenden, dass durch die Konzentration auf Personen die Illusion erweckt werden könnte, man müsste nur die Menschen und nicht die Strukturen ändern, um Gerechtigkeit zu erreichen. Doch als Reformist würde sich der langjährige politische Aktivst Schnura-Köhler keineswegs verstehen. Der 1949 in Hof geborene Betriebswirt wird auf Wikipedia als »Konzernkritiker mit internationalem Wirkungsfeld« bezeichnet. Seit früher Jugend ist er in der DKP aktiv. Er gehörte dem deutschen Koordinierungskreis des Europäischen Sozialforums (ESF) an und war von 1999 bis 2003 jeweils verantwortlich für den Bereich »Multinationale Konzerne« beim ersten ESF 2002 in Florenz und beim zweiten ESF 2003 in Paris. Da blickte er schon auf eine jahrzehntelange politische Biographie zurück. 1978 war er an der Gründung der linken Tageszeitung taz ebenso beteiligt wie 1980 an der Entstehung der Ökobank-Genossenschaft, die inzwischen in der GLS-Bank aufgegangen ist. Auch bei der Gründung und dem Aufbau des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) sowie des Pestizid-Aktionsnetzwerkes (PAN) hatte er wesentlichen Anteil. Beruflich arbeitete er in der Geschäftsleitung verschiedener Unternehmen, bevor er sich 1988 selbstständig machte. Bei ethecon kann er betriebswirtschaftlichen Kenntnisse mit politischem Engagement verbinden.

Gemeinsam mit Gudrun Rehmann gründete Köhler-Schnura die Stiftung 2004. Die Preisverleihung ist für sie eine eminent politische Demonstration. Einmal jährlich nehme die Stiftung politisch Stellung zu aktuellen politischen Problemen und Konflikten und verbreitet diese Erklärungen national und international. Jährlich einmal wird in einer großen öffentlichen Vortragsveranstaltung in Berlin ein aktuelles Thema der sozialen Bewegungen in den Mittelpunkt gestellt.

Vom Profit- zum Solidarprinzip

Für die Gründer ist der Name der Stiftung Programm. »Ziel der Stiftung ist es, die Beachtung ethischer, ökologischer, sozialer und menschenrechtlicher Prinzipien im Wirtschaftsprozess zu fördern und durchzusetzen sowie demokratische und selbstbestimmte Strukturen zu stärken.« Da Profit zunehmend zum einzigen Kriterium für das gesellschaftliche Leben und den Umgang mit der Umwelt geworden sei, trete ethecon für einen Wandel weg vom Profitprinzip und hin zu einem Solidarprinzip ein. Der Frage, ob solche Ziele nicht im Kapitalismus illusorisch sind, kann Köhler-Schnura durchaus verstehen. Er betont aber, dass ethecon eine Stiftung ist, die auf den Wandel statt auf karitative Hilfe setzt. »Karitative Fürsorge lindert vielleicht das eine oder andere ökologische, soziale Problem, löst dieses aber niemals endgültig, ist Köhler-Schnura überzeugt. Deshalb würden Spenden gegen den Hunger nie zum Ende der Unterernährung beitragen.

»Hunger kann nur durch eine Veränderung der politischökonomischen Verhältnisse beendet werden«, ist eines der Credos von ethecon. Mit dieser klaren Positionierung macht sich die Stiftung nicht überall Freude. »Je konsequenter auf eine grundlegende Änderung gesetzt wird, desto weniger wird dafür gespendet«, weiß der erfahrene Stiftungsgründer. Schließlich werden ca. 95 Prozent aller Spenden und Zustiftungen im karitativen Bereich geleistet. Mit leuchtenden Kinderaugen, die für »edle Spender« als großes Erfolgserlebnis betrachtet werden, kann ethecon nicht dienen. Wer auf gesellschaftlichen Wandel setzt, braucht eher einen langen Atem als ein gutes Gewissen. Hinzu kommt, dass eine Stiftung wie ethecon nicht die Mittel besitzt, um mit Fernsehspots und auf Großleinwänden auf die Tränendrüse zu drücken. Genau das ist aber auch gar nicht das Ziel einer Stiftung, die mehr auf den Verstand als auf das Gemüt setzt.

Doch für ein Lamento sieht Optimist Köhler-Schnura keinen Grund. »Gemessen an dem Stiftungsvermögen und den begrenzten Mitteln, die uns für Kampagnen und Aktionen zur Verfügung stehen und der Tatsache, dass uns nur eine hauptamtliche Kraft zur Verfügung steht, haben wir bereits viel erreicht.«

https://www.neues-deutschland.de/artikel/209442.veraenderung-statt-caritas.html

Peter Nowak

Alles streng wissenschaftlich

Die Bundesregierung hat eine Expertenkommission ernannt, die die Energiewende wissenschaftlich begleiten soll. Aufgabe dieses vierköpfigen Gremiums ist die Überprüfung, ob die Energiewende »dem Ziel einer umweltschonenden, zuverlässigen und bezahlbaren Energieversorgung gerecht wird«, so Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP).

Dieses Gremium hätte wohl kaum Aufmerksamkeit bekommen, wenn sich nicht an der Person des Vorsitzenden ein Streit entzündet hätte. Für Umweltorganisationen ist der Volkswirt Andreas Löschel zu industrienah. Regine Günther von der Umweltstiftung WWF wird in der Berliner »tageszeitung« zitiert: »Es ist höchst problematisch, wenn die Regierung jemanden zum Leiter einer Expertenkommission beruft, der zeitgleich solche Kriterien im Auftrag einer Interessenpartei entwickelt.«

Damit bezieht sie sich auf die Arbeitsgruppe »Konzept für ein Monitoring der energiepolitischen Zielerreichung«, die Löschel am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim leitete. Dabei wurden 25 Prüfsteine entwickelt und begleitend mit Politikern, Wissenschaftlern und Vertretern von Umweltverbänden diskutiert. Auftraggeber des Konzepts war der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Die Kritiker monieren, dass Löschel hier Kriterien entwickelt habe, die er nun als Leiter der Monitoringstelle anwende. Für Löschel geht es um eine »rein wissenschaftliche, unabhängige Arbeit«.

Nun ist es gerade in der Wirtschaftsforschung so eine Sache mit der unpolitischen Wissenschaft. Zumal bei einem Mann, der laut seiner wissenschaftlichen Vita Stipendiat der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung war und von der Körber-Stiftung den Deutschen Studienpreis für eine Diplomarbeit bekam, die »rein wissenschaftlich« die Zukunft der Alterssicherung in der kapitalgedeckten Rentenversicherung fand.

Ein Mann wie Löschel als Kontrolleur dürfte sicherstellen helfen, dass sich die Industrie keine Sorgen machen muss. Zumal der Bundeswirtschaftsminister voll und ganz hinter ihm steht.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/209542.alles-streng-wissenschaftlich.html

Peter Nowak

Zurück zu Willy Brandt

Die Linke gibt es sich mit großer Mehrheit ein Grundsatzprogramm und stärkt Lafontaine und Wagenknecht

In den letzten Monaten wurde die Linkspartei in der Öffentlichkeit mehr als einmal zum Auslaufmodell erklärt. Begründet wurde diese Einschätzung neben den parteiinternen Streit auch damit, dass ja jetzt anders als zur Zeiten der Hartz IV-Proteste, die soziale Frage an Bedeutung verloren habe.

Nun müssten nach dieser Logik die Aktien der Linkspartei eigentlich wieder steigen. Schließlich hat die zweite Bankenkrise eine diffuse Protestbewegung auch in Deutschland hervorgebracht, die durchaus mit den frühen Anti-Hartz-Protesten vergleichbar ist. Zwar liegt der Occupy-Bewegung sicher keine Kapitalismuskritik zugrunde, aber sie drückt einen Unmut über die Verhältnisse aus. Auf jeden Fall hat sie es wie 2004 der Anti-Hartz-Protest geschafft, dass in den Medien die Krise wieder registriert wird.

Das neue Parteiprogramm wurde mit überwältigender Mehrheit angenommen. Das von der Linkspartei auf ihrer Website veröffentlichte Bild soll wohl den Jubel – oder die Erleichterung? – darstellen.

Gute Zeiten eigentlich für die Linkspartei, die von ihrem Glück noch nichts ahnen konnte, als sie den Parteitag ganz im historischem Bewusstsein für Ende Oktober in Erfurt ansetzte. Schließlich bedeutete der Erfurter Parteitag der Sozialdemokratie vor 120 Jahren den Durchbruch des Marxismus in der alten Sozialdemokratie.

„Koks ja – Banken nein“

Wenn der Linken also ein Traditionsbewusstsein nicht fehlt, kann dennoch niemand sagen, sie gehe nicht mit der Zeit. Das zeigte die Abstimmung über die Legalisierung aller Drogen, den die Parteitagsmehrheit gegen den Willen des Vorstands durchsetzte. Da war das Grundsatzprogramm noch nicht beschlossen und schon titelten die Medien hämisch und verkürzt „Koks ja – Banken nein“.

Nachdem die ersten negativen Pressereaktionen kamen, wurde der Beschluss schnell wieder relativiert und korrigiert. Damit wurden auch sofort die Grenzen der Konfliktfähigkeit der Linken markiert. Für die Forderung nach Verstaatlichung der Banken und der langfristigen 30-Stunden-Woche ist auch die Basis der Linken bereit zu streiten. Aber sich eine Drogenlegalisierungsdebatte aufzuhalsen, dafür hat auch in großer Teil der Linkenbasis dann doch keine Lust. Schließlich weiß man auch nicht, ob man sich da für die Forderung einer Klientel einsetzt, die dann doch eher die Piratenpartei oder gar nicht wählt.

Alle aufeinander angewiesen

Wer wie ein Großteil der Medien auf den großen Flügelkampf in der Linken, gar eine Spaltung gewartet hatte, wird nach Erfurt enttäuscht sein. Der Leitantrag des Parteivorstandes, um den in einzelnen Formulierungen noch lange gerungen wurde, bekam eine übergroße Mehrheit von 503 Stimmen bei wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen. Er soll jetzt den Mitgliedern zur Abstimmung vorgelegt werden. Da man von einer großen Zustimmung ausgehen kann, hat dann die Partei ihr erstes Grundsatzprogramm, und die ständigen Kritiker, die immer auf den programmlosen Zustand aufmerksam gemacht haben, haben ein Argument weniger.

Das Abstimmungsergebnis macht deutlich, dass in Erfurt die Sorge um den gemeinsamen Untergang der Partei überwogen hat. Der mit sinkenden Wahlergebnissen und Umfragewerten verbundene innerparteiliche Streit der letzten Monate hat allen Flügelexponenten deutlich gemacht, dass sie aufeinander angewiesen sind. Allein hätte keiner der Flügel eine realistische Chance, in ein Parlament einzuziehen. Also wäre auch die Machtperspektive verloren, auf die besonders die Realpolitiker setzen.

Das Wissen um den drohenden gemeinsamen Untergang förderte die Kompromissbereitschaft. An dieser flügelübergreifenden Einigkeit hatten Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine einen wichtigen Anteil. Letzterer setzte sich auf den Parteitag persönlich für einen Kompromiss bei der Formulierung der antimilitaristischen Grundsätze der Partei ein. Die waren in den letzten Wochen zu einem wichtigen Zankapfel im innerparteilichen Streit geworden.

Diese Auseinandersetzung hat schon die PDS mehr als 10 Jahre begleitet. Jeder Versuch der Realos, die antimilitaristischen Grundsätze aufzuweichen, um das Mitregieren zu ermöglichen, traf auf heftige Gegenwehr des linken Parteiflügels. Nach dem in Erfurt verabschiedeten Kompromiss soll Deutschland aus den militärischen Strukturen der Nato austreten, die Bundeswehr soll alle Kampfeinsätze beenden. Ein generelles Verbot, Bundeswehrsoldaten ins Ausland zu schicken, fand ebenso keine Mehrheit wie ein sofortiger Austritt aus der Nato.

Besonders Lafontaine hatte sich auf dem Parteitag für diesen Kompromiss eingesetzt. Von ihm stammt auch der Vorschlag eines Willy-Brandt-Korps zur unbewaffneten Katastrophenhilfe. Damit will der alte Sozialdemokrat seine ehemalige Partei ärgern. Allerdings dürfte der Bezug auf Willy Brandt bei Parteilinken nicht unumstritten sein. Denn der gehört in den 60er Jahren zu den Scharfmachern im Kalten Krieg, bevor er sich unter dem Einfluss von Egon Bahr auf das Konzept des Wandels durch Annäherung und damit die Entspannungspolitik einließ. Auch den Vietnamkrieg der USA unterstützte Brandt. Deshalb war sein Auftreten nicht unumstritten, als er als Elder-Stateman und Präsident der Sozialistischen Internationale in den 80er Jahren wieder seine Gegnerschaft zu Waffen und Raketen made in USA entdeckte. Damals galt Lafontaine als einer der Brandt-Enkel in der SPD. Auf diese Phase bezieht sich daher wohl auch Lafontaine mit seinen Vorschlag.

Wagenknechts Aufstieg

Schon zu Beginn des Parteitags hat sich auch Sahra Wagenknecht an die Realofraktion gewandt und zur Einigkeit gemahnt. Wagenknecht dürfte wohl in der Partei bald eine größere Rolle spielen. Sie ist schon als stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Gespräch. Die Realofraktion hat immer weniger Argumente dagegen.

Wagenknecht gilt als wirtschaftspolitische Expertin und hat in der aktuellen Krise dazu mehrmals fundiert Stellung genommen. Zudem hat sie in ihren jüngsten Buch „Freiheit statt Kapitalismus“ die soziale Marktwirtschaft eines Ludwig Erhard gegen den aktuellen Neoliberalismus verteidigt. Diese kontrovers diskutierten Thesen dürften auch als Kooperationsangebot an die Realos gedacht sein.

Wer in der Linkspartei Karriere machen will, darf nicht als Flügelexponent auftreten, schon gar nicht, wenn man von der Kommunistischen Plattform kommt. Das informelle Bündnis Wagenknecht-Lafontaine existiert schon länger in der Linkspartei. Der linke Flügel hatte mit dem Motto „Kurs halten“ auf einer Konferenz im Vorfeld des Parteitags für den Erhalt des innerparteilichen Status Quo geworben. Sie haben sich als Vertreter der Parteimehrheit gesehen. Für diese Taktik wurde ihr auch von innerparteilichen Gegnern Respekt gezollt.

Die Schwäche der Realos liegt allerdings nicht nur an fehlenden vorzeigbaren Personen. Es gibt keinen Partner für ihre Vorstellungen eines politischen Ko-Managements. Das zeigt sich aktuell sogar in den Berliner Bezirken. Dort bildet sich eine Zählgemeinschaft aus SPD, Grünen und Union, um die Wiederwahl von Bürgermeistern der Linken zu verhindern, die teilweise seit Jahren dort regiert haben. Diese ganz große Koalition lässt sich lediglich vom Reflex gegen die Linke leiten.

Dass unter solchen Umständen die Kritiker einer Koalition um jeden Preis Gehör finden, dürfte nicht verwundern. Zumal weder Lafontaine, der wohl unter den Exponenten der Linkspartei die längste Regierungserfahrung hat, noch Wagenknecht ein Mitregieren generell ausschließen. Nur unter den Bedingungen, unter denen sich der Berliner Zweig darauf eingelassen hat und ihm einen großen Wählerschwund bescherte, will man sich wohl vorerst nicht mehr zum pflegleichten Juniorpartner degradieren lassen. Allerdings dürfte in den ostdeutschen Landesverbänden bald wieder eine Regierungsbereitschaft um jeden Preis diskutiert werden, wenn in einem der Bundesländer die Bedingungen dafür gegeben sind. Das kann sogar in Sachsen der Fall sein, wo manche in der SPD ihrer Rolle als Juniorpartner im CDU-Staat überdrüssig geworden sind. Die Koalitionsfrage wird die Linke also weiter begleiten.

Die medialen Kritiker, die vor allem in der Tageszeitung die Linke immer aufforderten, Teil eines Blocks aus SPD und Grünen zur Ablösung der Union und damit superrealistisch zu werden, raten ihr nun, von dem Erfolg der Piratenpartei zu lernen und den Klassenkampf sein zu lassen. Da nun aber die Piratenpartei zu Ausbeutungsverhältnissen auch in der Internetbranche wenig zu sagen hat und bei der Frauenemanzipation noch hinter die CSU zurückfällt, wäre die Umsetzung eines solchen Rats der Selbstmord der Linken. Zumal auch jenseits der medial mit Aufmerksamkeit verfolgten Grundsatzdebatte interessante Diskussionen um feministische Perspektiven geführt wurden, wird dadurch eher das Defizit der Piraten in diesen Fragen verdeutlicht.

Übrigens hat die innerlinke Nah-Ost-Debatte, die zeitweilig ein großes Thema vor allem außerhalb der Partei war (Linker Antisemitismus?), auf dem Parteitag keine große Rolle mehr gespielt. Schon vor einigen Wochen zeigte eine kleine Broschüre unter dem Titel „Königsweg der Befreiung oder Sackgasse der Geschichte“ auf , wie eine „Annäherung an eine aktuelle Nahostdebatte“ ohne aufgeregten Flügelstreit möglich ist.
a Luxemburg erklärte bei der Gründung der KPD um die Jahreswende 1918/19, dass man nun wieder bei Marx angelangt sei. Die Linke ist nach Erfurt im Oktober 2011 wieder bei Willy Brandt.

http://www.heise.de/tp/artikel/35/35751/1.html

Peter Nowak

Wettbewerbung der Bewegungsversteher

In den Medien sind die neuen Krisenproteste vorerst wieder in den Hintergrund gerückt. Doch für einen harten Kern von Aktivisten gehen die Proteste weiter – und alle haben sie irgendwie lieb

Auf einer der neuen Protestwebseiten heißt es: „Jeden Tag 15 Uhr, Assamblea am Bundestag, ab 20 Uhr Assamblea im IRC-Chat.“ Auch im Protestcamp vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt/Main ist der Aktivismus noch ungebrochen. Dort wird für den kommenden Samstag eine große Party in der Frankfurter Innenstadt vorbereitet.

Auch in anderen Städten wie Berlin, Kiel und Düsseldorf sind für kommendes Wochenende weitere Krisenproteste geplant. Ob das Ziel, die Teilnehmerzahl vom 15.Oktober zu übertreffen, erreicht wird, bleibt offen. Zumal es in der Eile des Aktionismus oft noch Koordinierungsprobleme gibt. So war es noch vor einigen Tagen unklar, ob die Demo in Berlin am Roten Rathaus oder am Bundestag startet. Mittlerweile hat sich der letzte Ort durchgesetzt.

Doch die Protestbewegung denkt schon über das nächste Wochenende hinaus. Für den 29.Oktober ist ein neuer globaler Aktionstag geplant. Dafür wird auf der Website von Adbusters geworben, denen schon für die weltweite Koordination der Proteste der letzten Wochen eine zentrale Rolle zugeschrieben wird. Die Initiatoren sind in den vergangenen Jahren vor allem als Werbe- und Konsumkritiker bekannt geworden. Die Probleme von Menschen mit geringen Einkommen waren also bisher nicht ihr zentrales Thema.

Neue Montagsdemonstrationen?

Vor allem in Ostdeutschland wird bereits wieder über die Reanimation der Montagsdemonstrationen nachgedacht.  Auf der zentralen Leipziger Kampagnenseite distanziert man sich von Drittbrettfahren aus der rechten Szene, die auf „Weltnetzseiten“ wie Volksbetrug und Volkswille ebenfalls von den Protesten zu profitieren hoffen. Derweil gibt es auch in der linken Bewegung Diskussionen über den Umgang mit der neuen Bewegung. Einerseits blicken viele Linke mit leuchtenden Augen auf eine Bewegung, die am letzten Samstag in Deutschland mehr Menschen auf die Straßen brachte, als die Anti-Krisenbündnisse. Sie erinnern sich daran, dass im Oktober 2010 eine Blockade des Frankfurter Bankenviertels mangels Masse abgesagt werden musste, während zurzeit tagelang Menschen vor den Bankzentralen campieren.

Andererseits wird auch die Orientierung großer Teile der Bewegung auf eine Bankenkritik äußerst kritisch gesehen. Teile des außerparlamentarischen Bündnisses Interventionstische Linke warnt die linke Bewegung davor, ihre Themen der neuen Bewegung aufzudrängen, und rät ihr, der Masse zuzuhören. Dem entgegnen andere, es wäre niemand damit gedient, wenn die linke Bewegung diskutierte Thesen zurücknähme. Schließlich fehle es der neuen Bewegung nicht an Fans, aber an Inhalten.

„Lasst Euch vereinnahmen“

Mittlerweile haben fast alle Bundestagsparteien, einschließlich der Union, ihr Verständnis für die Protestanliegen geäußert. Wenn sich auch die Aktivisten selber gegen alle Vereinnahmungsversuche wehren, so hat der Wettbewerb um die besten Protesteversteher schon begonnen.

Mittlerweile hat der der Attac nahestehende Publizist Mathias Greffrath der Bewegung auch schon geraten, keine Angst vor solchen Vereinnahmungen durch die Parteien zu haben. Der emeritierte Politologe Peter Grottian hat mit weiteren als Aktivisten bekannten Wissenschaftlern und Publizisten einen offenen Brief an Attac unterschrieben, in dem die weitgehende Inaktivität der Organisation bei den neuen Protesten kritisiert wird. Überhaupt nicht in Aktion treten die Sozialforen, die ein Jahrzehnt lang unterschiedliche Proteste zu koordinieren versuchten. Sie haben sich wohl als Aktionsform überlebt.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150670

Peter Nowak

Schützenhilfe für die Rechte

Kritik an Plattform zu Totalitarismus
Am 14. Oktober wurde in Prag der Gründungsvertrag der Plattform »Europas Gedächtnis und Gewissen« unterzeichnet. Zum Festakt waren Ministerpräsidenten aus Tschechien, Polen und Ungarn angereist; 19 Einrichtungen aus 13 europäischen Staaten waren an der Erarbeitung des Vertrags beteiligt.

Die Initiative war vom tschechischen »Institut für das Studium totalitärer Regime« ausgegangen. Dessen Leiter Daniel Herman sieht im Einfluss auf die »Erinnerungspolitik« die zentrale Funktion der Plattform. »Sie ist vor allem ein Koordinationsorgan, das Hauptthema wird die Aufarbeitung der Vergangenheit sein. Und zwar der totalitären, das heißt der nationalsozialistischen und der kommunistischen Vergangenheit«, präzisierte Herman. Aus Deutschland nahm der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des MfS, Roland Jahn, an dem Festakt teil.

Zunächst wird das Büro der Plattform in Prag verbleiben. In Zukunft ist eine Vertretung in Brüssel vorgesehen. Zu den ersten Projekten gehört die Erstellung von Unterrichtsmaterialien, die europaweit eingesetzt werden können. Auch mittels einer Ausstellung und eines Lesebuchs soll die Sicht auf die Geschichte im Sinne der unterzeichneten Organisationen verbreitet werden. Ebenso schwebt ihnen die Einführung eines »Europäischen Tages der Erinnerung an die Opfer der totalitären Regime« vor. Der 23. August wurde ins Gespräch gebracht, in Erinnerung an den Truppeneinsatz zum Ende des »Prager Frühlings«.

Heftige Kritik an der Geschichtssicht der Plattform übte der Vorsitzende Menschenrechtsorganisation »Welt ohne Nazismus«, Boris Spiegel. »Die Gleichstellung der beiden totalitären Regime, des kommunistischen und des nazistischen, ist nichts anderes als ein Versuch einer Reihe von Ländern Osteuropas, ihre verbrecherischen Regimes, die mit Hitler paktierten, reinzuwaschen«. Spiegel warnte davor, dass eine Propagierung dieser Geschichtssicht »rechtsradikalen Kräften und pseudowissenschaftlichen Instituten« Auftrieb gibt, »die sich als geistige und politische Nachfolger von Kollaborateuren, Legionären der Waffen-SS und Hitler-Unterstützern verstehen«. Besonders den Versuch, neben Nazideutschland auch der Sowjetunion gleichberechtigte Verantwortung für den Ausbruch des 2. Weltkriegs zu geben, verwische den Unterschied zwischen Tätern und Opfern.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/209378.schuetzenhilfe-fuer-die-rechte.html

Peter Nowak