Erinnerung an einen Kiezaktivisten

Das Stadtbad Oderberger Straße soll nach Bernd Holtfreter benannt werden

Bewohner des Stadtteils Prenzlauer Berg haben in einen Aufruf gefordert, dem Stadtbad Oderberger Straße den Namen »Bernd Holtfreter« zu verleihen. Dort war er als Stadtteilaktivist vor und nach der Wende bekannt geworden.

Der linke DDR-Kritiker ließ sich 1987 zum Vorsitzenden des Wohnbezirksausschusses (WBA) in der Oderberger Straße wählen. In dieser Funktion verhinderte er den Abriss vieler Gründerzeithäuser und des Hirschhofs, auf dem neben alten Bäumen auch eine alte Bühne für Theateraufführungen vor der Vernichtung gerettet wurde. Die Auseinandersetzungen schweißten die Bewohner in der Straße und Umgebung zusammen.

Die Bürger im Kiez machten auch nach dem Umbruch von 1989 schnell deutlich, dass sie vor den neuen Herren nicht klein beigeben wollten. Der WBA hatte sich innerhalb kurzer Zeit auf die neuen Verhältnisse eingestellt. Die drei Buchstaben standen seit Anfang der 90er Jahre für die Parole »Wir bleiben Alle«. Unter diesem Motto zogen im Sommer 1992 mehr als 20 000 Menschen vom Alexanderplatz nach Westberlin, um gegen die sich abzeichnenden Mieterhöhungen zu protestieren.

Doch diese Ostberliner Mieterbewegung scheint weitgehend in Vergessenheit geraten zu sein. Das Stadtmagazin Tip brachte vor einigen Wochen eine Story zu den neuen Berliner Mieterprotesten mit der Überschrift »Wir bleiben alle«, ohne die Herkunft auch nur zu erwähnen.

Solche Ignoranz brachte Bernhard Bindzus aus Prenzlauer Berg auf den Gedanken, die Initiative für Holtfreter zu starten. Auch seine Kritiker erkennen an, dass er ein Motor der Mieterproteste in den frühen 90er Jahren war.

Auch nach Abebben der Bewegung engagierte sich Holtfreter weiter für eine soziale Stadtpolitik. Als Parteiloser kandidierte er dreimal auf der Liste der PDS erfolgreich für das Abgeordnetenhaus, wo er ihr wohnungspolitischer Sprecher wurde. Die dritte Legislaturperiode konnte er nicht mehr vollständig ausfüllen, weil er nach schwerer Krankheit im Mai 2003 starb. Zuletzt hatte sich Holtfreter besonders für den Erhalt des Stadtbades in der Oderberger Straße eingesetzt, das jetzt nach ihm benannt werden soll. Sein Ziel war ein Schwimmbad zu bezahlbaren Preisen. Diese Forderung ist auch acht Jahre nach seinem Tod nicht vollständig umgesetzt.

Daher sieht Bindzus in der Forderung nach der Namensgebung auch einen politischen Auftrag. »Wer die Geschichte von Bernd Holtfreter kennt, wird einen Menschen entdecken, der mitgeholfen hat, diesen Bezirk menschlich und sozial zu gestalten«, erklärt Bindzus. Erste positive Reaktionen hat er für seinen Aufruf bisher aus der SPD und der Piratenpartei erhalten. Von der LINKEN, für deren Vorgängerpartei Holtfreter acht Jahre im Abgeordnetenhaus saß, kam noch keine Reaktion

http://www.neues-deutschland.de/artikel/207806.erinnerung-an-einen-kiezaktivisten.html

Peter Nowak


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