Die Menschenwürde des Magnus G.

Das Landgericht Frankfurt bekräftigt das Folterverbot und sorgt mit seiner Entscheidung, dem Mörder des Bankierssohns Jakob Metzler eine Entschädigung zuzugestehen, für große Empörung
  Das Land Hessen muss Magnus Gäfgen 3000 Euro Entschädigung (nicht Schmerzensgeld, wie hier zunächst falsch gestanden hatte, d. Red.) zahlen, weil ihm während eines Polizeiverhörs mit „unvorstellbaren Schmerzen“ gedroht worden war. Damit sei die Menschenwürde Gäfgens verletzt worden, urteilte das Landgericht Frankfurt heute. Der Kläger hatte wesentlich mehr Schadensersatz gefordert, nämlich insgesamt 10.000 Euro. Das Gericht folgte dem nicht. Schadensersatzansprüche, die Gäfgen geltend gemacht hatte, wurden abgewiesen. Zudem muss er 4/5 der Prozesskosten selbst tragen.

Die Entscheidung des Landgerichts hat sofort hohe Wellen der Empörung geschlagen, wie alles, was im letzten Jahrzehnt mit dem Namen Magnus Gäfgen verbunden wurde. Denn er wollte mit der Entführung eines Kindes Geld erpressen. Der 8-jährige Jakob von Metzler war in dem Versteck erstickt.

Gäfgen, der zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wurde und im Gefängnis sein Jurastudium beendete, hat in der Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. So wollte er eine Stiftung zur Entschädigung von Gewaltopfern gründen. Auch dieser Schritt wurde nicht als Ausdruck eines Versuchs der Wiedergutmachung, sondern als Verhöhnung der Opfer gewertet und mit Hass zurück gewiesen.

Dagegen hat das Frankfurter Landgericht mit seiner Entscheidung noch einmal klargestellt, dass auch verurteilte Mörder eine Menschenwürde haben, die nicht erst mit der Anwendung, sondern schon durch die Drohung mit Folter verletzt wird. Damit hat der Fall Gäfgen für ein Stück Rechtssicherheit gesorgt, auch wenn Gäfgen als Kämpfer für die Menschenwürde sicher nicht geeignet ist.

Das Gericht hat die Forderung nach einem Schadensersatz ebenso abgelehnt wie nach einem Schmerzensgeld für die Folterdrohung, weil ein Psychiater nicht zweifelsfrei klären konnte, ob die psychischen Spätfolgen, unter denen Gäfgen nach eigenen Aussagen leidet, eine Folge der Folterdrohung sind. Schließlich könnten die Folgen auch von der Erkenntnis herrühren, für den Tod eines Kindes verantwortlich zu sein. Gäfgens Anwalt will wegen der Ablehnung eines Schadensersatzes in die nächste Instanz gehen. So dürfte der Fall weiter für Aufregung und große Empörung sorgen.

Diese Reaktion ist bei den Verwandten und Freunden von Jakob von Metzler sowie bei Opfern von krimineller Gewalt mehr als nachvollziehbar. Doch der ressentimentgeladene Wunsch, „so einer wie Gäfgen“ sollte, wenn es schon keine Todesstrafe mehr gibt, wenigstens für immer „im Knast begraben“ sein und keine Reaktion von ihm sollte nach Außen dringen – was auch nach der heutigen Entscheidung in Internetforen zu lesen ist -, wird eher von Rache als von einem rechtsstaatlichen Umgang mit einen wegen Mordes Verurteilten diktiert.

Dass Volkes Stimme durchaus nicht alle rechtskräftig wegen Mordes Verurteilte für immer „im Gefängnis begraben“ sehen will, zeigt der Umgang mit mehreren wegen schwerer Kriegsverbrechen, darunter des Mordes an Kindern und alten Menschen am Ende des Zweiten Weltkrieges in Norditalien, verurteilte ehemalige deutsche Wehrmachtssoldaten. Dagegen regt sich keine öffentliche Empörung.

In Berlin protestierten ca. 80 Menschen dagegen, dass das Urteil für die Täter keinerlei Konsequenzen haben soll. Im Gegensatz zu vielen ressentimentgeladenen Tönen im Fall Gäfgen forderten sie allerdings die strikte Einhaltung des rechtsstaatlichen Verfahrens.

www.heise.de/tp/blogs/8/150255

Peter Nowak


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