Lange Nacht der verdrängten Geschichte

Mit einer Filmnacht erinnert eine Initiative an die Geschichte des ehemaligen Arbeitshauses in Rummelsburg. Wo einst „Asoziale“ interniert wurden, stehen heute schicke Wohnbauten.
An Open-Air-Kinos mangelt es zurzeit nicht. Doch eine Filmnacht unter dem Motto „Niemand ist asozial“ ist etwas besonders. Das beginnt schon mit dem Ort: Die Filme werden am Rande des Friedhofs des ehemaligen zentralen Berliner Arbeitshauses gezeigt.

Das Arbeitshaus war 1879 gegründet worden. Im kaiserlichen Berlin diente es als Strafanstalt für Leute, die der „Bettelei“ bezichtigt wurden. Im Nationalsozialismus wurde die Anlage zum „Städtischen Arbeits- und Bewahrungshaus Berlin-Lichtenberg“ umgebaut. Hier wurden Homosexuelle und „Asoziale“ kaserniert. Zu DDR-Zeiten diente das Haus als Gefängnis.

In den letzten Jahren wurde das Areal jedoch zum schicken Wohnquartier am Wasser umgebaut. Der von Antifagruppen und Erwerbsloseninitiativen gegründete Arbeitskreis „Marginalisierte – gestern und heute“ will sich mit seiner Filmnacht für „die längst überfällige Anerkennung der Verfolgung und Ermordung sogenannter Asozialer durch die Nazis als Verbrechen des Naziregimes“, erklärt Mitinitiator Dirk Stegemann. Es gehe aber auch um eine Erinnerungs- und Lernstätte am authentischen Ort ein. Mit entsprechenden Forderungen hat sich der Arbeitskreis gerade in einem offenen Brief an die Bundesregierung, den Senat und Bezirkspolitiker gewandt. „Durch die zunehmende Umwandung des Geländes zu einem Wohngebiet für Wohlhabende wird der Platz knapp“, befürchtet sein Mitstreiter Lothar Eberhardt. Jetzt könnte auch das Areal des ehemaligen Friedhofs neben dem Arbeitshaus privatisiert werden.

Für die Nacht wurden thematisch naheliegende Werke aus den Archiven gekramt. Sie beginnt um 20.25 Uhr mit der Dokumentation „Arbeitsscheu – anormal – asozial“, in der Andrea Behrendt nicht nur auf die Geschichte der Berliner Arbeitshäuser eingeht. Gegen 22.40 Uhr folgt der Film „Strotzek“ von Werner Herzog, dessen Hauptdarsteller Bruno Schleinstein selbst viele Jahre als asozial stigmatisiert worden war. Wer das Programm komplett durchstehen will, muss Engagement zeigen. Der letzte Film, der sich mit Folgen der NS-Psychiatrie befasst, ist für Donnerstagmorgen um 9 Uhr angesetzt.

http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/lange-nacht-der-verdraengten-geschichte/

Peter Nowak


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