KDV feiert ihr Ende

Zentralstelle löst sich bis 2014 auf

Es ist selten, dass eine Organisation ihre eigene Auflösung feiert. Doch die Zentralstelle Kriegsdienstverweigerung (KDV) hat genau das am Wochenende in Berlin getan. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht der Aussetzung der Wehrpflicht hat sich ihre Kernaufgabe, die Beratung von Kriegsdienstverweigern erledigt. Bis 2014 soll noch beobachtet werden, ob vielleicht unter anderen politischen Konstellationen die Wehrpflicht wieder reanimiert wird. Dann würde auch die Zentralstelle KDV sofort wieder aktiv werden. Wenn aber, wofür vieles spricht, die Aussetzung der Anfang vom Ende der Wehrpflicht ist, wird sich der KDV-Interessenverband in drei Jahren vollständig abwickeln.
Damit aber ist für Antimilitaristen noch genug zu tun. Schließlich ist eine Freiwilligenarmee für die heutigen Kriege weitaus besser geeignet, als eine Truppe aus Wehrpflichtigen. Dieser Aspekt spielte in der Fragestellung der Abschlussdiskussion am Sonntagvormittag eine Rolle. „Geht es auch ohne Militär? Noch ist nicht alles gut in einem Deutschland ohne Wehrpflicht“, hieß das Motto, zu dem die Präsidentin der Zentralstelle KDV Margot Käßmann einführende Worte sprach. Sie spatte nicht mit Floskeln, wünschte mehrmals kreatives Denken für den Frieden und sprach sich für eine Polizeitruppe unter UN-Mandat aus, die Konflikte in der Welt schlichten sollen. Dabei soll auf einen hohen Frauenanteil geachtet werden, weil dadurch nach der Meinung von Käßmann Konfliktschlichtung einfacher ist. Dazu gab es aus dem Publikum kritische Stimmen. Schließlich sei die Trennlinie zwischen Polizei und Militär längst nicht so eindeutig. Es sei gar ein Trend hin zu einer Verschmelzung bei vielen Konflikten zu beobachten, wurde angemerkt.
Thomas Gebauer von medico International erinnerte an die materielle Interessen, die hinter vielen Konflikten auf der Welt stehen und verwies auf das Kommunistische Manifest als einen Lektürehinweis zu den Ursachen von Kriegen. Im Kampf gegen Rüstungsexporte aus Deutschland sah er eine wichtige Aufgabe der Antimilitaristen. Die Vorsitzende der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhinderung eines Atomkriegs Angelika Claußen sprach sich dafür aus, Konflikte auf der Welt nicht erst dann Beachtung zu schenken, wenn sie in blutige Kriege ausarten. Sie brachte dafür ein gutes Beispiel. Als junge Medizinerin habe sie in 1978 in der Türkei ein Projekt fortschrittlicher Mediziner besucht. Damals war auch der Gesundheitsminister der afghanischen Linksregierung vor Ort, die dort nach der Aprilrevolution grundlegende soziale Reformen einleitete. Er wollte von den Erfahrungen der linken Basismediziner in der Türkei lernen. Bekanntlich gehörten Ärzte und Krankenschwestern bald zu den ersten Zielen der afghanischen Islamisten, die bereits vor den Einmarsch der Roten Armee von den USA und anderen westlichen Staaten im Kampf die Linksregierung bewaffnet wurden. Damals wurden die Wurzeln für den Afghanistankonflikt gelegt.

Von der KDV zur MSV
Ebenfalls aus dem Publikum kam der Einwand, dass nicht nur durch die Bundeswehr sondern auch durch Steuern die Militärpolitik unterstützt wird. Deshalb müsse nun eine Kampagne zur Militärsteuerverweigerung (MSV) begonnen werden. Ein Netzwerk Friedenssteuer leistet politische Überzeugungsarbeit und individuelle Beratung für Menschen, die einen Teil ihrer Steuer auf einen Sonderfond überweisen, weil sie nicht bereit sind, die Aufrüstung mit zu finanzieren. Sie müssen mit Strafverfahren rechnen, wie noch heute viele Menschen in aller Welt, die nicht zur Armee gehen wollen. So steht in der Türkei ein Kriegsdienstverweigerung zum vierten Mal wegen seiner antimilitaristischen Haltung vor Gericht, ein anderer wurde vor kurzem zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe wegen Hetze gegen die Armee verurteilt. Positives hatte ein russischer Antimilitarist zu berichten. Dort wurde die Dauer der Wehrpflicht von 3 Jahre auf 21 Monate verkürzt, die nicht mehr, wie bis 2004, in den Küchen der Kasernen sondern in sozialen Einrichtungen abgeleistet werden können. Diese Verbesserungen seien nur durch außerparlamentarischen Druck und internationale Unterstützung durchgesetzt worden, betonte der Moskauer Aktivist.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/197662.kdv-feiert-ihr-ende.html

Peter Nowak


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