Arm wegen Armut

Der Preis des neuen deutschen Jobwunders; Arbeitnehmerfreizügigkeit und Lohndumping

 
Während sich die Bundesagentur für Arbeit und Spitzen-Politiker sehr zufrieden mit der Entwicklung am Arbeitsmarkt äußern, kommen von den Gewerkschaften kritischere Töne. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di stellte in Berlin gemeinsam mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten das im VSA-Verlag erschienene Buch „Leben ohne Mindestlohn – Arm wegen Arbeit. Niedriglöhner, Leiharbeiter und ‚Aufstocker‘ erzählen“.

Zu den Herausgebern zählt neben den Vorsitzenden von ver.di und NGG auch der Autor Günther Wallraff, der in den 1980er Jahren einer der ersten war, der über prekäre Arbeitsverhältnisse berichtet hat. Damals sorgte der Nachweis von Armutslöhnen in Westdeutschland noch für großes Aufsehen. Mehr als 25 Jahre später hat sich scheinbar ein Großteil der Gesellschaft daran gewöhnt.

Schließlich sollen die Niedriglöhne dem Standort Deutschland dienen, so die offizielle Lesart. „Weil du arm bist, musst du früher sterben“, dieser Satz aus dem Frühkapitalismus hat heute wieder hohen Wahrheitsgehalt, erklärte Wallraff bei der Buchvorstellung.

Betroffene belegen die Malaise mit konkreten Zahlen: So verdient die 47jährige Simone Fichtner als Leiharbeiterin in einer sächsischen Kleinstadt bei Dresden 850 monatlich, ca. 300 Euro weniger als die Stammbeschäftigten. Ein Teil ihres Lohnes verbraucht Fichtner für die Miete und die Fahrtkosten zur Arbeitsstelle. Damit wollen sich die Initiatoren des Buches, die Initiative Mindestlohn nicht abfinden. Das Buch soll diese Forderung unterstützen.

Es ist auch kein Zufall, dass es kurz vor dem 1. Mai erschienen ist, wo der DGB zu zahlreichen, nach [www.klassenfrage.blogsport.de Ansicht vieler Kritiker] aber harm- und zahnlosen Kundgebungen aufruft. Im Aufruf des DGB zum 1. Mai heißt es:

„Deutschland ist in Schieflage. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Nicht wir haben über unsere Verhältnisse gelebt, sondern Spekulanten, Manager und Banker. Die Finanzmärkte müssen wirksam reguliert werden und die Reichen und Vermögenden müssen endlich ihren Beitrag zur Bekämpfung der Krisenfolgen und für unseren Sozialstaat leisten. Für eine sichere Zukunft brauchen wir starke soziale Sicherungssysteme und paritätische Beiträge der Arbeitgeber.“

Führt Arbeitnehmerfreizügigkeit zu Lohndumping?

Die Initiative Mindestlohn begründet die besondere Dringlichkeit ihrer Initiative auch mit der am 1. Mai in Kraft tretenden Arbeitnehmerfreizügigkeit für 8 weitere Länder im EU-Raum.

„Durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns kann die Politik für faire Bedingungen sorgen – für Zuwanderer wie für Einheimische“, heißt es dort. Die Verknüpfung des Themas Mindestlohn mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit halten manche Autoren für politisch falsch. Für den Druck auf die Löhne sind nicht die Arbeitnehmer aus Osteuropa, sondern die europäischen Subunternehmen verantwortlich, schreibt Jan Ole Arps im Freitag.

Da ein Großteil des DGB in den letzten Jahren eher auf Abschottung des deutschen Arbeitsmarktes als auf die Organisierung der Lohnabhängigen unabhängig von ihrer Nationalität gesetzt hat, fürchten manche Beobachter, dass die an sich richtige Forderung nach einem Mindestlohn eher dazu dienen soll, die Arbeiter aus anderen Ländern weiter draußen zu halten.
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/149754

Peter Nowak

Magdeburger Antifaschisten wollen Dresdner Verhältnisse

Die Autonome Hochschulgruppe Magdeburg hat gemeinsam mit dem Libertären Zentrum der Stadt und dem parteilosen Stadtrat Oliver Wendenkampf dazu aufgerufen, auch in der Hauptstadt von Sachsen-Anhalt künftig Naziaufmärsche zu blockieren. Unterstützt wird das Anliegen mittlerweile auch von verschiedenen Antifa- und Jugendgruppen sowie von Politikern der Linken. Hintergrund sind die regelmäßigen Naziaufmärsche in Magdeburg Mitte Januar, die die rechte Szene zum Jahrestag der alliierten Bombardierung organisiert. Die Nazidemo hat sich in den vergangenen Jahren zum Auftakt des rechten Februaraufmarsches von Dresden entwickelt.

Die Verfasser und Unterstützer des Offenen Briefes kritisieren den bisherigen Umgang mit dem rechten Aufmarsch. Während die Magdeburger Zivilgesellschaft eine »Meile der Demokratie« in der Innenstadt veranstaltet, könnten die Neonazis weitgehend ungestört einige Kilometer entfernt marschieren. Einige Blockadeversuche von Antifaschisten am 15. Januar diesen Jahres wurden von der Polizei verhindert. Das soll sich nach den Willen der Unterzeichner ändern. »Unserer Ansicht nach ist es möglich, den ›Gedenkmarsch‹ der Neonazis zu verhindern – oder zumindest effektiv zu stören. Realisierbar ist dies allerdings nur, wenn der Protest von einem breiten Bündnis vorbereitet und getragen wird«, heißt es in dem Brief. Die Blockaden sollen ausdrücklich in Kooperation mit den zivilgesellschaftlichen Gruppen organisiert werden.

offener-brief.tk

http://neues-deutschland.warenform.de/artikel/196249.bewegungsmelder.html

Peter Nowak

Haft für Linke, Bewährung für Nazis

Ein Buch über den Umgang der Justiz mit Naziüberfällen und Antifa-Aktionen in der Weimarer Republik zeigt irritierende Parallelen zur Gegenwart auf.

Die Silvesterfeier des sozialdemokratischen Sängerbundes im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg endete 1931 in einem Blutbad. NS-Anhänger eines nahen SA-Sturmlokals überfielen ihre politischen Kontrahenten und erschossen zwei junge Männer.

„Haft für Linke, Bewährung für Nazis“ weiterlesen

Wände streichen ist keine Lösung

Flüchtlinge aus ganz Deutschland trafen sich zum Aktionstag in Zella-Mehlis

 
»Wir sind Menschen und wir haben Rechte!« Darauf beharren Flüchtlinge auch im Thüringer Zella-Mehlis. Sie trafen sich am Ostersonntag zum Aktionstag.

 Musik und Trommeln waren am Sonntagnachmittag im Industriegebiet von Zella Mehlis zu hören. Vor dem Gebäude der Industriestraße 29 haben sich knapp 100 Menschen versammelt. Viele sind Flüchtlinge aus der gesamten Republik, die über  Ostern an einer antirassistischen Konferenz in Jena teilgenommen hat. Im Anschluss sind wir nach Zella Mehlis gefahren, um die Bewohner in diesem Lager zu unterstützen“, meint Salomon Wantchoucou, der sich seit Jahren im Rahmen des Netzwerks The Voice für die Rechte        von Flüchtlingen einsetzt. Ein besonderes Anliegen ist für ihm der Kampf gegen die Residenzpflicht, die Flüchtlingen verbietet, den ihnen zugewiesenen Landkreis ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde zu verlassen. Für Wantchoucou ist das eine klare Verletzung des Grundrechts auf Bewegungsfreheit. Die Aktion am Sonntag sei auch ein Akt des zivilen Ungehorsams betont er. Schließlich hat sich ein Großteil der Teilnehmer über die Residenzpflichtregeleung  hinweggesetzt, um die Flüchtlinge in Zella Mehlis zu unterstützen.     Die hatten im März in einen Offenen Brief auf unhaltbare hygienische Zustände im Lager hingewiesen. So sei es an vielen Wänden zu Schimmelbefall gekommen. „Die Behörden sind nach unseren Protesten verwirrt, aber geändert hat sich bisher wenig“, meint Heimbewohner Miloud El Cherif aus Algerien. Allerdings wäre es auch keine Lösung für ihn, wenn die Wände des Heims bunt angestrichen würden,  betont er. „Das Problem ist die Enge, die isolierte Lage zwischen Fabrikgebäuden, Autobahn und Wald und die ständige Kontrolle“, meint El Cherif und zeigt auf den Eingang. Dort achtet Wachpersonal darauf, dass keine Unbefugte das Heim betreten. Einmal kommt es zu einem Wortgefecht zwischen Bewohnern und den Wachdienst. Nach wenigen Minuten ist der Konflikt entschärft. Es wird aber deutlich, wie gespannt die Situation in dem Heim ist. Lahal Sharif kommt aus dem Irak und lebt schon mehrere Jahre in dem Heim am Rande von Zella Mehlis. „Wichtige Jahre meines Lebens lebe ich wie im Gefängnis“, klagt er. Ihm seinen alle Möglichkeiten genommen worden. Bevor er nach Deutschland floh, war er erfolgreicher Boxer.           Heute hat er keine Perspektive und sein Aufenthaltsstatus ist noch immer ungeklärt. „Die Ungewissheit und die Lebensumstände macht vielen Menschen auch psychisch zu schaffen“, betont Selam Shenam. Die syrische Oppositionelle lebt ebenfalls in Zella Mehlis und beteiligt sich am Kampf für die Schließung des Heims. Einige Bewohne schauen aus dem Fenster und signalisieren durch Applaus Zustimmung, als die Kundgebungsteilnehmer die                Parole „Das Heim muss weg“ skandieren. Doch sie trauen sich nicht  an der Aktion  teilzunehmen. Dazu trägt auch die Präsenz der Sicherheitsleute und der Sozialarbeiter bei, die schließlich auch für die Bewilligung von Eingaben und die Verteilung von    Gutscheinen zuständig sind.  „Daher befürchten manche Heimbewohner Nachteile, wenn sie sich offen an den Protesten beteiligen“, befürchtet  Shenam.
Am Ostersonntag unterstützten  nur einige junge Menschen aus Suhl die Kundgebung. Doch es Kontakte in die Region, unter Anderem zu evangelischen Kirche und zur Linkspartei, betont El Cherif.      Die Kontakte werden weiter gepflegt und werden sicher auch noch gebraucht. Die Flüchtlingsaktivisten kündigten an, die Proteste vor dem Heim fortzusetzen, bis es geschlossen wird und die Bewohner in eigenen Wohnungen leben können.   Dass diese Forderungen keine Utopie bleiben müssen, zeigt sich in der Nachbargemeinde Suhl, die  knapp 200 Meter neben dem Heim beginnt. Während in Suhl Flüchtlinge in eigenen Wohnungen leben können, hält die Ausländerbehörde von Schmalkalden-Meiningen, der für  Zella Mehlis zuständig ist, weiter an dem Heim fest.      Viele Flüchtlinge sehen darin eine bewusste Politik. „Wir sollen an den Rand gedrängt und aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden“, beklagt Wantchoucou. Doch ans Aufgeben denken weder er noch seine Mitstreiter. „Wir sind Menschen und wir haben Rechte“, rufen sie und sie wirken sehr entschlossen, diese auch zu erkämpfen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/196167.waende-streichen-ist-keine-loesung.html

Peter Nowak

Tödliche Medikamente

Präparate, die nicht nur Leben retten: Was ein europäischer Pharmakonzern mit der Todesstrafe in den USA zu tun hat
Das Selbstbild ist jedenfalls eindeutig: „Lundbeck ist ein forschendes, pharmazeutisches Unternehmen. Unser Fokus liegt auf der Entwicklung innovativer Medikamente, die zur Behandlung von Störungen des Zentralen Nervensystems (ZNS) eingesetzt werden: u.a. bei Depressionen, Schizophrenie, Morbus Alzheimer, Angststörungen und Morbus Parkinson.“ Das dänische Unternehmens, das in über 50 Ländern – unter anderem in Hamburg-Harburg – Niederlassungen hat, will demnach die Lebenssituation von Menschen verbessern, die am Zentralnervensystem erkrankt sind.

 Doch bei Lundbeck hergestellte Präparate retten nicht nur Leben. In den USA ist das Unternehmen der einzige Lizenzträger für das Betäubungsmittel Pentobarbitural, das künftig bei Hinrichtungen mittels Giftspritze eingesetzt werden soll. Damit soll das Narkosemittel Thiopental ersetzen werden, das nicht mehr eingesetzt werden kann. Bürgerrechtsgruppen hatten Alarm geschlagen, nachdem drei zum Tode Verurteilte bei ihrer Hinrichtung grauenvolle Qualen erlitten hatten, weil das Narkosemittel versagte. In allen drei Fällen wurde nach Recherche von Menschenrechtlern das Narkosemittel Thiopental von der britischen Firma Dream Pharma an die US-Bundesstaaten Kalifornien, Georgia, South-Carolina, Arkansas und Arizona geliefert. Die britische Menschenrechtsorganisation Reprieve sorgte mit einer Klage vor dem Obersten Gerichtshof dafür, dass Dream Pharma das von ihr geliefertes Narkosemittel zurückzuholen musste.

Damit stehen die Justizbehörden der 35 US-Bundesstaaten, die die Todesstrafe vollstrecken, vor einem Problem. Die Vorräte für den Gift-Cocktail, mit dem die Todeskandidaten ins Jenseits befördert werden, sind zur Neige gegangen und können nicht wieder aufgefüllt werden. Der einzige in den USA zugelassene Hersteller stoppte nach Protesten von Menschenrechtsorganisationen die Produktion. Der Plan des Herstellers Hospira, das Narkosemittel Natrium-Thiopental in Italien weiterproduzieren zu lassen, nachdem die US- Produktion im August 2009 wegen eines Engpasses bei einem chemischen Bestandteil gestoppt werden musste, scheiterte ebenfalls. Italien verbot den Export des Medikaments in die USA, nachdem Menschenrechtsorganisationen bekannt gemacht hatten, dass es dort zu Hinrichtungen verwendet werden soll.

 Mittlerweile hat Hospira das Produkt vollständig vom Markt genommen. Als Unternehmen, das sich auf dem Markt einen Namen gemacht hat, weil es Medikamente zur Lebensrettung produziert, sei man nicht bereit, die Herstellung von Produkten zu unterstützen, die für die Vollstreckung der Todesstrafe genutzt werden, begründete Hospira-Vizepräsident Kees Gioenhout diesen Schritt. Mittlerweile mussten mehrere US-Bundesstaaten schon terminierte Exekutionen wegen des fehlenden Präparats verschieben. Die Hinrichtung des wegen Vergewaltigung und Frauenmordes zum Tode verurteilten Cleve Foster war auf Anordnung des Obersten Gerichtshofs der USA wegen des fehlenden Narkosemittels ausgesetzt worden.

Lundbecks ethisches Dilemma

Menschenrechtsgruppen verstärken den Druck auf Lundbeck, weil sie verhindern wollen, dass das Unternehmen mit seinen Präparaten die Vorräte für die Hinrichtungsspritze in den USA wieder auffüllt. Das „Netzwerk gegen die Todesstrafe“ initiierte eine Petition, in der Lundbeck aufgefordert wird, eine Klausel in die Verträge mit seinen Vertriebsfirmen einzufügen, mit der die Weitergabe des Präparats an die Todeskammern in den US-Bundesstaaten untersagt werden soll. Das Netzwerk verweist dabei auf das 13. Protokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention, das nicht nur die Todesstrafe in Europa verbietet sondern auch die europäische Politik auffordert, sich weltweit für die Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen.

In einer Stellungnahme versicherte der Lundbeck-Manager Eberhard Lüdtke, sein Unternehmen lehne die Todesstrafe kategorisch ab und habe den Global Compact der Vereinten Nationen (UN) gegen die Todesstrafe unterzeichnet. Die Verwendung eines in seinem Unternehmen hergestellten Präparats als Bestandteil des Gift-Cocktails für die Hinrichtungsmaschenerie in den USA stelle sein Unternehmen vor ein ethisches Dilemma, klagte Lüdtke.

„Lundbeck hat alle Möglichkeiten untersucht, den Missbrauch von Pentobarbital in den USA zu stoppen. Hochrangige Rechtsexperten sind leider zu dem Ergebnis gekommen, dass die … „Endverbraucher-Klausel“ in den Verträgen auch nicht vor der missbräuchlichen Anwendung schützt. Die einzige Alternative wäre, das Produkt vollständig vom Markt zu nehmen, was sehr negative Konsequenzen für die schwererkrankten Patienten hätte“, erklärte Lüdtke.

Es wird sich zeigen, ob das Unternehmen bei dieser Position bleibt. Das Netzwerk gegen die Todesstrafe will in der nächsten Zeit verstärkt um Unterstützung für die Petition werben, die Lundbeck jedes Geschäft mit dem Tod verbieten will. Die Unterschriften sollen am 10.12.2011, dem internationalen Tag der Menschenrechte, bei der deutschen Lundbeck-Niederlassung in Hamburg-Harburg übergeben werden.

Petition: http://www.thepetitionsite.com/2/keine-lundbeck-prparate-fr-hinrichtungen-in-den-usa/

http://www.freitag.de/politik/1116-

Peter Nowak

Psychatrische Zwangsbehandlung vor dem Ende?

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts sorgt für Diskussionen

 Das Urteil aus Karlsruhe könnte perspektivisch das Aus für psychiatrische Zwangsbehandlungen bedeuten. Die Richter hatten der Verfassungsbeschwerde eines psychisch kranken Straftäters stattgegeben, der gegen seine zwangsweise Medikamentierung in der Psychiatrie geklagt hatte.

Die Karlsruher Richter hatten über die Klage eines Mannes aus Rheinland-Pfalz zu entscheiden, der die Behandlung mit nervendämpfenden Medikamenten, sogenannten Neuroleptika, im Pfalzklinikum Klingenmünster abgelehnt hatte. Der 59-Jährige, der aufgrund einer Verurteilung wegen im Zustand der Schuldunfähigkeit gegangener Gewalttaten seit 1999 im Maßregelvollzug sitzt, befürchtete durch die Medikamente Nebenwirkungen auf die Leber und negative Persönlichkeitsstörungen.  

Die Klinikleitung bezeichnete den Mann daraufhin  als nicht einsichtsfähig und kündigte die Verabreichung der Medikamente gegen seinen Willen an. Von  Gerichten in Rheinland-Pfalz bekam sie  in mehreren Instanzen Recht. Eine Verfassungsbeschwerde des Mannes gegen die Zwangsbehandlung hatte jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg.

Die Arbeitsgemeinschaft Psychiatrieerfahrener e.V. (BPE)  bezeichnete das Urteil in einer Pressemitteilung als Sensation.  “Da mit diesem Urteil die Zwangsbehandlung in der Forensik erfolgreich zu Fall gebracht werden konnte, ist nun zu erwarten, dass alle Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie mit dem Grundgesetz, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, unvereinbar sind und dann jede psychiatrische Zwangseinweisung nur noch Knast ist, für den keine Krankenversicherung mehr zahlen wird“, heißt es darin.

   Auch der auf Menschenrechtsfragen spezialisierte Rechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah, der den Kläger vertrat,  sieht nach der Entscheidung  bundesweite Konsequenzen für die Psychiatrie. „Formal wurde zwar nur das Mainzer Gesetz beanstandet, aber die Regelungen der Zwangsbehandlung sind in allen Bundesländern ähnlich. Die Karlsruher Anforderungen sind nirgends erfüllt. Deshalb dürfen jetzt Betroffene in ganz Deutschland nicht mehr gegen ihren Willen gespritzt werden. “  Drastische Worte fand der Anwalt für Ärzte, die weiterhin Zwangsbehandlungen vornehmen und Richter, die eine solche Maßnahme genehmigen. „Das sind dann Kriminelle in weißen Kitteln und schwarzen Roben“, erklärte Schneider-Addae-Mensah und kündigte Anzeigen wegen Körperverletzung an. Ganz zufrieden ist der Anwalt mit dem Urteil allerdings nicht. „Leider hat das Verfassungsgericht nicht entschieden, dass eine Zwangsbehandlung generell unzulässig ist. Das war ja das eigentliche Ziel meines Mandanten. Aber es ist gut, dass Karlsruhe eine strengere gesetzliche Regelung verlangt.“  

Eine Zwangsbehandlung halten die Richter nur als letztes Mittel  für zulässig, „wenn der Untergebrachte krankheitsbedingt zur Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit oder zum Handeln gemäß dieser Einsicht nicht fähig ist.“  In einem Rechtsgutachten stelle der Berliner Rechtsanwalt Sebastian Scharmer dagegen fest, dass jede Zwangsbehandlung von Psychiatriepatienten nicht nur gegen das Grundgesetz sondern auch gegen die auch von der Bundesregierung unterschriebene UN-Behindertenkonvention verstößt.

  https://www.neues-deutschland.de/artikel/196084.psychatrische-zwangsbehandlung-vor-dem-ende.html

Peter Nowak

Kann eine Volksabstimmung Stuttgart 21 retten?

Selbst die größten Optimisten unter den S21-Gegnern glauben nicht, dass in einer landesweiten Abstimmung die nötige Stimmenzahl erreicht wird. Gegner hoffen nun auf den Stresstest

 Eigentlich gab niemand mehr dem Projekt Stuttgart 21 nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg eine große Chance. Schließlich sollen die Grünen, die sich als vehemente Gegner des Stuttgarter Bahnprojekts präsentieren, den Ministerpräsidenten stellen. Einzig der Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza sah es kommen: Nur die Grünen können Stuttgart 21 noch durchsetzen, schrieb er in seiner Kolumne – und er könnte wieder einmal recht behalten. Denn der Kompromiss, den Grüne und SPD in Baden-Württemberg zu dem Thema unterschrieben haben, um eine Koalition eingehen zu können, gibt den Freunden von Stuttgart 21 wieder Auftrieb.

Die Gründe liegen in den Richtlinien, nach denen in dem Bundesland Volksabstimmungen abgehalten werden können. Mindestens ein Drittel der Stimmberechtigten, das sind rund 2,5 Millionen Bürger, muss bei Gesetzesänderungen mit Ja stimmen. Selbst die größten Optimisten unter den S21-Gegnern glauben nicht, dass in einer landesweiten Abstimmung die nötige Stimmenzahl erreicht wird. Trotzdem erklärt der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann unverdrossen:

„Wenn das Quorum nicht erreicht wird, ist das Ausstiegsgesetz nicht angenommen.“

Schließlich war die Volksabstimmung die Bedingung, damit die S21-Befürworter bei der SPD überhaupt einen Grünen zum Ministerpräsidenten wählen. Selbst der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer ging auf Distanz zu Kretschmann. Es sei noch nicht geklärt, was passiert, wenn sich eine Mehrheit der Bürger gegen das Projekt ausspricht, aber das Quorum für eine Volksabstimmung nicht erreicht wird. „Dann muss die Regierung gucken, wie sie weiter verfährt“, schiebt Palmer seinen Konkurrenten Kretschmann die Verantwortung zu.

Das von Palmer beschriebene Szenario ist sehr wahrscheinlich: Die S21-Befürworter müssen nur der Abstimmung fernbleiben, um das Projekt zu retten. Dann ist die Stimmenzahl der Gegner groß, aber das nötige Quorum wird nicht erreicht und S21 ist nicht nur gerettet, sondern hat durch die Volksabstimmung auch noch das Prädikat „besonders demokratisch durchgesetzt“ erhalten.

Schon nach Bekanntwerden des Kompromisses gab es wütende Reaktionen, bei den Grünen, aber auch bei parteilosen Gegnern des Bahnprojekts. Auch wenn sich in der Bewegung erste Ausdifferenzierungen bemerkbar machen, sind viele mehrheitlich realpolitisch orientiert und haben nach den Wahlen entschieden, dass die Grünen auch als Regierungspartei Teil des Protestbündnisses bleiben können.

Diese Arbeitsteilung würde schwieriger, wenn die Grünen als Regierungspartei nach der Volksabstimmung das Projekt umsetzen müssen. Auf die Fallstricke bei der Volksabstimmung haben Juristen in einer Presseerklärung ebenso hingewiesen, wie die die Gruppe der Parkschützer.

Alle hoffen auf den Stresstest

S21-Gegner setzen ihre Hoffnung jetzt in das Ergebnis des bei der Schlichtung vereinbarten Stresstestes, der eine Volksabstimmung überflüssig machen könnte.

Die Gefahr, dass die dazu passenden Ergebnisse hingemauschelt werden, sei allerdings riesengroß, befürchtet nicht nur die Linkspartei in Baden-Württemberg. Solche Spekulationen hat Bahnchef Grube selber gefördert.

Er gibt sich auch nach den Wahlen in Baden-Württemberg überzeugt, dass das Bahnprojekt gebaut wird und der Stresstest keine Hürde sein wird.

„Wenn wir uns nicht sicher wären, dass der Bahnhof den Test besteht, hätten wir uns auf das Thema nicht eingelassen. Wir stehen weiterhin voll zu Stuttgart 21.“

 http://www.heise.de/tp/blogs/8/149724

Peter Nowak

Erinnern an Zwangsarbeit, Mord und Befreiung

 Eine Initiative zeigt Spuren des NS-Terrors in Neukölln. Die Niederlage der Nazis vor 66 Jahren wird gefeiert.

Am 24. April 1945 erreichte die Rote Armee den südöstlichen Rand von Berlin. Schon nach wenigen Tagen war die Gegenwehr von Volkssturm und Waffen-SS gebrochen, die Tage des Naziregimes waren gezählt. An diese historischen Ereignisse wollen die Autonome Neuköllner Antifa (ANA) und die Berliner Naturfreundejugend in diesem Jahr mit einer Doppelveranstaltung erinnern. Am Ostersonntag rufen sie mit einem gedenkpolitischen Stadtrundgang weitgehend vergessene Orte des NS-Terrors mitten in Neukölln ins Gedächtnis.
 
Der historische Rundgang startet um 15 Uhr am S-Bahnhof Sonnenallee und führt am heutigen Hotel Estrel vorbei. Auf dem Areal befand sich bis zur Niederlage des Nationalsozialismus ein Lager für sowjetische Kriegsgefangene. Auf der weiteren Route durch den Stadtteil erfahren die TeilnehmerInnen, dass sich in Neukölln mehr als 50 Zwangsarbeitslager und -unterkünfte befanden. Die Insassen wurden für Arbeiten in der kriegswichtigen Industrie eingesetzt.
 
 Dazu gehörten die Fahrzeugwerke Gaubschat, die in ihrem Neuköllner Werk Spezialaufbauten für die Gaswagen produzierten, in denen bei der T4-Aktion als geisteskrank stigmatisierte Menschen ermordet wurden. Die ersten beiden in Neukölln montierten Gaubschat-Wagen kamen im KZ Sachsenhausen zum Einsatz. Dabei sollen laut Spiegel „studienhalber“ 20 bis 30 Russen vergast worden sein. In dem von Gaubschat ab April 1942 betriebenen Russenlager I in der Grenzallee starben mehrere Metallarbeiter an Unterernährung.
 
Ein Zwischenstopp soll auch vor der Albrecht-Dürer-Oberschule in der Emser Straße eingelegt werden. Hier mussten mehrere hundert tschechische und französische ZwangsarbeiterInnen leben. Auch an jüdische Geschäfte, die unter den Nazis „arisiert“ wurden, soll während des Spaziergangs erinnert werden.
 
„Mit den Opfern verschwand auch die Erinnerung. Deshalb wollen wir am 24. April der Opfer der Nazibarbarei gedenken und am 28. April die Befreiung durch die Alliierten feiern“, erklärt Pia Buchheim, eine der OrganisatorInnen, gegenüber der taz. Am kommenden Donnerstag soll um 18 Uhr am Rathaus Neukölln eine Straßenparade starten, die mit Musik und politischen Beiträgen durch Nordneukölln zieht und an die Befreiung des Bezirks durch die Rote Armee erinnert.
 http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/erinnern-an-zwangsarbeit-mord-und-befreiung/

Peter Nowak

Lafontaine als Notretter?

Der Streit in der Linken ist durch die Notkonferenz entschärft, aber nicht beendet

„Die Partei ist in einer schwierigen Situation“, so lautet der erste Ersatz einer Erklärung des geschäftsführenden Vorstands der Linken, die sich am 20.April außerplanmäßig zu einer Krisensitzung in Berlin getroffen hat.

 Der Grund war die Verschärfung des internen Streits, der sich seit den schlechten Wahlergebnissen der Linken bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ausgeweitet. Sogar Mitglieder des Bundesvorstands beteiligten sich daran.
Der Höhepunkt war die Rücktrittsforderung an den dem Realoflügel der Partei angehörenden Schatzmeister Raju Sharma durch zwei Vorstandsmitglieder vom linken Flügel. Zuvor hatte Sharma dem Vorsitzenden Klaus Ernst empfohlen, das Maul zu halten, nachdem der auf einer Rede in Hamburg ein Ende der Personaldebatte gefordert hatte. Dabei haben Sharma und Ernst zumindest eines gemeinsam: Beide sind von der SPD enttäuschte Sozialdemokraten.
 
Daher sind auch die Zuschreibungen zumindest verkürzt, die jetzt über den Linkenstreit wieder im Schwange sind. Es handelt sich weder um einen Ost- Weststreit noch in seiner Gesamtheit um einen Kampf Parteilinke versus Parteirechte. Das zeigt sich schon daran, dass der in der innerpolitischen Debatte am linken Flügel verortete Ernst in seinem bayerischen Landesverband gerade von der Parteilinken heftig angefeindet wird, die sogar die Wahl des Landesvorstands von der Schiedskommission erfolgreich angefochten hat.
 
Grundsätzlicher Richtungsstreit

Es geht bei dem Streit eher um die Rolle, die eine künftige Linke künftig in der politischen Arena spielen soll. Soll sie Teil eines irgendwie sozialökologischen Bündnisses gemeinsam mit SPD und Grünen werden – oder einen eigenständigen Kurs in der Distanz zu allen anderen Parteien gehen? Für erste Rolle treten aus unterschiedlichen Gründen Politiker aus der ehemaligen PDS in Ost und West ein. Die zweite Variante wird ebenfalls von einer sehr gemischten Runde vertreten, darunter von Politikern, die erst vor einigen Jahren aus der SPD ausgetreten sind und daher die Distanz wahren wollen.
 
Dem Duo des Bundesvorstands wird nun vorgehalten, zu schwach zu sein, die erste Variante innerparteilich durchzusetzen. Dabei wird Gesine Lötzsch auch ihr Diskussionsbeitrag zum Thema „Wege zum Kommunismus“ vorgehalten, wobei oft nicht erwähnt wird, dass Lötzsch dem Kommunismus dort eine Absage erteilt hat. Verschärft wird die Auseinandersetzung von vielen Medien, die in der Debatte Partei ergreifen, für den Flügel, der in der Kooperation mit SPD und Grüne für die Partei eine Zukunft sieht. So kam der heute funktionslose langjährige PDS-Funktionär Andre Brie und erklärte Realos in einem Interview mit dem Deutschlandfunk ausgiebig zu Wort.
 
Vergleich mit der Debatte bei den Grünen

 Eine ähnliche Frontstellung gab es ab Mitte der 80er Jahre im innergrünen Streit, wo auch wesentliche Medien, FR und Taz in vorderster Linie, die als Fundamentalisten verschrienen Parteilinken offen bekämpften und dabei die sogenannten Realisten, kurz Realos, ausgiebig zu Wort kommen ließen.
 
So dürfte die aktuelle Vorstandstagung den Streit innerhalb der Linken etwas entschärfen, aber nicht beenden. Die Medien werden bald den einen oder anderen Linkenpolitiker finden, der sich gegen den gewählten Vorstand positioniert und den Streit wieder anheizt, bis am Ende vielleicht Oskar Lafontaine als Notretter noch einmal den Parteivorstand übernimmt.

http://www.heise.de/tp/artikel/34/34599/1.html

Perer Nowak

»Der Schimmel ist überall«

Flüchtlingsinitiativen organisieren Konferenz in Jena, um auf ihre Lebenssituation hinzuweisen

 Auf einer Konferenz wollen Flüchtlinge ihre Forderungen bündeln, um gegen ihre menschenunwürdige Unterbringung in deutschen Flüchtlingslagern zu kämpfen.

Unter dem Motto »Brecht die Isolation aus den Lagern heraus« organisieren Flüchtlingsinitiativen vom 22. bis 24. April eine Konferenz im Internationalen Zentrum in Jena. Zu den Organisatoren gehört das Flüchtlingsnetzwerk »The VOICE« und die »Flüchtlingsinitiative Möhlau Sachsen-Anhalt«. »In jedem Lager wehren sich Flüchtlinge gegen die Lebensbedingungen, mit denen sie konfrontiert sind. Um erfolgreich zu sein, muss eine politische Position definiert werden«, beschreibt ein Mitglied der Vorbereitung das Konferenzziel.

Ein zentrales Thema soll die Ausbeutung und Diskriminierung der Flüchtlinge durch staatliche Reglementierungen sein. Als Beispiel führt der Aktivist das Asylbewerberleistungsgesetz »sowie die daraus resultierenden alltäglichen Repressionen und Bedrohungen durch staatliche Behörden« an. Zur Konferenz werden Delegierte von Flüchtlingslagern aus ganz Deutschland erwartet. Für den 24. April ist eine Kundgebung vor dem Flüchtlingslager Zella-Mehlis geplant.

Damit sollen die rund 170 BewohnerInnen unterstützt werden, die in den letzten Monaten mehrmals öffentlich auf ihre Situation aufmerksam gemacht, die Auflösung des Lagers und den Umzug in eigene Wohnungen gefordert haben. In einem Brief der Heimbewohner vom März 2011 heißt es: »Wir leben in einem alten Lager mit veralteten Türen, kaputten Fenstern, Schimmel in den Zimmern, Duschen, Toiletten und Fluren – der Schimmel ist überall. Die Menschen werden krank und ihr Zustand verschlimmert sich, viele Familien und Babys leben unter so schrecklichen Umständen.« Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages für die Rechte von Flüchtlingen hatten die Bewohner von Zella-Mehlis am 22. März in Meiningen für die Schließung des Flüchtlingslagers demonstriert. Bisher halten die zuständigen Behörden im Landkreis Zella-Mehlis an dem Lager fest. Mit der Kundgebung, die am Ostersonntag um 10 Uhr vor dem Lager beginnt, sollen die Forderung der Flüchtlinge unterstützt und der Druck auf die Behörden verstärkt werden. www.thevoiceforum.org/node/2083

http://www.neues-deutschland.de/artikel/195880.der-schimmel-ist-ueberall.html

Peter Nowak

Zwangsbehandlung in der Psychiatrie wurden Grenzen gesetzt

Nach dem Bundesverfassungsgericht greift die Behandlung eines Patienten gegen seinen Willen in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ein

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat mit einer kürzlich bekannt gewordenen Entscheidung die Rechte von Psychiatriepatienten gestärkt. Es hatte die Frage zu entscheiden, ob gegen den Willen des Betroffenen eine Verabreichung von Medikamenten zulässig ist. Geklagt hatte ein Mann in Rheinland-Pfalz, dem im Pfalzklinikum Klingenmünster Neuroleptika verabreicht werden sollten. Weil er gesundheitliche und psychische Nebenwirkungen befürchtete, weigerte sich. Die Klinikleitung erklärte ihn für uneinsichtig, drohte ihm mit einer Verabreichung der Medikamente gegen seinen Willen und bekam bei mehreren Gerichten in Rheinland-Pfalz Recht.  Mit seiner Verfassungsbeschwerde hat der Mann nun einen Teilerfolg erzielt:

„Die medizinische Behandlung eines Untergebrachten gegen seinen natürlichen Willen (kurz: Zwangsbehandlung) greift in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ein (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Dieses Grundrecht schützt die körperliche Integrität des Grundrechtsträgers und damit auch das diesbezügliche Selbstbestimmungsrecht. Zu seinem traditionellen Gehalt gehört der Schutz gegen staatliche Zwangsbehandlung …. Bei der medizinischen Zwangsbehandlung eines Untergebrachten mit Neuroleptika handelt es sich um einen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff.“
 Aus dem Urteil
 Da zurzeit in Rheinland-Pfalz keine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Zwangsbehandlung von Personen besteht, die im Maßregelvollzug untergebracht sind, dürfen dem Kläger bis auf Weiteres keine Medikamente gegen seinen Willen verabreicht werden, befanden die Richter. Eine Sprecherin der Landesregierung kündigte eine baldige Novellierung an.
 
„Kriminelle in weißen Kitteln und schwarzen Roben“

Doch die Entscheidung hat bundespolitische Folgen, weil sich die Verordnungen in allen Bundesländern ähneln. Der auf Menschenrechte spezialisierte Anwalt David Schneider-Addae-Mensah, der den Kläger vertrat, forderte in einem Interview den bundesweiten Stop jeglicher Zwangsbehandlung:
 „Formal wurde zwar nur das Mainzer Gesetz beanstandet, aber die Regelungen der Zwangsbehandlung sind in allen Bundesländern ähnlich. Die Karlsruher Anforderungen sind nirgends erfüllt. Deshalb dürfen jetzt Betroffene in ganz Deutschland nicht mehr gegen ihren Willen gespritzt werden. Es wäre schikanös zu verlangen, dass erst gegen jedes Landesgesetz Verfassungsklage erhoben werden muss.“
 David Schneider-Addae-Mensah
 
Klare Worte fand der Jurist für Ärzte oder Richter, die die Entscheidung nicht beachten:
 „Wenn sie es nicht tun, werde ich die entsprechenden Ärzte wegen Körperverletzung anzeigen und die Richter, die jetzt noch eine Zwangsbehandlung genehmigen, ebenso. Das sind dann Kriminelle in weißen Kitteln und schwarzen Roben.“
 David Schneider-Addae-Mensah
 
Allerdings verhehlte Schneider-Addae-Mensah auch nicht, dass das Urteil nur ein Teilerfolg war. Denn die Richter lehnten eine Zwangsbehandlung nicht generell ab. Vielmehr erklären sie:
 „Dem Gesetzgeber ist es nicht prinzipiell verwehrt, solche Eingriffe zuzulassen. Dies gilt auch für eine Behandlung, die der Erreichung des Vollzugsziels dient, also darauf gerichtet ist, den Untergebrachten entlassungsfähig zu machen. Zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs kann das grundrechtlich geschützte Freiheitsinteresse des Untergebrachten selbst (Art. 2 Abs. 2 GG) geeignet sein, sofern der Untergebrachte zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist.“
 Aus dem Urteil
 
Zuvor hatte der Berliner Rechtsanwalt Sebastian Scharmer in einer gutachterlichen Stellungnahme erklärt, dass jegliche Zwangsbehandlung von Psychiatriepatienten nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern auch gegen die auch von der Bundesregierung unterschriebene UN-Behindertenkonvention verstößt. Dieser Version ist das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt.
 
Im Gespräch mit Telepolis nennt Sebastian Scharmer die Karlsruher Entscheidung dennoch einen Erfolg. Sie besagt, dass eine Zwangsbehandlung nicht gegen den Willen eines Patienten durchgeführt werden kann, allerdings ist sie ohne seinen Willen weiterhin möglich. Hätte das Gericht die Zwangsbehandlung grundsätzlich für rechtswidrig erklärt, wäre die Auswirkungen auf dem gesamten Pflegesektor beträchtlich gewesen, gibt Scharmer zu bedenken. So werden in der Altenpflege häufig Medikamente verabreicht, die die betreuten Menschen beruhigen sollen, aber durchaus Nebenwirkungen haben.
 
Selbstbestimmung versus ärztliche Fremdbestimmung

 Juristen verweisen auf ein Urteil zum Baden-Württembergischen Unterbringungsgesetz aus dem Jahr 1980, um den Fortschritt zu dokumentieren. Vor 30 Jahren habe der Senat zwar den Begriff „Freiheit zur Krankheit“ geprägt. Aber das Regel-Ausnahme-Verhältnis war genau umgekehrt: Fürsorge war die Regel, Selbstbestimmung konnte ausnahmsweise bei minder schweren Fällen überwiegen. In der aktuellen Entscheidung lasse der Senat dagegen keinen Zweifel, dass die Selbstbestimmung des Kranken die Regel und die ärztliche Fremdbestimmung die Ausnahme zu sein hat.
 
Als Sensation bezeichnet der Bundesverband der Psychiatrieerfahrenen die Entscheidung:
 „Da mit diesem Urteil die Zwangsbehandlung in der Forensik erfolgreich zu Fall gebracht werden konnte, ist nun zu erwarten, dass alle Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie mit dem Grundgesetz, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, unvereinbar sind und dann jede psychiatrische Zwangseinweisung nur noch Knast ist, für den keine Krankenversicherung mehr zahlen wird.“
 Bundesverband der Psychiatrieerfahrenen
 
Weil das Gericht die Zwangsbehandlung nicht generell aufgehoben hat, greife jetzt umso mehr die Patientenverfügung, betont Rene Talbot vom BPE:
„Denn in der in einem dokumentiert einwilligungsfähigem Zustand gemachten Patientenverfügung wird erklärt, dass eine Zwangsbehandlung zu keinen Zeitpunkt erfolgen darf. Also ist jede Rechtfertigung von Zwang gegen eine Patientenverfügung unmöglich.“
 Rene Talbot
 http://www.heise.de/tp/artikel/34/34588/1.html

Peter Nowak

Maoisten machen mal ne Pause

Der traditionelle Protestzug am 1 Mai um 13 Uhr fällt in diesem Jahr aus. Es fehlt an Unterstützern.

Die „Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration“, die alljährlich um 13 Uhr vom Oranienplatz durch Kreuzberg zog, ist dieses Jahr nicht im Protestangebot. In einer vierseitigen Erklärung der Revolutionären KommunistInnen BRD (RK), die wesentlich an der Vorbereitung beteiligt waren, wird zuerst die Bedeutung der Demonstration in den vergangenen 25 Jahren hervorgehoben – und dann erklärt, dass sie diesmal ausfällt. „Der Hauptgrund liegt weder in einer fehlenden Notwendigkeit […] noch an einer fehlenden sozialen Basis für die radikale Botschaft der Demonstration“, heißt es dort. Vielmehr liege es an „der historischen Situation, in der sich die organisierten Kräfte befinden“, so das Schreiben etwas kryptisch.
 
Der Hintergrund sind politische Auseinandersetzungen innerhalb der maoistischen Strömung, die die Demo zuletzt wesentlich getragen hat. In dem Organisationsbündnis hatten deutsche, türkische und iranische maoistische Gruppen eine wichtige Rolle gespielt, die in der Internationalen Revolutionären Bewegung (RIM) zusammengeschlossen waren. Dort ist es in letzter Zeit zu starken internen Differenzen über die Beurteilung der Politik Maos und der künftigen Perspektiven gekommen.

  Um die Ausgestaltung der Kreuzberger Demo am 1. Mai war es bereits in den frühen 90er Jahren zwischen der RIM und autonomen Gruppen zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Diese wurden mit Erklärungen in der Autonomenzeitschrift Interim, gelegentlich aber auch mit Fäusten und Holzlatten ausgetragen. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre orientierten sich autonome Gruppen dann zunehmend auf andere Demoorte und -zeiten, während das von den MaoistInnen getragene Bündnis am Oranienplatz festhielt. In den letzten Jahren war die Zahl der TeilnehmerInnen an der Demonstration stark gesunken. 2010 kamen nur noch knapp 1.000 Menschen.

 Die Revolutionären KommunistInnen haben erklärt, dass es 2012 die 13-Uhr-Demo wieder geben wird – wenn sich denn genügend Menschen für die Vorbereitung finden. Angemeldet ist sie immerhin schon für das ganze Jahrzehnt.

http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/maoisten-machen-mal-ne-pause/

Peter Nowak

Vor dem Rosinenbomber war der Terror

 Auf dem Gelände des Tempelhofer Flughafens erinnert nichts an dessen nationalsozialistische Vergangenheit. Eine Gedenkinitiative möchte das ändern.
Das Frühlingswetter dürfte bald wieder zu einem Besucherandrang auf dem Areal des ehemaligen Tempelhofer Flughafens in Berlin führen. Dessen Geschichte scheint für viele erst 1948 begonnen zu haben. Schließlich ist die Luftbrücke, mit der US-Rosinenbomber das von der Sowjetunion blockierte Westberlin versorgten, untrennbar mit dem Tempelhofer Flughafen verbunden. Doch auch dort gab es natürlich keine Stunde Null.

Das Tempelhofer Areal ist eng mit der Terrorpolitik der Nationalsozialisten verknüpft. Die SS hatte dort im Juni 1933 das erste Konzentrationslager Berlins errichtet. Als »Hölle am Columbiadamm« war es in den ersten Jahren des NS-Regimes zum Inbegriff des nationalsozialistischen Terrors geworden. In der Emigrantenpresse jener Zeit waren häufig Berichte über Folterungen im ersten Berliner SS-Gefängnis im Columbiahaus zu finden. Zu den 10 000 Gefangenen, die dort zwischen 1933 und 1936 interniert waren, gehörten die Kommunisten Werner Seelenbinder, John Scher und Ernst Thälmann, Schriftsteller wie Kurt Hiller und der demokratische Jurist Hans Litten.
 
Nachdem das KZ dem NS-Flughafen Tempelhof weichen musste, wurden die Gefangenen von Zwangsarbeitern abgelöst, die dort für die Luftrüstung schuften müssten. Sie arbeiteten unter anderem für die Weser Flugbau GmbH und die Lufthansa. Allein die Weser Flugbau beschäftigte 2 000 von ihnen. Sturzkampfbomber und andere Flugzeuge wurden dort von zumeist sowjetischen Zwangsarbeitern gebaut, repariert und gewartet. »Tempelhof war im Nationalsozialismus eines der Zentren der deutschen Luftrüstung. Jeder zehnte deutsche Bomber wurde dort produziert«, sagt Beate Winzer. Sie ist Vorsitzende des »Fördervereins zum Gedenken an Naziverbrechen um und auf dem Tempelhofer Flugfeld« und beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der nationalsozialistischen Geschichte von Tempelhof.
 
Das öffentliche Interesse an dieser Vergangenheit ist weiterhin gering. Das zeigte sich auch am 8. Mai vorigen Jahres. Als das Tempelhofer Gelände ausgerechnet am Tag der Niederlage des Nationalsozialismus geöffnet wurde, strömten die Massen zum Volksfest. Unter dem Motto »Tempelhof für alle« rannte ein Teil der linken Szene gegen den Zaun an, der das Areal eingrenzt. Wenig beachtet wurde dagegen die vom Mieterladen Chamissoplatz organisierte Gedenkkundgebung für die Häftlinge und die Zwangsarbeiter der NS-Zeit. Das Denkmal für die Häftlinge des KZ Columbiadamm, das 1993 vom Bezirksamt enthüllt wurde, befindet sich nicht am historischen Ort, sondern auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Verlegung des Denkmals gehört zu den Forderungen des Gedenkvereins. Von offizieller Seite gibt es nun erste Signale, die Vergangenheit nicht mehr völlig ignorieren zu wollen. Manfred Kühne von der Stadtentwicklungsverwaltung kündigte kürzlich an, dass auf dem Flughafengelände noch in diesem Jahr ein »historischer Informationspfad« entstehen soll. Einen genauen Termin dafürnannte er nicht.
 
Einem Gedenkort auf dem Gelände, wie er von Winzer und ihren Mitstreitern gefordert wird, könnte der Plan des Senats entgegenstehen, dort unter dem Stichwort »innovatives Wohnen« Mehrgenerationenhäuser errichten zu lassen.
 
Wie wenig sich solche Projekte mit der Gedenkpolitik vertragen, zeigt sich am Umgang mit der Stätte des ersten Arbeitshauses in Berlin-Rummelsburg, das unter den Nazis zur Verwahranstalt für als »asozial« stigmatisierte Menschen wurde. Obwohl die Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg eine Präsentation von Informationstafeln beschlossen hat, sind diese bisher nicht angebracht worden. Dafür wirbt das Hotel »Das andere Haus 8« als Geheimtipp für »Kenner und Liebhaber Berlins« im ehemaligen Arbeitshaus um Gäste. »Individuell eingerichtete, ehemalige Zellen, teilweise mit Wasserblick« werden für 40 Euro pro Nacht angeboten. Da in Tempelhof keine Spur mehr von den ehemaligen Zwangsarbeiterlagern zu finden ist, dürfte eine solche Form des historischen Reisens dort zumindest nicht in Frage kommen.

http://jungle-world.com/artikel/2011/15/42996.html

Peter Nowak

Protest ist manchmal die halbe Miete

WOHNEN Kongress der Mietergemeinschaft soll Start für mehr außerparlamentarische Bewegung sein

Von den Spitzenkandidaten der SPD, Linken und Grünen und deren wohnungspolitischen Positionen halten Berlins Mietaktivisten wenig – zumindest jene, die sich am Samstag im DGB-Haus zur Tagung „Vorsicht, Wohnungsnot“ kamen. Ökonomen, GewerkschafterInnen, Stadtteil- und MieterInnenaktvistInnen aus Berlin, Hamburg und Witten diskutierten über Modelle, wie Wohnen und Leben in der Stadt attraktiv und erschwinglich bleibt.

Im ersten Block ging es um die steuer- und finanzpolitischen Hintergründe der Berliner Wohnungspolitik. Der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Joachim Bischoff sieht in einer Haushaltspolitik, die Steuererleichterungen für SpitzenverdienerInnen zum politischen Credo erhebt, die Ursache für die gigantischen Einnahmeverluste in den Haushaltskassen.

Bewegung von unten

Die Folgen für den Wohnungsmarkt skizierte Joachim Oellerich von der Berliner MieterInnengemeinschaft. So seien die Mieten seit 2007 in der gesamten Stadt spürbar gestiegen, der Wohnungsneubau seit der Jahrtausendwende nahezu zum Erliegen gekommen. „Immer mehr Haushalte tummeln sich auf einem tendenziell schrumpfenden Wohnungsmarkt“, so Oellerich. Mit seiner wirtschaftsliberalen Wohnungspolitik habe die rot-rote Landesregierung den Wohnungsmarkt sich selbst überlassen. Besonders kritisiert wurde, dass die Landesregierung noch immer leugne, dass es eine Wohnungsnot gibt.

Am Nachmittag ging es um Widerstandsperspektiven, die für Joachim Oellerich nur auf außerparlamentarischer Ebene gesucht werden können. Die zur Wahl stehenden Parteien seien ununterscheidbar geworden. Auch Samira van Zeer von der Treptower Stadtteilinitiative Karla Pappel setzte auf die Bewegung von unten und berichtete von einer für den 3. September geplanten Großdemonstration gegen Mieterhöhungen.

Privatisierung gescheitert

Obwohl sie für die SPD zur Abgeordnetenhauswahl kandidiert, fühlte sich Gerlinde Schermer in der Runde sichtlich wohl. Sie werde auch im Abgeordnetenhaus ihre Meinung sagen, und die laute: „Die Privatisierungspolitik aller Senate seit 1999 ist gescheitert“.

Als es im letzten Kongressteil um praktische Widerstandsmöglichkeiten ging, riet Andreas Blechschmidt vom Hamburger Netzwerk „Netzwerk Recht auf Stadt“, das für viele Berliner AktivistInnen Vorbildcharakter hat, zu dezentralen Aktionen. Die haben sich auch in Berlin schon entwickelt. Stephan Thiele stellte das neue Bündnis „Wem gehört Kreuzberg“ vor, das schwerpunktmäßig den Verkauf von Wohnungen im Kiez verhindern will. Auf der Homepage www.sozialmieter.de vernetzen sich BewohnerInnen des abgewickelten sozialen Wohnungsbaus. Am 27. April wird ab 21 Uhr auf dem Boxhagener Platz in Friedrichshain eine Videokundgebung gegen die kapitalistische Verwertung am Arbeitsplatz und im Stadtteil organisiert.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2011%2F04%2F18%2Fa0122&cHash=18a9b45f43

PETER NOWAK

Linker Terror in Berlin?

Ein Anschlag und die medialen Folgen

Die Linke schafft sich ab, lamentierte eine anonyme Aktivistin auf der Internetplattform Indymedia. Während der zweitägigen Tagung der Natoaußenminister hatte die unbekannte Autorin jedes Anzeichen von Widerstand und Proteste vermisst.

Einen ganz anderen Eindruck vermittelt dagegen der Fraktions- und Landesvorsitzende der Berliner CDU Frank Henkel. Er forderte kürzlich, die Debatte über den linken Terror in Berlin neu zu führen. Auch die Gewerkschaft der Polizei verlangt mehr Handlungsfähigkeit vom Staat.

Der Grund für diese Reaktionen war ein Brandanschlag auf eine Polizeiwache in Berlin-Friedrichshain am 11. April. Berlins Polizeipräsident sprach von der Gefährdung von Menschenleben durch die Aktion. Eine Reinigungskraft sei durch den Anschlag massiv gefährdet gewesen, sei aber mit dem Schrecken davon gekommen. Deshalb wird gegen die unbekannten Täter auch wegen versuchtem Mord ermittelt. In einer Erklärung, in der „autonome Gruppen“ die Verantwortung übernommen haben, wird verneint, dass eine Gefährdung von Personen bestanden habe.

Auch die Berliner Boulevardmedien greifen das Thema auf und sehen „Polizisten im Visier von Linksextremisten“. Dort wird der Angriff auf die Polizeiwache mit den von linken Gruppen geplanten Demonstrationen zum 1. Mai kurzgeschlossen. In der Folge trat der Demonstrationsanmelder Nikolaus Brauns von dieser Funktion zurück. Der parteilose Historiker, der für die Bundestagsabgeordnete der Linken Ulla Jelpke arbeitete, begründete diesen Schritt damit, Schaden von seiner Chefin und der Linken abwenden zu wollen.

Zuvor hatte die CSU-Landesgruppe in Brauns Rolle als Demoanmelder einen Affront gegen die Polizei gesehen. Der liberale Tagesspiegel sah in Brauns den Anführer eine „Krawalldemo“. Lediglich ein Taz-Kommentator erinnerte daran, dass die Demonstrationen auch am 1. Mai überwiegend ohne größere Zwischenfälle verliefen und die Auseinandersetzungen erst später einsetzen und bedauert, dass Brauns einen Rückzieher bei der Anmeldung gemacht hat.

In einer Pressemitteilung zur „politisch motivierten Kriminalität“, die am 15. April veröffentlicht wurde, konstatierte das Bundesinnenministerium einen Rückgang der Straftaten. Allerdings verwies Bundesinnenminister Friedrich darauf, dass Polizisten verstärkten Angriffe ausgesetzt seien. Jelpke kritisierte diese Darstellung und vermisste Berichte über Polizeigewalt.
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/149688

Peter Nowak