IG Metall schließt aus

 Die Alternativen Metaller bei der Daimler Chrysler-AG in Kassel haben mit Ausschlussverfahren der IG-Metall-Spitze Erfahrung. Bereits kurz nach der Gründung 1990, aber auch nach den Betriebsratswahlen 1993 und 2002 wurden Mitglieder der linksgewerkschaftlichen Gruppe ausgeschlossen, weil sie mit einer eigenen klassenkämpferischen Liste zu den Betriebsratswahlen angetreten sind. Nun drohen Michael Fuchs, Mirko Berger und Udo Pusceddu, drei aktiven IG Metallern, aus dem gleichen Grund erneut Ausschlüsse. Im letzten Jahr erhielten bereits linke Gewerkschafter aus dem Daimler-Werk Berlin-Marienfelde wegen Eigenkandidaturen Funktionsverbote in der IG Metall und bei Daimler-Sindelfingen gab es deswegen Ausschlüsse.

 Immer sind kämpferische Gewerkschafter betroffen, weil sie in ihrem Betrieb umsetzen, was der zweite Vorsitzende der IG Metall 2008 einforderte: Angesichts verschärfter Angriffe der Unternehmer müsse in Zukunft mehr auf die »konfliktorische Auseinandersetzung« und die »direkte Beteiligung der Beschäftigten« gesetzt werden, erklärte er. Doch mit den Ausschlüssen werden aktive Kollegen, die auch auf Betriebsratsebene für eine Alternative zum Kurs des Co-Managements eintreten, sanktioniert und nicht ermuntert. Dabei kandidieren seit Jahren ohne Konsequenzen in Berliner und Hamburger Betrieben IG Metaller auf unterschiedlichen Betriebsratslisten.

Wie in den anderen Standorten sind auch in Kassel Proteste gegen die Sanktionen angelaufen. Anfang Februar gab es eine gut besuchte Solidaritätsveranstaltung mit den vom Ausschluss bedrohten Kollegen. Gewerkschafter aus dem gesamten Bundesgebiet haben einen Aufruf unter dem Motto »Gewerkschaftsausschluss von Metallern in Kassel verhindern« gestartet, der unter www.labournet.de/branchen/auto/dc/ks/ausschlussprotest1.pdf unterstützt werden kann.

Die kämpferischen Kollegen brauchen diese Solidarität auch gegen den Konzern. So dürfen die Alternativen Metaller Betriebszeitungen, die sie vor dem Fabriktoren verteilen, nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Kassel nicht ins Netz stellen. Gegen diese Zensur müsste auch die IG Metall schon in Eigeninteresse vorgehen, statt die Kollegen zu maßregeln.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/191273.ig-metall-schliesst-aus.html

Peter Nowak

Die alten Parolen sind wieder angesagt

GENTRIFIZIERUNG Einst war der Kreuzberger Chamisso-Kiez ein Zentrum der Hausbesetzerszene. Heute fürchten dort viele Mieter die Verdrängung: Investoren haben die Gegend entdeckt und kaufen Immobilien auf

Der Kreuzberger Chamissokiez mit seinen Kopfsteinpflaster und den altmodischen Laternen macht auf viele BesucherInnen den Eindruck eines Freilichtmuseums zum Thema „Berlin vor 100 Jahren“. Dass die in der Endphase des Kaiserreichs gebauten Mietskasernen erhalten blieben, ist vor allem HausbesetzerInnen zu verdanken. Sie bewahrten Ende der 70er Jahre zahlreiche leerstehende Gebäude in der Gegend vor den Abriss. Später erhielten sie oftmals Mietverträge. Doch gut 30 Jahre nach der Besetzerhochphase müssen viele Bewohner wieder um ihre Wohnungen kämpfen. Und sogar die alten Lieder von damals erklingen wieder.

„Das ist unser Haus, ihr kriegt uns hier nicht raus“ – der ganze Saal singt den Refrain des Rauchhaussongs von Ton Steine Scherben mit. Die meisten Besucher des Stadtteilzentrums im Chamissokiez sind in der zweiten Lebenshälfte. Das passt, denn die Gruppe, die zu diesem Treffen vor einigen Tagen eingeladen hat, heißt „Jung bleiben – alt werden im Kiez“. Der Andrang ist groß, schon zehn Minuten vor Beginn sind alle Plätze belegt. Viele BewohnerInnen rund um den Chamissoplatz fürchten in der Tat, dass sie dort nicht mehr alt werden können.

In den vergangenen Jahren zeigten immer mehr Immobilienfirmen Interesse an den Gründerzeithäusern – und hoffen auf hohe Mieteinnahmen. Nach dem Kauf sollen die MieterInnen meist rasch zum Auszug bewegt werden, berichten Bewohner auf der Versammlung, die vor wenigen Tagen stattfand. „In der Arndtstraße 38 zum Beispiel stehen von neun Wohnungen vier leer“, sagt Jutta, die sich ironisch eine der letzten „Standhaften“ nennt. Eine Immobilienfirma aus Baden-Württemberg, die das Haus gekauft hat, habe ihr wegen verspäteter Zahlung der Kaution gekündigt. Im März werde darüber vor Gericht entschieden.

Auch die 27 Mieterparteien in der Katzbachstraße 17 sind nach einem Eigentümerwechsel verunsichert. Wegen eines Streits zwischen Alt- und Neueigentümern um die Ölrechnung fiel in diesem Winter schon zweimal die Heizung aus, erzählt ein Hausbewohner. Trotz der Größe des Hauses und der Unterschiedlichkeit der MieterInnen habe es mittlerweile erste gemeinsame Treffen gegeben, berichtet er. Man wolle sich organisieren.

Die BewohnerInnen der Willibald-Alexis-Straße 34 – das Hausprojekt WAX 34 – sind schon weiter. Nachdem ihr Haus im Herbst 2010 verkauft worden war, haben sie ihre Ziele formuliert. „Wir wollen das Haus dem Spekulationsmarkt entziehen und mit offenen Briefen an PolitikerInnen aller Parteien eine Debatte um bezahlbaren Wohnraum in Gang setzen“, erzählt Bewohner Michael. Im Kiez stößt er damit auf offene Ohren. „Wer hier länger lebt, spürt, dass der Kiez kippt“, berichtet eine ältere Frau. Ein Anzeichen dafür sieht sie auch in der wachsenden Zahl der Ferienwohnungen. Die würden nicht nur die Mieten in die Höhe treiben. Auch der Zusammenhalt in der Nachbarschaft gehe verloren, wenn die BewohnerInnen wöchentlich oder gar täglich wechseln, moniert sie.

Politiker aufrütteln

Beim Beklagen der Situation wollen es viele BewohnerInnen des Chamissokiezes nicht belassen. Eine Podiumsdiskussion mit PolitikerInnen aller Parteien wollen sie vorbereiten. Und beim Sammeln der Forderungen haben sie fachkundige Beratung: Der ehemalige Kreuzberger Baustadtrat der Alternativen Liste (AL), Werner Orlowsky, unterstützt die BewohnerInnen. Er betont, es gebe gesetzliche Möglichkeiten auf Bezirks- und mehr noch auf Senatsebene, um dem Häusermonopoly entgegenzuwirken. Die Wiedereinführung einer Fehlbelegungsablage gehöre ebenso dazu wie ein besserer MieterInnenschutz und die Neuauflage des sozialen Wohnungsbaus in Berlin.

Außerdem wollen MieterInnen im Kiez eine Demo unter dem bewährten Motto „Wir bleiben alle!“ vorbereiten. „Wenn alles nicht hilft, müssen wir wieder Häuser besetzen“, meinte ein etwa 50-jähriger Mann. Er erhält nicht nur umfassende Zustimmung auf der Versammlung, sondern auch die Adresse eines Hauses, das im guten Zustand ist – und schon lange leer steht.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F02%2F18%2Fa0145&cHash=d39db4b2af

Peter Nowak

Anzeige gegen Polizei in Wuppertal nach Naziaufmarsch

Wuppertal. Der Polizeieinsatz beim Neonaziaufmarsch am 29. Januar in Wuppertal wird ein juristisches Nachspiel haben. Das Wuppertaler »Bündnis gegen Nazis« hat nach der Auswertung von Ton- und Bildmaterial einen Strafantrag wegen Strafvereitelung im Amt gegen die Polizei gestellt. Sie sei bei zahlreichen von den Neonazis verübten Straftaten nicht eingeschritten, lautet der Vorwurf.

»Aufrufe zu Straftaten, Gewalt- und Morddrohungen gegen demokratisch gesinnte Bürgerinnen und Bürger sowie antisemitische Hetze wurden sowohl über den Demolautsprecher als auch durch Sprechchöre der Nazis verbreitet«, heißt es in einer Pressemitteilung des Antifabündnis. Statt den Aufmarsch zu beenden, habe die Polizei alles getan, um antifaschistischen Protest zu unterbinden. Mehrere Gegendemonstranten seien durch Reizgas und Schlagstockeinsatz verletzt worden. »Menschenverachtende Straftaten von Nazis dürfen nicht unter dem Vorwand billigend in Kauf genommen werden, die Versammlungsfreiheit schützen zu wollen«, betonen die Nazigegner.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/191079.bewegungsmelder.html

Peter Nowak

Politrapper wechselt nach rechts

Gütersloh – Vorübergehend nicht erreichbar ist die Homepage des Gütersloher Rappers Makss Damage.

Wahrscheinlich wird der Rapper dort einige Bilder austauschen. Denn bisher waren dort noch rote Fahnen mit Hammer-Sichelfahnen zu finden. Denn Damage, der Stalin-Elogen rappte, gab sich als Kommunist. Doch jetzt hat er in einem zweiteiligen Videointerview, das auf der braunen Internetplattform Altermedia veröffentlicht ist, seinen Übertritt ins rechte Lager bekannt gegeben, ohne eine bestimmte Organisation zu nennen. In dem Gespräch moniert er die mangelnde Kameradschaft und die fehlende Bereitschaft zur körperlichen Auseinandersetzung in der linken Szene. Außerdem mokiert sich Damage in dem Interview über flüchtlingsfreundliche Positionen im linken Milieu.

Der Rapper hat angekündigt, dass „von nun an seine Lieder seiner veränderten politischen Einstellung anpassen will“. Allerdings hatte Damage schon vor seinen offiziellen Übertritt ins rechte Lager in seinen Songs zunehmend gegen Schwule, Anarchisten, Pazifisten gehetzt und zum Mord an Anarchisten und Antideutschen aufgerufen. Auch Songzeilen wie „Ich leite Giftgas in jüdische Siedlungen“ und „Lass’ den Davidstern brennen“ dürften in seinem neuen politischen Umfeld begeistert rezipiert werden.

 Peter Nowak

http://www.bnr.de/content/politrapper-wechselt-nach-rechts

Freispruch für „Berliner Paten“

Berliner Landgericht sieht im Fall Landowsky und anderer Bankmanager keine Untreue
Am gestrigen Montag sprach das Berliner Landgericht in seiner Entscheidung den ehemaligen Vorstandschef der Berlin-Hyp und langjährigen CDU-Politiker Klaus-Rüdiger Landowsky sowie elf weitere Manager vom Vorwurf der Untreue frei. Das Urteil war erwartet worden. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht im August 2010 die Urteile gegen Landowksy und Co. aufgehoben und den Fall an das Berliner Landgericht zurückverwiesen.

In ihrer Begründung rügten die Karsruher Richter damals eine „verfassungswidrige Überdehnung des Untreuetatbestands“ durch die Vorinstanzen und formulierten strenge Kriterien für die Verurteilung von Managern. Dazu seien Prüfungen unter Einbeziehung von Wirtschaftsexperten erforderlich.

Ursprünglich ging die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Manager für die Auflage von zwei Immobilienfonds verantwortlich sind, die den Anlegern extrem hohe Mietgarantien für 25 Jahre zusicherten, obwohl bereits bekannt war, dass die Fonds kaum werthaltig waren. Daraus ist der Bank ein Schaden von 60 Millionen Euro entstanden, der auf die öffentliche Hand abgewälzt wurde. Die Richter des Landgerichts kamen jedoch zum Schluss, dass eine Gesetzesverletzung im Sinne des Untreue nicht vorgelegen habe. Somit sei ein konkreter Schaden für das Land Berlin oder den Steuerzahler nicht nachzuweisen:

„Die 26. Strafkammer hat die Angeklagten unter Beachtung der Vorgaben der neuen Rechtsprechung des BVerfG (Entscheidung vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 491/09) zum Tatbestand der Untreue aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil das Verhalten der Angeklagten bei den Fondsschließungen im Ergebnis trotz Mängeln in der Kalkulation der Mietgarantiegebühren als insgesamt nicht pflichtwidrig einzustufen sei.
Im Übrigen habe die Beweisaufnahme ergeben, dass die Gesellschafterinnen der IBG – LBB, Berliner Bank, BerlinHyp und Bankgesellschaft Berlin AG – in Kenntnis der Risiken der Fortsetzung der LBB-Fonds-Reihe mit den anklagegenständlichen Fonds zugestimmt hätten. Diese Zustimmung sei ihrerseits nicht pflichtwidrig und schließe den Tatbestand der Untreue daher aus.“

Während Landowsky nach dem Freispruch vom Sieg des Rechtsstaat über alle Intrigen sprach, kommentierte die „Initiative Berliner Bankenskandal“ die Entscheidung knapp:

„Es kam, wie es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommen musste.“

Landowsky kann sich bestätigt fühlen. Schon beim ersten Prozesstag des langwierigen Verfahrens im Jahr 2005 schrieb die Financial Times Deutschland: „Natürlich erwarte er einen Freispruch, sagte Landowksy auf dem Gerichtsflur.“

Dass es auf dem Instanzenweg dann doch zu einer Verurteilung kam, konnte der von manchen zum „Paten von Berlin“ getaufte CDU-Politiker überhaupt nicht verstehen. Aber die Karlsruher Richter ließen ihn nicht in Stich. Ein von der Staatsanwaltschaft angekündigtes Revisionsverfahren dürfte angesichts der Karlsruher Vorgaben wenig Erfolg beschieden sein.
 
Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149274

Erstes erfolgreiches Volksbegehren in Berlin

Das überraschende Votum für die Offenlegung der Verträge über den Teilverkauf der Wasserbetriebe ist auch eine Absage an die Privatisierung öffentlicher Güter
Der Berliner Senat muss alle Verträge im Zusammenhang mit dem Teilverkauf der Wasserbetriebe offenlegen. Denn am Sonntag hatte ein von der Initiative Berliner Wassertisch initiiertes Volksbegehren wider alle Prognosen Erfolg.

Das nötige Quorum von 25 % der wahlberechtigten Berliner wurde überschritten. Damit hat der Berliner Wassertisch mit wenigen Unterstützern etwas erreicht, was den von den Boulevardmedien und großen Parteien unterstützten Volksbegehren für den Erhalt des obligatorischen Religionsunterrichts und für den Erhalt des Flughafen Tempelhofs nicht gelungen ist.

Erstmals hat damit ein berlinweites Volksbegehren Erfolg. Dabei waren die Medien mit der Berichterstattung eher zurückhaltend, und auch führende Politiker der in Berlin mitregierende Linkspartei argumentierten, da die Verträge nach einer Taz-Recherche mittlerweile öffentlich seien, habe sich das Volksbegehren erledigt. Die Befürworter konterten, dass mit dem Volksbegehren nicht veröffentlichte Vertragsteile automatisch nichtig würden, was sicher noch einige juristische Auseinandersetzungen nach sich ziehen dürfte.

Wenn es bei dem Volksbegehren auch um die vollständige Offenlegung der Verträge ging, so war das Ergebnis auch ein Votum gegen die Privatisierung öffentlicher Güter. Das Thema dürfte bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen eine wichtige Rolle spielen. Wie der Film Water makes Money deutlich machte, ist der Kampf für eine Rekommunalisierung der Wasserwerke längst eine europaweite Bewegung. Dass das stark in die Kritik geratene Unternehmen Veolia eine Verleumdungsklage gegen den Film eingereicht hat, ist auch ein Anzeichen dafür, dass man dort zunehmend nervös wird.

 

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149266

Peter Nowak

Initiative wehrt sich gegen Hartz-IV-Poker

»Aktionsbündnis Sozialproteste« in Hannover
Das »Aktionsbündnis Sozialproteste«, in dem sich Erwerbslosengruppen und soziale Initiativen zusammengeschlossen haben, hatte am Sonnabend zu einem bundesweiten Treffen nach Hannover eingeladen. Über 30 Delegierte aus allen Teilen der Republik haben daran teilgenommen.
 
Foto: dpa
Der zentrale Tagesordnungspunkt des Treffens war das wochenlange Gezerre zwischen Bundesregierung und Opposition um die Hartz- IV-Sätze. Die Delegierten monierten, dass bei dem Hartz-IV-Poker die Betroffenen von Politikern und Medien fast völlig ignoriert werden. »Wie lange noch werden die Erwerbslosen den Politikern durchgehen lassen, dass sie über unsere Köpfe hinweg über unser Schicksal verhandeln«, hieß es in der Einladung zu dem Treffen.

Das Sozialbündnis will den Druck für ein existenzsicherndes Einkommen erhöhen und setzt sich für einen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde steuerfrei ein. Um diese Forderung durchzusetzen, ruft das Bündnis zur Beteiligung an dem vom DGB initiierten Aktionstag »Gegen Lohndumping und für sichere und faire Arbeit« am 24. Februar auf.

Das Mitglied des Koordinierungskreises im »Aktionsbündnis Sozialproteste« Edgar Schu würdigte gegenüber ND auch die Arbeit der Initiative »Krach schlagen statt Kohldampf schieben«. Sie hatte am 10. Oktober 2010 in Oldenburg eine bundesweite Erwerbslosendemonstration organisiert. Dadurch sei es gelungen, Bündnisse mit Teilen der Gesellschaft zu schließen, die sich bisher mit Themen wie Hartz IV wenig befasst haben. An diese Vorarbeit will das Aktionsbündnis mit der 10-Euro-Forderung anknüpfen.

Skeptisch äußerte sich Schu zu den in den letzten Wochen laut gewordenen Aufforderungen an die Erwerbslosen, sich mit einer Klagewelle einen höheren Hartz- IV-Satz zu erstreiten. Er warnt vor Illusionen. »Wir setzen eher auf Klassenkampf und gesellschaftlichen Druck als auf die Gerichte.«

Das Bündnis hat sich auf dem Hannoveraner Treffen für die Abschaffung sämtlicher Sonderregelungen für arbeitslose Flüchtlinge ausgesprochen. Sie dürfen beim Hartz-IV-Satz nicht schlechter als die anderen Erwerbslosen gestellt sein. Damit soll die Diskriminierung von Menschen ohne deutschen Pass auf diesem Sektor aufgehoben werden. Schu erinnert daran, dass die Schlechterstellung von Menschen, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, schon in der Vergangenheit Modellcharakter gehabt hatte. Oft seien bei den Flüchtlingen Maßnahmen erprobt worden, die später auf weitere Gruppen von Erwerbslosen ausgeweitet worden sind.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/190849.initiative-wehrt-sich-gegen-hartz-iv-poker.html

Peter Nowak

„Verräter in unseren Reihen“

Taz und Spiegel machen geleakte NPD-Mails öffentlich, was auch zu der Frage führt, wie es hier mit dem Datenschutz und dem Schutz der Privatsphäre steht
Als hätte der Mailschreiber etwas geahnt. Unter dem Betreff „Verräter in unseren Reihen“ schreibt ein NPD-Funktionär an seine Kameraden: „Einer dieser Empfänger hat DEFINITIV Informationen an die Antifa weitergegeben, bzw. dessen ePost-Adresse wird von Antifas angezapft (Feind liest mit).“
   

Dass die Öffentlichkeit jetzt über das große Misstrauen in NPD-Kreisen informiert ist, lag am NPD-Leak, den neben dem Spiegel auch die Taz in ihrer Wochenendausgabe publik machte. Auf ihrer Homepage dokumentierte sie eine kleine Auswahl der ihr zugespielten ca. 60.000 Mails aus dem Innenleben der Rechtspartei. Laut Taz haben 6 Redakteure die Mails geprüft und darauf geachtet, dass persönliche Angaben und Namen von Personen, die bisher nicht im NPD-Kontext aufgefallen sind, unkenntlich gemacht wurden.

Sollte die veröffentlichte Auswahl repräsentativ sein, dann dreht sich ein Großteil der gehackten Mails um organisatorische Fragen. So wird mitgeteilt, dass der Mitschnitt einer Veranstaltung nun online gestellt ist und der Link bekannt gemacht werden soll. Ein anderes NPD-Mitglied schildert die Schwierigkeiten bei der Sammlung von Unterstützungsunterschriften für den Wahlantritt und klagt über die Inaktivität der eigenen Kameraden.

 

Bei der per Mail geführten Debatte über die Gestaltung von Informationsmaterial der NPD wurde auch nicht mit rechter Propaganda gespart. So heißt es in einen Kommentar des sächsischen NPD-Landesvorstandes zur Gestaltung einer Werbepostkarte: „Dennoch lege ich gesteigerten Wert darauf diesen ’schlicht(en) 30er-Jahre-Jargon‘ zu verwenden. Wenn wir ein Alleinstellungsmerkmal haben ist es „deutsch“ zu sein.“ Auch die internen Querelen werden in dem Mailverkehr deutlich. So wird die Absetzung eines Stützpunktleiters der Jungen Nationaldemokraten gefordert, der eine Einladung mit „Heil Germania“ unterschrieben hat.

Welche Folgen das NPD-Leak für die Partei ist noch offen. Die innerparteilichen Kritiker des NPD-Vorstandes dürften sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den mangelnden Schutz der Daten für ihre Zwecke zu nutzen, so wie sie es schon bei der Aufdeckung der Spitzel in den Parteigremien mit mäßigem Erfolg versucht haben.

Gilt das Recht auf eigene Daten auch für die NPD?

Die Aktion dürfte und sollte auch die Frage wieder auf die Tagesordnung setzen, ob das Recht auf die eigenen Daten auch für die NPD gelten soll. Im Dezember 2008 waren anlässlich des 25. Kongresses des Chaos Computer Club NPD-Seiten gehackt worden: Neben Zustimmung gab es damals mit Verweis auf das Datenschutzargument auch Kritik an der Aktion. Man könne nicht das Recht auf die eigenen Daten propagieren und es dann im Falle der NPD oder anderer extrem rechter Gruppierungen selber außer Kraft setzen, hieß es.

Zudem stellen sich bei dem NPD-Leak ähnliche Fragen wie bei den WikiLeaks-Veröffentlichungen. Wo beginnt die Privatsphäre und ist selbst bei größter Sorgfalt auszuschließen, dass auch Unbeteiligte an die Öffentlichkeit gezerrt werden? Darunter könnten auch Menschen sein, die aus Recherchegründen mit der NPD in Mailkontakt standen. Zudem stellt sich die Frage, welchen Nutzen die Mails von einem antifaschistischen Standpunkt haben. Selbst wenn man die organisatorischen Klärungen, um die es in dem Großteil der Kommunikation geht, bei Seite lässt, bleibt der Neuigkeitswert doch arg begrenzt. Dass die NPD auf das Alleinstellungsmerkmal „Deutsch“ Wert legt, war auch vor der Enthüllung kein Geheimnis. Auch der gar nicht immer kameradschaftliche parteiinterne Umgang füllt nun schon seit Jahren die Medien. So kann man sich durch das NPD-Datenleck noch einmal bestätigen lassen, was alle, die es interessiert, auch vorher wussten. Um die NPD politisch zu verorten und auch zu politisch bekämpfen, sind daher die Mails wohl ähnlich entbehrlich wie die Verfassungsschutzleute. 
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34188/1.html

Peter Nowak

Hartz IV-Debatte ohne die Betroffenen?

Das Pokern um die Hartz IV-Sätze geht weiter
Der Bundesrat setzt, nachdem über die Hartz-IV-Sätze keine Einigung erzielt werden konnte, auf den Vermittlungsausschuss. Nun soll also weiter zwischen Vertretern der Bundesregierung vermittelt werden. Doch wie regieren die Betroffenen?

Von den Erwerbslosen und ihren Verbänden war in der Debatte in den letzten Monaten auch bei den Kritikern des Regierungsvorschlags selten die Rede. So erklärte der Sozialexperte der Grünen Peter Kurth im Interview mit dem Deutschlandfunk, dass es ihm bei seiner Kritik der Regierungsvorschläge um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gehe. Von den zahlreichen Vorschlägen und Forderungen aus dem Spektrum der aktiven Erwerbslosen redet er nicht.

Am kommenden Samstag wird sich das bundesweite Aktionsbündnis Sozialproteste, in dem sich Erwerbslosengruppen und soziale Initiativen zusammengeschlossen haben, bei einem Treffen in Kassel mit dieser für sie unbefriedigenden Situation befassen. „Wie lange noch werden die Erwerbslosen den Politikern durchgehen lassen, dass sie über unsere Köpfe hinweg über unser Schicksal verhandeln“, heißt es in der Einladung.

Niemand der Aktiven erwartet in der nächsten Zeit Massenproteste von Erwerbslosen, wie es sie vor der Einführung von Hartz IV im Jahre 2004 gab. Aber die stärkere Koordinierung zurzeit laufender Initiativen soll Thema des Treffens in Kassel sein. Dazu gehört die Aktion „Krach schlagen statt Kohldampf schieben“, die am letzten Oktober auf einer Demonstration in Oldenburg Premiere hatte und seitdem in verschiedenen Städten mit kleinerer Besetzung wiederholt wurde. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/149261

Peter Nowak

Großer Aufwasch bei Accor

Filmdoku über Arbeitskampf von Reinigungskräften in Frankreich

Einigen sind die express-Berichte über den Arbeitskampf der drei Dutzend Reinigungskräfte gegen die Hotelkette Accor in Frankreich sicher noch in Erinnerung: Über drei Jahre, von 2002 bis 2004, hatten wir diese Auseinandersetzung publizistisch und mit Veranstaltungen begleitet. Nicht zuletzt ging es um die Frage, ob und inwiefern politischer und ökonomischer Druck auf den „Generalunternehmer“ in dieser von extremer Fragmentierung und Subunternehmertum geprägten Branche erfolgreich sein kann. Neben den Erfahrungen und Ergebnissen der Auseinandersetzung, die in der Reihe Ränkeschmiede (Nr. 14) festgehalten sind, ist nun eine filmische Dokumentation erschienen, die für gewerkschaftliche und öffentliche Diskussionsveranstaltungen genutzt werden kann:

„Kämpfen – wie in Frankreich“, lautet eine viel strapazierte Parole, wenn es um Streiks und Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit geht. Der Film „Großer Aufwasch im Subunternehmen“, der jetzt auf Deutsch erhältlich ist, zeigt, was damit gemeint sein kann. Er dokumentiert den jahrelangen Kampf von Reinigungsfrauen, meist afrikanischer Herkunft, die in Hotels der Accor-Kette in Frankreich für die Senkung des Arbeitsakkords und die Bezahlung nach Arbeitsstunden statt nach geputzten Hotelzimmern kämpfen. Der Film zeigt einen Streik, wie er in Deutschland kaum denkbar wäre: Die Frauen besetzen Hotelfoyers und lassen sich dort zum Picknick nieder. Unter den Augen der empörten Hotelleitung und mancher nicht minder empörter Hotelgäste, die beim Essen nicht von den Belangen des Reinigungspersonals gestört werden wollen, das ihnen die Zimmer sauber zu halten hat, machen die Frauen deutlich, dass sie sich nicht wegschieben und auch nicht den Mund verbieten lassen werden.
In einem der Hotels hinterlassen die Frauen gemeinsam mit dem Unterstützungskomitee soviel Unordnung, dass es für einige Stunden geschlossen werden muss. Der Film zeigt, mit welcher Gelassenheit diese Menschen Aktionen des zivilen Ungehorsams praktizieren, sich dabei völlig offen äußern und fotografieren lassen. Auch der Druck von Ehemännern und Verwandten kann ihre Kampfbereitschaft nicht dämpfen. Eine Frau berichtet, wie sie während des Streiks von den Eltern ihres Mannes unter Druck gesetzt wurde, den Streik abzubrechen, weil sie doch zum Arbeiten nach Frankreich gekommen sei.
„Großer Aufwasch im Subunternehmen“ dokumentiert damit auch ein Beispiel, wo es die Männer sind, die Druck auf die streikenden Frauen ausüben – und nicht umgekehrt, wie es oft in der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung erscheint.

Nachdem die Frauen dem Accor-Konzern und seinen Subunternehmen endlich einen akzeptablen Vertrag abgerungen haben, wird Faty Mayant, eine der Streikaktivistinnen der ersten Stunde, entlassen. Gemeinsam mit einem Solidaritätskomitee nimmt sie den Kampf dagegen auf und lässt sich auch von Polizei und Hotelleitung nicht einschüchtern. Dabei hat sie noch nicht einmal die Unterstützung all jener Frauen, die jahrelang mit ihr gestreikt haben. Doch in dieser Situation zeigt sich, wie wichtig die Arbeit des Solidaritätskomitees ist. Der Film dokumentiert, mit welcher Entschlossenheit Faty Mayant für ihre Sache streitet und schließlich einen Teilerfolg erzielt. Ihren Job bekommt sie zwar nicht zurück, doch erhält sie eine finanzielle Abfindung. Die Filmemacherin Ivora Cusack und das Kollektiv 360°, das die Streikenden begleitet hat, machen in dem Film deutlich, dass die Reinigungskräfte von Accor und insbesondere Faty Mayant mit ihrem Kampf auch vielen anderen Mut gemacht haben, gegen unhaltbare Zustände an ihren Arbeitsplätzen aufzustehen – und dies in einer Branche, die exemplarisch für die Informalisierung, Prekarisierung und Individualisierung von Arbeitsverhältnissen und damit für die These der „Unorganisierbarkeit“ steht.
 
Peter Nowak

„Großer Aufwasch im Subunternehmen“, Frankreich 2010, 70 min., mit deutschen Untertiteln
Produktion/Vertrieb: Kollektiv 360° et même plus
Bestellungen über: http://remue-menage.360etmemeplus.org/
Der Film kann für öffentliche und gewerkschaftliche Schulungs- und/oder Diskussionsveranstaltungen zur Verfügung gestellt werden und kostet, je nach Finanzausstattung der Veranstalter, zwischen 25 und 100 Euro (Solidaritätsveranstaltungen kostenlos).

Peter Nowak

aus Express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 1/2011

http://www.labournet.de/express/index.html

Waterboarding für Studenten

Nicht nur viele Studierende haben hierzulande vor wenigen Monaten über die Bildungsproteste in Großbritannien gestaunt, die mit der Besetzung der Londoner Parteizentrale der regierenden Konservativen endeten. Diese Partei ist gemeinsam mit den Liberalen für das Sparpaket verantwortlich, das massive Kürzungen im Bildungssystem, eine Erhöhung der Studiengebühren und eine Abschaffung der Stipendien für weiterführende Schulen vorsieht. Dagegen richtete sich Ende letzten Jahres der Zorn von Studierenden, Schülern aber auch Gewerkschaftern. Der wurde via Medien und Internet europaweit verbreitet.

Über die Folgen, die die Proteste für manche Aktivisten hatten, wird dagegen wenig berichtet. Schon während der Besetzung des Tory-Parteibüros wurden dutzende Aktivisten festgenommen. Dieses Schicksal erlitten in den folgenden Wochen mehr als 60 Menschen, darunter zwölf Personen unter 18 Jahre.

Auch die Universitätsleitungen wurden in die Verfolgung einbezogen. So berichtete die Präsidentin der Studierendenversammlung an der Londoner Universität, Clara Solomon, dass eine Spezialeinheit von Scotland Yard, das »Counter Terrorism Command«, am 13. Januar die Direktoren von 20 Londoner Universitäten, Colleges und Schulen in einem Schreiben aufforderte, Namen und Adressen von Protestierenden herauszugeben. Mit der Verurteilung des 18-jährigen Studienanfängers und Besetzers des Tory-Gebäudes Edward Woollard zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten sollte ein Klima der Abschreckung erzeugt werden. Manche Medien gingen noch einen Schritt weiter. Der Kommentator des regierungsnahen »Daily Telegraph«, Matthew D’Ancona, schrieb: »Ich denke, die meisten Beobachter sehen in den Umstürzlern verwöhnte Bälger, denen ein bisschen Waterboarding nicht schaden würde.«

http://www.neues-deutschland.de/artikel/190632.waterboarding-fuer-studenten.html

Peter Nowak

Maoistische Anklänge und Harmonie

Von Fabrikarbeitersuiziden über »Bossnapping« bis hin zur Situation von Sexarbeiterinnen – in einem neuen Sammelband untersuchen Wissenschaftler und Aktivisten die aktuelle Lage der Arbeiterklasse in China.
»Sie setzten den Direktor auf die Ladefläche eins Pritschenwagens und zwangen ihn, die schmerzhafte und erniedrigende Flugzeug-Haltung einzunehmen – vorgebeugt und mit den Armen zur Seite ausgestreckt.« Diese Beschreibung eines »Bossnapping« bei einem Streik von Seidenwebern in der chinesischen Provinz Sichuan verdanken wir dem Hongkonger Sozialwissenschaftler Chris King-Chi Chan. Der Bericht findet sich in einem neuen Sammelband zur Situation der Arbeiterklasse in China.

 Vor zwei Jahren war im gleichen Verlag ein Buch über die chinesischen Wanderarbeiterinnen erschienen, die aus ihren Dörfern in die Weltmarktfabriken zum Arbeiten kommen. In dem neuen Band wurde das Blickfeld erweitert. Neun Wissenschaftler und ein sozialpolitischer Zusammenhang analysieren die Situation der unterschiedlichen Sektoren der chinesischen Arbeiterklasse. So widmet sich US-Anthropologin Zhan Tiantian chinesischen Sexarbeiterinnen, die offiziell als Hostessen bezeichnet werden. Sie zeigt auf, dass die regierungsoffizielle Anti-Prostitutionskampagne ihre Arbeitsbedingungen verschlechtert. Über Formen des Widerstands gibt es in dieser Branche indes wenig zu berichten.

Die unterschiedlichsten Formen des Widerstands, von individuellen Verzweiflungstaten bis zu kollektiver Gegenwehr, werden im Buch vorgestellt. Für internationale Aufmerksamkeit sorgte ein Streik beim Autokonzern Honda im Mai und Juni 2010. Die Hintergründe der Arbeitsniederlegungen werden detailliert untersucht und betont, dass die Arbeitsniederlegungen ohne jegliche gewerkschaftliche Unterstützung von den Arbeitern selbst organisiert wurden. Beim Autokonzern Foxconn hingegen lenkten mehrere Selbstmorde von Beschäftigten den Blick auf die schlechten Arbeitsbedingungen.

Bei ihren Protesten benutzten die Beschäftigten oft Losungen aus der maoistischen Tradition. »Die Arbeiter sind die Herren des Staates. Nieder mit der neu entstandenen Bourgeoisie. Ja, zum Sozialismus. Nein, zum Kapitalismus«, lauteten die Parolen auf Transparenten, mit denen Arbeiter aus der Eisen- und Stahlindustrie in der Provinz Liaoning auf die Straße gegangen sind. Mehrere Autoren berichten über maoistische Bezüge auch bei anderen Kämpfen. Die in Hongkong lehrende Sozialwissenschaftlerin Pun Ngai zeigt in einem kurzen historischen Abriss auf, dass bis Ende der 70er Jahre der Klassenkampf in der offiziellen chinesischen Politik eine große Rolle spielte. Erst in den 80er Jahren sei auch in China offiziell Karl Marx durch Max Weber ersetzt worden. Ngai betont, dass ein aktueller Klassenbegriff sinnvoller- weise nur als Waffe von unten in den Fabriken und Arbeiterwohnheimen neu begründet werden kann. Dafür liefert das Buch viele Beispiele.

Mehrere Autoren setzen sich in dem Buch kritisch mit unterschiedlichen Integrationsversuchen der Arbeiterkämpfe auseinander. Dazu gehört für sie auch der veränderte Diskurs der chinesischen Regierung, die für ihr Konzept einer harmonischen Gesellschaft Gewerkschaften als Sozialpartner akzeptiert. Dazu gehören auch die neu eingerichteten und von den Beschäftigten häufig genutzten Schlichtungsverfahren bei Problemen am Arbeitsplatz. Kritisch wird auch der Versuch bewertet, aus kämpferischen Arbeitern Bürger mit Rechten zu machen. Genauso kritisch müssen auch die falschen Freunde der chinesischen Arbeiter in den westlichen Ländern eingeschätzt werden, die die berechtigten Kämpfe der chinesischen Beschäftigten gleich zu einem Kampf gegen das chinesische Gesellschaftssystem hochstilisieren wollen.

Pun Ngai, Ching Kwan Le, u.a.: Aufbruch der zweiten Generation, Wanderarbeiter, Gender und Klassenzusammensetzung in China. Berlin/Hamburg 2010. Verlag Assoziation A, 294 Seiten, 18 Euro.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/190665.maoistische-anklaenge-und-harmonie.html

Peter Nowak

Immobilienmonopoly im Chamisso-Kiez

Gegen Vertreibung aus dem Kiez regt sich Protest
 
In der Kreuzberger Willibald-Alexis-Straße fühlen sich die Mieter vom Eigentümer bedrängt.
»Kreuzberg – nur noch für Reiche?« Diese provokante Frage lockte viele Anwohner aus dem Chamissokiez im Stadtteil Kreuzberg am Dienstagabend zum Stadtteilgespräch in das Kulturzentrum Wasserturm. Die Sitzgelegenheiten reichten bei weitem nicht für alle Interessierten aus. Eine der Moderatorinnen des Abends fasste in ihrem Eingangsstatement in Worte, was viele der Anwesenden bewegt. »Werde ich mir in zehn Jahren in dem Kiez die Miete noch leisten können?« »Was wird aus den Plänen, auch im Alter in den beschaulichen Chamissokiez wohnen zu können, wenn dort immer mehr Mietwohnungen in Eigentums- und Ferienquartiere umgewandelt werden?«

Die Immobilienfirmen, die Interesse an den oft über 100 Jahre alten Gründerzeithäusern im Kiez zeigen, haben unterschiedliche Namen, doch ihre Methoden ähneln sich stark: In der Arndstraße 38 beispielsweise hat die AWL-Immobilien GmbH aus dem baden-württembergischen Baden-Baden das Haus vor einigen Jahren gekauft. Schon bald danach wurden ersten Kündigungen gegen Mieter ausgesprochen. Die waren zwar ungültig, trotzdem sind mittlerweile nur noch fünf Wohnungen vermietet. Das berichtete Hausbewohnerin Jutta, über deren Kündigung im März entschieden wird. Sie ist jedoch entschlossen, sich nicht vertreiben zu lassen.

Darin ist sich die Bewohnerin mit den Mietern der Willibald-Alexis-Straße 34 (WAX 34) einig. Diese haben extra einen eigenen Verein gegründet. In Briefen an Bezirkspolitiker von Friedrichshain-Kreuzberg und den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), formulierten die Bewohner ihr Ziel: »Wir wollen das Haus dem Spekulationsmarkt entziehen, gemeinsames Wohnen organisieren und darüber hinaus ökologisch und sozial sanieren und somit auch im Sinne der oben zitierten Milieuschutzsatzung ›kieznah‹ erhalten«.

Seit September 2010 gehört das Haus der Willibald Alexis Str. 34 GmbH und Co.KG. »Wir machen kein Geheimnis daraus, dass wir Geschäftsleute sind«, erklärt eine Sprecherin gegenüber ND und betont aber: »Wir haben nie einen Mieter vertrieben oder ohne Grund gekündigt.« Den Mietern der WAX 34 wirft sie vor, dass es ihnen nur darum gehe, »für wenig Miete in einem gefragten Kiez zu leben«.

Günstig zu wohnen wird jedoch nicht nur im Chamissokiez immer schwieriger, sondern auch im nahegelegenen Kreuzberger Gräfekiez, wie Martin Breger erzählt. Mit der dortigen Mietenentwicklung beschäftigt sich der Stadtteilaktivist seit Jahren. Selbst viele Einzimmerwohnungen in den Seitenflügeln und Hinterhäusern seien dort für Hartz-IV-Empfänger nicht mehr zu bezahlen, erläutert Breger. Mit konkreten Zahlen untermauert er seine These, dass das Immobilienmonopoly zunimmt. Während im Zeitraum zwischen 1996 und 2004 im Gräfekiez 90 Etagenwohnungen in Eigentum umgewandelt worden sind, waren es zwischen 2005 und 2010 schon über 150 Wohnungen.

Bei einer bloßen Bestandsaufnahme wollen es die Kiezbewohner indes nicht belassen. An einem Folgetreffen in der übernächsten Woche sollen Aktionen beschlossen werden. Eine Demonstration durch mehrere Kieze ist ebenso im Gespräch wie eine Diskussionsveranstaltung mit Politikern von verschiedenen Parteien. Einige Forderungen an die Politiker wurden am Dienstagabend schon zusammengetragen, darunter ein besserer Mieterschutz, die Wiedereinführung einer Fehlbelegungsabgabe und eine Renaissance des sozialen Wohnungsbaus.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/190710.immobilienmonopoly-im-chamisso-kiez.html

Peter Nowak

Führt Extremismusklausel zu Misstrauen und Beschnüffelung?

Auch Juden und Muslime fordern die Rücknahme der Extremismusklausel von Bundesfamilienministerin Schröder

Der Zentralräte der Juden und der Moslems in Deutschland haben am Mitwoch auf einer Pressekonferenz zum Thema „Arbeit gegen Antisemitismus, Islamismus und Rechtsextremismus“ in Berlin die Rücknahme der Extremismusklausel gefordert. Sie verpflichtet zivilgesellschaftliche Organisationen, die finanzielle Unterstützung bekommen, nicht nur selber auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu stehen, sondern auch ihre Kooperationspartner auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen

Die Klausel behindere Initiativen gegen Rechtsextremismus, statt sie zu unterstützen und säe kollektives Misstrauen, sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, und schloss eine gerichtliche Klage nicht aus. Sein Kollege vom Zentralrat der Muslime, Aiman Mazyek ergänzte: „Ausgangspunkt dieses Bekenntniszwangs ist Misstrauen“. Der Kampf gegen Extremismus und für Demokratie sei eine wichtige Aufgabe der Zivilgesellschaft und diese dürfe nicht durch solch eine Klausel unter Generalverdacht gestellt werden.

Auch der SPD-Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann, warnte vor dem „Unsinn einer solchen Beschnüfflungsklausel“. Kritiker vergleichen die Klausel mit der auch als Berufsverbot bezeichneten Radikalenerlass für Beamtenanwärter, der die innenpolitische Debatte in den 70ern und 80er Jahren prägte. Damals dauerte es fast ein Jahrzehnt, bis auch führende Politiker diese Praxis als Fehler bezeichneten.

Der Protest gegen die Extremismusklausel hat sich dagegen innerhalb weniger Monaten auch mittels Internet und Facebook schnell verbreitert. Die Diskussion angestoßen hatte die Initiative gegen jeden Extremismusbegriff aus Leipzig. Als im November letzten Jahres der Verein akubiz die Annahme des sächsischen Demokratiepreises ablehnte, weil damit der Unterzeichnung der umstrittenen Klausel verbunden gewesen wäre, nahm eine größere Öffentlichkeit von der Problematik Notiz.

Am 1.Februar hatten sich über 1.500 Organisationen und Einzelpersonen an einem Aktionstag gegen Bekenntniszwang beteiligt und sich mit Briefen, Protestmails und –faxen an das zuständige Bundesfamilienministerium gewandt. Auch eine Onlinepetition wurde mittlerweile eingereicht. Ein vom Land Berlin in Auftrag gegebenes Gutachten stellt infrage, ob die Extremismusklausel mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149236

Peter Nowak

Militanztexte vom Regierungsnetzwerk

Gefahrenprognosen sind ein mächtiges Mittel für Behörden, Meinungsfreiheit einzuschränken

Werden Demonstrationen verboten oder mit Auflagen eingeschränkt, hat die Polizei meist eine Gefahrenprognose erstellt, die vor Sicherheitsmängeln warnt. Die Prognosen sind schwer überprüfbar, aus Sicht der Behörden ist das kein Nachteil. Bürgerrechte bleiben dabei auf der Strecke. Was fehlt, sind verbindliche Sanktionen, wenn mal wieder Jahre später die Rechtswidrigkeit festgestellt wurde.

Ende Januar musste das Verwaltungsgericht (VG) Schwerin noch einmal über das Agieren der Polizei beim G8-Gipfel von Heiligendamm entscheiden. Das Verbot eines Sternmarsches, mit dem G8-Gegner am 7. Juni 2007 gegen das Treffen protestieren wollten, wurde für rechtswidrig erklärt. »Wir sehen uns in unserer Auffassung bestätigt, dass mit dem Verbot unzulässig in das Grundrecht der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit eingegriffen wurde«, heißt es in einer Erklärung von Attac.

Kritischer urteilte Ulrike Donat vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), die die Kläger vertrat: »Wieder einmal bekommen wir im Nachhinein recht – aber die Versammlung konnte nicht stattfinden.« Donat wies auch auf einen Schwachpunkt der Entscheidung hin. Denn das Gericht lehnte es ab, sich mit dem Wahrheitsgehalt der Polizeipropaganda zum Gefahrenpotenzial des Sternmarsches genauer zu beschäftigen.

Damit sprach sie einen Punkt an, der schon während und nach dem G8-Gipfel für Diskussionen sorgte. Damals hatten Menschenrechtsorganisationen und Demonstranten schwere Vorwürfe gegen die polizeiliche Sonderbehörde Kavala erhoben. Diese hatte gezielt Falschmeldungen gestreut, beispielsweise über Vermummungen und Steinewerfer oder angebliche Säureattacken durch Clowns. Diese Meldungen waren die Grundlage für die polizeiliche Gefahrenprognose, die zum Verbot des nun für rechtswidrig erkannten Sternmarsches führten.

Nicht nur im Zusammenhang mit Heiligendamm sind die polizeilichen Einschätzungen in der Kritik. So hatte die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg bereits im Jahr 2004 eine Pressemeldung gegen ein Demonstrationsverbot während des Castortransports mit dem Titel »Gegen Polizeipropaganda und falsche Gefahrenprognosen« überschrieben. Als willkürlich gilt auch die Gefahrenprognose der niedersächsischen Polizei für die vom DGB angemeldeten Proteste gegen einen Neonaziaufmarsch in Bad Nenndorf, die vom NDR bekannt gemacht worden war. Die Polizei hatte Straßenkampf, Molotowcocktails und Steinwürfe vorhergesagt und auf ein allgemeines Demonstrationsverbot gedrängt. Dabei wollten die Nazigegner ein friedliches Straßenfest gegen Rechts organisieren.

Bei der Erstellung der Gefahrenprognosen stützen sich die Beamten zunehmend auf meist anonym im Internet kursierende Erklärungen. Die Herkunft der Texte bleibt meist unklar. Manchmal stößt man aber auch auf überraschende Quellen: So wurde Ende Januar bekannt, dass Aufrufe im Internet zur Militanz bei einer Demonstration gegen ein Kraftwerk von einem Server aus dem Netzwerk der britischen Regierung gepostet wurden. Das war durch die Überprüfung von IP-Adressen aufgeflogen. Mit diesen Texten hatten Behörden verschärfte Auflagen bei der Demonstration und die Beschlagnahme von Servern bei Aktivisten begründet.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/190503.militanztexte-vom-regierungsnetzwerk.html

Peter Nowak