Nicht mitmachen beim Angriff auf das Streikrecht

ver.di- und IG Metall-Mitglieder debattieren zur Gesetzesinitiative »Tarifeinheit«

Der Bremer Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler berät seit Jahren Betriebsräte und Vertrauensleute juristisch und war auch schon öfter Gutachter für DGB-Gewerkschaften. Da musste es schon einen besonderen Grund haben, wenn er bei einer Veranstaltung des ver.di-Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie des Landesbezirks Berlin-Brandenburg in der Berliner Verwaltungsstelle
der IG-Metall am 30. November 2010 gleich zu Beginn seines Referats betonte, dass ihn besonders freue, dass die Veranstaltung in diesen Räumen möglich ist. Schließlich war Däubler zu einem Vortrag über die Gesetzesinitiative des DGB und der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände zur sogenannten Tarifeinheit eingeladen worden, die gewerkschaftsintern für große Kontroversen sorgt. Danach soll in einem Betrieb nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft gelten, die die meisten
Mitglieder hat. Alle anderen Beschäftigtenorganisationen müssten sich während der Laufzeit dieses Vertrages an die Friedenspflicht halten und dürfen nicht dagegen streiken. Viele Gewerkschafter sehen darin einen Angriff auf das Streikrecht und
sind empört, dass die DGB-Gewerkschaften dabei Hilfestellung leisten. Constanze Lindemann vom ver.di- Fachbereich Medien, Kunst und Industrie bekam viel Zustimmung für ihre Kritik, dass die Initiative ohne innergewerkschaftliche Debatte von den Gewerkschaftsvorständen in die Wege geleitet worden ist. Danach lieferte Däubler den Kritikern der Tarifeinheitsinitiative eine Reihe Argumente. In rechtlicher Hinsicht sei sie kaum praktikabel, meinte er. Allein um die Stärke der Gewerkschaften
festzustellen, sei eine aufwändige bürokratische Prozedur nötig. Zahlreiche Rechtsstreitigkeiten seien schon jetzt vorhersehbar. Zudem gab der Arbeitsrechtler zu bedenken, dass vor allem in kleineren Betrieben die Gefahr bestehe, dass die Unternehmer ihnen genehme Organisationen förderten, die so zur stärksten Gewerkschaft werden, die Tarifpolitik bestimmen könnten, während ver.di oder eine andere DGB-Gewerkschaft nicht dagegen vorgehen könnte. Dieses Szenario ist nicht unrealistisch. Schließlich gibt es schon heute Betriebe, wo ver.di in der Minderheit ist.
Däubler hatte auch kein Verständnis für die Argumentation der Tarifeinheitsbefürworter im DGB. Vor allem die Furcht vor zu vielen Arbeitskämpfen, könnte er bei Gewerkschaftern überhaupt nicht nachvollziehen, zumal gerade Deutschland eines der streikärmsten Länder Europas ist. Dass eine zunehmende Zersplitterung der eschäftigtenvertretungen die Tarifpolitik auch für Gewerkschaften
schwieriger macht, leuchtet dem Arbeitsrechtler dagegen ein. Doch die Zuflucht zu administrativen Maßnahmen wie der Gesetzesinitiative werde garantiert die Sympathien der DGB-Gewerkschaften bei den Kollegen, die sich in anderen Organisatoren organisiert haben, bestimmt nicht fördern. Die seien erst wegen Versäumnissen und Fehlern der Gewerkschaftspolitik entstanden, weil den Beschäftigten, die in der Lage sind, einen Arbeitskampf zu führen, keine attraktiven Angebote gemacht wurden, um sie im DGB zu halten, monierte Däubler. Er bezeichnete die Beteiligung des DGB an der Tarifeinheitsinitiative als Schuss ins eigene Knie. Damit werde konservativen Kreisen Tür und Tor geöffnet, die schon lange das Streikrecht weiter einschränken wollen und beispielsweise ein obligatorisches Schlichtungsverfahren Arbeitskämpfen vorschalten wollen. Gewerkschafter haben historisch für die Ausweitung des Streikrechts gekämpft und sollten jetzt nicht denen die Hand reichen, die es einschränken  wollen, meinte Däubler unter dem Applaus der Zuhörer. Die etwa 80 anwesenden Mitglieder verschiedener Einzelgewerkschaften
unterstützten einstimmig eine Resolution zur Verteidigung des Streikrechts, in der es heißt: »Die zweifellos wichtige größtmögliche
Einheit unter den ArbeitnehmerInnen darf keine Sache staatlichen Zwanges werden, bei dem dann nicht mehr nach dem Sinn und Zweck dieser Einheit für die ArbeitnehmerInnen selbst gefragt wird, sondern Unternehmenswohl und Staatsräson im Vordergrund stehen.«

http://medien-kunst-industrie.bb.verdi.de/sprachrohr/#ausgaben-2011
Peter Nowak


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