Briefe schreiben gegen die Verdrängung

GENTRIFIZIERUNG In Kreuzberg wollen die Mieter eines exbesetzten Hauses den Neueigentümern trotzen
Wer durch den Kreuzberger Chamisso-Kiez geht, findet kaum noch Spuren der Instandbesetzungen aus den frühen 80ern. Die Willibald-Alexis-Straße 34 („WAX 34“) ist eine Ausnahme. Die Tür ist unverschlossen, im Treppenhaus des Seitenflügels hängen politische Plakate, auf einer Tafel sind mit Kreide aktuelle Termine angeschrieben. Unterm Dach haben MieterInnen einen Wintergarten eingerichtet. „Schon im Frühjahr, wenn die Sonne scheint, ist das hier ein angenehmes Plätzchen“, schwärmt Bewohner Jörg Seifert* (Name geändert).

Wie lange sich Seifert daran noch erfreuen kann, ist offen. Seit dem Eigentümerwechsel im September ändert sich viel. Auf dem Schwarzen Brett wurde der Beginn von Baumaßnahmen für November 2011 angekündigt, im Hof ein Gerüst aufgestellt. „Eine von den Eigentümern beauftragte Moderatorin bietet Auszugswilligen Abfindungen an“, erzählt Mieter Wolfgang Steinke* (Name geändert).

Einige gingen darauf ein, die Mehrheit entschied sich anders: Sie schickten offene Briefe an die Medien, BezirkspolitikerInnen und den Regierenden Bürgermeister. „Wir in der Willibald-Alexis-Straße 34 wollen hier wohnen bleiben und nicht nur das. Wir wollen das Haus dem Spekulationsmarkt entziehen und gemeinsames Wohnen organisieren und darüber hinaus ökologisch und sozial sanieren und somit auch im Sinne der oben zitierten Milieuschutzsatzung ,kieznah‘ erhalten“, heißt es.

Der Sprecher der grünen BVV-Fraktion in Kreuzberg, Daniel Wesener, begrüßt das: Die Grünen setzten sich für die Verbesserung des MieterInnenschutzes ein. So soll die 2011 auslaufende Regelung, die MieterInnen bei Umwandlung ihrer Wohnungen in Eigentumswohnungen 7 Jahre vor Eigenbedarfskündigungen schützt, verlängert und die Frist auf 10 Jahre ausgeweitet werden.

Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) kritisiert, dass der Senat eine vom Baugesetzbuch vorgesehene Verordnung, die die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten genehmigungspflichtig machen würde, noch immer nicht erlassen hat. Das wäre „ein wirkungsvolles Instrument zur Durchsetzung von MieterInneninteressen“. Die Willibald-Alexis-Straße 34 GmbH und Co.KG, eine Investorengruppe, die sich auf den Kauf von Altbauten spezialisiert hat, erklärt in einer Stellungnahme, MieterInnen würden von ihnen niemals ohne Grund gekündigt. Den BewohnerInnen der WAX 34 werfen sie „Profit durch Untervermietungen“ vor. Ihnen gehe es darum, „für wenig Miete in einem gefragten Kiez zu leben“.

Über die Zukunft des Hauses wird am heutigen Dienstag um 19.30 Uhr auf einer Stadtteilveranstaltung im Wasserturm geredet.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2011%2F02%2F08%2Fa0159&cHash=3743baeed0

PETER NOWAK


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