Integration ja – Assimilation nein

Erneut sorgt der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan bei seinem Besuch in Deutschland für Aufregung

Der türkische Politiker rief am vergangenen Samstag auf einer von 10.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund bejubelten Rede seine Zuhörer dazu auf, sich in Deutschland zu integrieren, aber nicht zu assimilieren. Dabei sparte er nicht mit nationalistischem Pathos. So erklärte der türkische Ministerpräsident:

„Niemand wird in der Lage sein, uns von unserer Kultur loszureißen. Unsere Kinder müssen Deutsch lernen, aber sie müssen erst Türkisch lernen.“

Dass er damit die Menschen mit türkischem Hintergrund als ein nationales Kollektiv betrachtet, für das er zu sprechen vorgibt, wäre in der Tat kritikwürdig. Diese Anmaßung wird auch von den vielen Betroffenen, die schon selber entscheiden wollen, welche Sprache sie und ihre Kinder lernen wollen, mit Recht zurückgewiesen.

Vorhersehbare Aufregung

Doch die Reaktionen in der politischen Klasse waren so vorhersehbar, wie auf Wählerstimmen schielend. Auf rechten Webseiten wird Erdogan wieder einmal als gefährlicher Islamist dargestellt, der mit Hilfe der türkischen Diaspora Einfluss auf Europa gewinnen will. Dabei sind auch sie gegen die Assimilitation von türkischen Menschen in Deutschland.

In diesen Kreisen stößt natürlich besonders sauer auf, dass Erdogan vor wachsenden Rassismus in Deutschland warnte. Nur wenig moderater ist die Erdogan-Kritik bei den politischen Parteien. Die CSU wirft ihm Aufwiegelung und Gefährdung der Integrationsbemühungen vor, für die sich Erdogan nun gerade stark gemacht hat. Auch der integrationspolitische Sprecher der FDP erklärte Erdogans Rede für abwegig.

Die Debatte erinnert an die Reaktionen auf eine Erdogans mit ähnlichen Inhalt im Jahr 2008 in Köln (siehe Integration oder Assimilation?). Im letzten Jahr sorgte der türkische Politiker mit seiner Forderung nach türkischen Schulen in Deutschland für Aufregung.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149359
 
Peter Nowak

Die Hartz-IV-Diskussion muss geerdet werden

Seit Wochen sind die Hartz IV-Sätze ein zentrales Thema in den Medien, die Betroffenen werden dabei aber meist gar nicht erwähnt.

Diese Entwicklung ist kein Zufall. Schließlich wurde die neue Debatte um die Hartz IV-Sätze durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im letzten Jahr ausgelost. Darauf hatten allerdings im Vorfeld auch einige Erwerbslosengruppen gesetzt. Es gab nur wenige Kritiker inner- und außerhalb der Erwerbslosenbewegung, die diese positive Bezugnahme auf die Justiz problematisierten. Denn damit werden wieder Staatsapparate und nicht die Betroffenen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Diese Warnungen sollten sich bald bewahrheiten.
       Schnell brach unter den politischen Parteien, die Hartz IV unterstützt und verteidigt hatten, ein Streit über die Konsequenzen des Richterspruchs aus. Dazu trug bei, dass er, wie alle juristischen Urteile auslegbar war. Entgegen mancher zu positiver Bewertung auch in Erwerbslosenkreisen schrieb er keineswegs eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze fest, sondern verlangte lediglich ihre transparente, nachvollziehbare Festlegung. Über die Umsetzung dieser richterlichen Vorgaben entbrannte fortan der Streit zwischen Regierung und Opposition. Dabei spielte auf beiden Seiten wahltaktische Überlegungen eine Rolle. Während SPD und Grüne im Vorfeld wichtiger Landtagswahlen ihre Verantwortung für die Einführung  Hartz IV vergessen machen wollen und sich als Interessenvertreter von Erwerbslosen aufspielen, geht es der Regierungskoalition vor allem  um die Senkung des Preises der Ware Arbeitskraft insgesamt, die mediengerecht als Stärkung des Wirtschaftstandortes Deutschland verkauft wird.

Senkung des Preises der Ware Arbeitskraft

Dabei spielt die Höhe des Hartz IV-Satzes eine entscheidende Rolle, die weit über die Diskriminierung von Erwerbslosen hinausgeht, wie sie Westerwelle und die FDP im letzten Jahr mit der Debatte über die spätrömische Dekadenz auf die Spitze getrieben hat.  In der öffentlichen Debatte wird noch immer zu wenig zu Kenntnis genommen, dass die Zahl der Menschen, die in  einen Vollzeitjob i so wenig verdienen, dass sie mit Hartz IV aufstocken müssen, kontinuierlich steigt. So verdienen nach Angaben des DGB-Arbeitsmarktexperten Wilhelm Adamy ein Drittel der Leiharbeiter weniger als 1200 Euro im Monat brutto. In Ostdeutschaland sind die Gehälter oft noch niedriger.     Das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit kommt in einer  Studie zu dem Schluss, dass Zeitkräfte im Schnitt 15 Prozent weniger verdienen als Stammbeschäftigte mit ähnlichen Aufgaben. Eine Untersuchung für das Arbeitsministerium in Nordrhein-Westfalen kommt bei Helfern sogar auf eine Lohnkluft von 45 Prozent. Dieser Niedriglohnsektor wurde im letzten Jahrzehnt  von CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne geschaffen. Der DGB hat ihn trotz anfänglichem Sträuben mittlerweile akzeptiert und macht Tarifabschlüsse im Leiharbeitsgewerbe.  Niedrige Hartz IV-Sätze sollen diesen Niedriglohnsektor zementieren. Hierin liegt auch der Grund, warum  sich die Bundesregierung so vehement weigert, über die Höhe des Hartz IV-Satzes mit sich reden zu lassen. Wenn SPD und  Grüne in die Verhandlungen das Thema Mindestlohn einbringen, ist das eigentlich, weil damit deutlich wird, dass die Hartz IV-Sätze kein Spezialproblem von Erwerbslosen sind. Doch  den beiden Hartz IV-Parteien geht es natürlich um Wahlkampftaktik. Eine Mobilisierung der Betroffenen  war von ihnen nicht zu erwarten. Die Linke, die sich ihren Platz in die Verhandlungsrunde über die Hartz IV-Sätze mit einer Klagedrohung erkämpfen musste, hat allerdings auch wenig zu ihrer Mobilisierung beigetragen. Ihre Verhandlungsführerin Dagmar Enkelmann sogleich kürzte für die Verhandlungen, den im Parteiprogramm festgelegten Hartz IV-Satz von 500 Euro  auf 420 Euro, was bei Erwerbslosengruppen auf Widerspruch stieß Hier stellt sich einmal mehr die Frage, warum eine linke Oppositionspartei die Interessen von Erwerbslosen nicht besser mit ihnen  auf der Straße und im Jobcenter vertreten kann, als in einer Verhandlungsrunde, wo sie als Zeichen ihrer Politikfähigkeit ihre eigenen Forderungen zurechtstutzt.            
 
Krach schlagen statt Kohldampf schieben
    Denn allen medialen Schein zum Trotz, gibt es weiter aktive Erwerbslose, die sich für ihre Rechte einsetzen. Sie finden sich meist nicht auf Großdemonstrationen sondern in Jobcentern, wo sie andere Erwerbslose begleiten und gemeinsam versuchen, Rechte durchzusetzen. Diese Zahltag genannten Aktionen werden in den Medien kaum wahrgenommen. Aber auch wenn die Erwerbslosen die Arbeitsagenturen und Jobcenter verlassen und ihren Protest auf die Straße tragen, haben sie es schwer, wahrgenommen zu werden. So hat sich  anlässlich des Gerichtsurteils zu den Hartz IV-Sätzen im letzten Jahr ein Bündnis aus autonomen und gewerkschaftlichen Erwerbslosengruppen gegründet, das unter dem Motto „Krach schlagen statt Kohldampf schieben“ am 10.Oktober im Oldenburg nach langen Jahren wieder eine bundesweite Erwerbslosendemonstration organisierte. Die zentrale Forderung war eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze um 80 Euro. Das Symbol des Bündnisses, ein Kochlöffel, der auf einen leeren Kochtopf schlägt, hat sich verbreitert. An  der bundesweiten Großdemonstration für gesunde Ernährung am 22. Januar Berlin beteiligte sich der „Krach-Schlagen-Block“  laut.  Wenn gesunde Ernährung nicht ein Privileg für Wenige sein soll, müssen alle genug Geld haben, um sie kaufen zu können, lautete das Argument für die Beteiligung. Dabei werden auch die Nahrungsmittelproduzenten wie den Milchbauern unterstützt, die, so die Berichterstattung des medialen Mainstream, durch geizige Verbraucher gezwungen wird, immer billiger zu produzieren. Dass der wachsende Niedriglohnsektor dazu führt, dass immer mehr Menschen auf billige Lebensmittel angewiesen sind, wird dabei nicht natürlich  geblendet. Die Aktivisten haben aber genau diesen Zusammenhang in den Mittelpunkt gestellt- 
Doch das Anliegen der Erwerbslosenaktaktivisten wurde in der Berichterstattung entweder total verschwiegen oder mit wenigen Sätzen abgetan. Das  Aktionsbündnis Sozialproteste hat zu einem bundesweiten Treffen mit der Frage eingeladen. „Wie lange noch werden die  Politiker über unsere Köpfe hinweg über unser Schicksal verhandeln?“ Die Frage ist nicht schwer zu beantworten.  Es muss wohl noch viel mehr Krach geschlagen werden, damit das Thema Hartz IV-Sätze den Parteien und Staatsapparaten entwunden und wieder auf den Straßen und in den Jobcentern dieser Republik ein Faktor wird.
Peter Nowak
Der Autor ist Herausgeber des Buches,  Zahltag, Zwang und Widerstand: Erwerbslose in Hartz IV. SBN: 978-3-89771-103-7 Preis: 7.80 Euro, Unrast-Verlag ( http://www.unrast-verlag.de/unrast,2,324,7.html)   

 aus:   ak 558 vom 18.2.2011  

http://www.akweb.de/

Sehnsucht nach der Schröder-SPD

Das Ergebnis der Urabstimmung der SPD in Schleswig-Holstein ist eine Richtungsentscheidung
Der Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein heißt Torsten Albig. Bei einer Urabstimmung der SPD-Mitglieder setzte sich der Kieler Oberbürgermeister mit 57,22 Prozent gegen den lange Zeit als Favoriten gehandelten Ralf Stegner durch. Stegner kam weit abgeschlagen auf nur 32,15 Prozent. Die Außenseiterkandidaten Brigitte Fronzek (9,09 %) und Matthias Stein (1,28 %) hatten keine Chance.

In seiner Deutlichkeit bedeutet das Abstimmungsergebnis eine herbe Niederlage für Stegner, der nun auch um seine Spitzenämter in der Partei fürchten muss. In dem Ergebnis spiegelt sich auch die Unzufriedenheit der Basis mit dem oft arrogant auftretenden Stegner wieder. Darüberhinaus offenbart die Wahl Grundlegendes, was die Ausrichtung der Partei anbelangt Stegner und Albig stehen für unterschiedliche Konzepte in der SPD.

Während Stegner den Sozialdemokraten ein soziales Profil geben wollte und ein neues Schulgesetz sowie eine kostenlose Kitabetreuung propagierte, lehnte Albig solche Forderungen ab, weil sie seiner Meinung nicht zu finanzieren sind.

„Ich kämpfe für Rot-Grün“, erklärte Stegner noch vor wenigen Tagen in einem Interview, wo er sich von seinen konservativeren Konkurrenten absetzen wollte. Der ehemaliger Sprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sieht er sich, wie sein ehemaliger Chef, noch heute als Erbe der Schröder-SPD. Als Kieler Oberbürgermeister hat er sich als Sprecher der mit der Bundespolitik unzufriedenen Kommunalpolitiker zu profilieren versucht.

Die Urabstimmung hat deutlich gemacht, dass die SPD-Basis Sehnsucht nach den Machern der Schröder-Ära hat. Der Erfolg des Schröder-Mannes Olaf Scholz hat diese Tendenz noch verstärkt. Jetzt hofft die SPD bei den durch einen Gerichtsbeschluss festgelegten vorgezogenen Wahlen in Schleswig Holstein auf einen Erfolg eines Kandidaten vom rechten Parteiflügel.

Sämtliche Absetzbewegungen von Schröder und Co., die es in den letzten Jahren in der SPD scheinbar gegeben hat, können nicht darüber hinwegtäuschen. Stegner könnte das Schicksal seiner Parteifreundin Andreas Ypsilantis teilen, die auch für die SPD zu links war, obwohl sie anders als Stegner Wahlen gewonnen hat.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149346

Peter Nowak

Auf den Spuren des NS-Terrors

Italienische Schüler beteiligen sich an Gedenkstättenfahrt
Bitterkalt war es auf dem Gelände der »Topographie des Terrors« in Berlin-Kreuzberg. Doch die jungen Leute aus Italien hörten mit großer Aufmerksamkeit einem Gedenkstättenmitarbeiter zu, der auf dem Areal die Grundstrukturen des nationalsozialistischen KZ-Systems erklärte. Später ging es in die Ausstellungshalle, wo auf zahlreichen Tafeln die Terrorpolitik der Nationalsozialisten erläutert wird. Dann strebten die Jugendlichen wieder zu den Bussen, das offizielle Programm war beendet. Die Teenager verabredeten sich zum Museumsbesuch.

 Gestern ging die Tour weiter. Eine Gruppe fuhr zum einstigen Konzentrationslager Sachsenhausen, eine andere nach Ravensbrück. Auch ein Besuch der Gedenkstätte deutscher Widerstand, der Blindenwerkstatt Otto Weidt in den Hackeschen Höfen und des Zwangsarbeiterlagers in Schöneweide gehörten zum umfangreichen Programm der viertägigen Reise. Das Berliner Olympiastadion als Prototyp einer NS-Architektur wurde ebenfalls von einer Schülergruppe besucht.

Alle Termine werden vor- und nachbereitet. Denn die Jugendlichen sind Absolventen der Oberschulen in der italienischen Region Reggio Emilia bei Bologna. Dort stehen seit Ende der 90er Jahre die Themen Faschismus, Verfolgung, Deportation und Widerstand in den Lehrplänen. Die Gedenkstättenfahrten werden vom italienischen Geschichtsinstitut Istoreco organisiert.

Jedes Jahr steht eine andere Region auf der Agenda. »In den letzten Jahren haben wir Fahrten zur Gedenkstätte Dachau, nach Theresienstadt und nach Auschwitz organisiert«, so ein Istoreco-Mitarbeiter. In diesem Jahr stehen Berlin und Brandenburg auf dem Programm. Die Erfahrungen seien sehr positiv, was auch an dem von Jahr zu Jahr gestiegenen Interesse an den Fahrten deutlich wird. Diesmal sind rund 1000 Schüler dabei.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/191903.auf-den-spuren-des-ns-terrors.html

Peter Nowak

„FREE ASSANGE“ – NICHT IN UNSEREM NAMEN!

Gegen einseitige Parteinahme für Julian Assange und die Vorverurteilung von Anna A. und Sofia W.!

Julian Assange ist der Medienstar dieser Tage. Für seine Fangemeinde rund um die Welt war es von Anfang an klar, dass der Wikileaks-Gründer von den Mächtigen fertig gemacht werden soll, weil er deren Geheimpapiere öffentlich machte. Im Namen der Unschuldsvermutung wurde der Beschuldigte in hastig inszenierten „FREE ASSANGE“-Kampagnen zum Unschuldslamm und Märtyrer stilisiert, während die beiden betroffenen Frauen, Anna A. und Sofia W., in unerträglicher Weise stigmatisiert, denunziert, diskreditiert und kriminalisiert werden. Als „Honeytrap“, Honigfalle, wurde das Thema in den Medien – und in der Linken – abgehandelt: Ein abgekartetes Spiel der beiden intriganten Schwedinnen gegen Julian Assange – im Auftrag des CIA.

Natürlich sollte diese Möglichkeit mitbedacht werden. Im Rahmen der Unschuldsvermutung muss sie sogar mitbedacht werden. Aber als eine von mindestens zwei Optionen. Die Unschuldsvermutung muss selbstverständlich für beide Seiten gelten.

Wir sind ganz entschieden gegen eine einseitige Parteinahme für Julian Assange und die durch Verschwörungstheorien und Feminismusphobie genährte Vorverurteilung von Anna A. und Sofia W.!

Julian Assange soll in Schweden vernommen werden. Das ist kein Anschlag auf die Pressefreiheit durch die dortigen Behörden, sondern schlicht und ergreifend praktizierter Opferschutz. Opferschutz eines Justizsystems, in dem eindeutig die Befindlichkeiten der (zumeist weiblichen) Opfer im Mittelpunkt stehen.

Die Wahrheit über die Vorfälle zwischen Julian Assange, Anna A, und Sofia W. in jenen Tage im August 2010 kennen wir alle nicht, diese ans Licht zu bringen sollte Aufgabe der schwedischen Justiz sein. Julian Assange streitet die Vorwürfe der sexuellen Belästigung ab. Also sollte es in seinem ureigensten Interesse sein, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt. Wenn er tatsächlich zu Unrecht beschuldigt wird, hat er ein Recht darauf, dass Anna A. und Sofia W. juristisch belangt werden.

Bei Licht betrachtet hat Julian Assange zur Klärung des Sachverhaltes bislang nichts beigetragen. Anstatt nach Schweden zu reisen, eine Aussage zu machen und die Vorwürfe aus der Welt zu schaffen, unterhält er einen internationalen Stab von AnwältInnen, um einer Vernehmung durch die schwedischen Behörden zu entgehen. Warum eigentlich?

Wenn die Geschichte von Anna  A. und Sofia W. stimmt, dann setzt Julian Assange Gewalt ein, um seine sexuellen Gelüste zu befriedigen. Und dann gehört er in den Knast. Sexuelle Gewalt ist kein Kavaliersdelikt, auch nicht bei einem Mann wie Julian Assange, der ja mit der großen Weltpolitik beschäftigt ist und deshalb von zwei Frauen nicht behelligt werden soll, die sich gegen „Banalitäten“ wie sexuelle Übergriffe wehren.

Sexuelle Gewalt ist Folter!!!

Es gibt keinen Grund, aufgeregte Pro-Assange-Kampagnen zu inszenieren, die als Votum für die Pressefreiheit verkauft werden, und wo en passant mühsam erkämpfte demokratische und Frauenrechte wie das Recht auf Opferschutz mit Füßen getreten werden. Außerdem ist Julian Assange nicht Wikileaks – und Wikileaks ist nicht Julian Assange. Die Arbeit würde nicht gestoppt, auch wenn der Schutzpatron aller geheimen Informanten im Knast säße.

An dem oben beschriebenen gängigen Deutungsmuster haben vor allem Medien kräftig mitgestrickt. Deshalb finden wir, ist es an der Zeit, dem etwas entgegenzusetzen, und als Publizierende laut und deutlich zu sagen:

FREE ASSANGE – NICHT IN UNSEREM NAMEN!

Pressefreiheit und Unterstützung des Medienprojekts Wikileaks: JA!

Bedingungslose Solidarität mit Julian Assange: NEIN!

Max Böhnel, Journalist, Montclair, NJ – USA, Birgit Gärtner, Journalistin, Hamburg,

Peter Nowak, Journalist, Berlin, Jan Tölva, Journalist und Autor, Berlin.

Wir laden alle Kolleginnen und Kollegen, Medien-, Kunst- und Kulturschaffenden ein, diesen Aufruf zu unterstützen.

Mail mit dem Einverständnis zur Veröffentlichung des Namens als Mitunterzeichner/in an:

Free-Assange-Not-In-Our-Name@web.de

http://www.freitag.de/community/blogs/peter-nowak/free-assange–nicht-in-unserem-namen

Liebig heißt jetzt Scharni

Die Scharnweberstraße 29 soll teilgeräumt werden – der Eigentümer begründet den Rausschmiss mit Vertragsverletzung. Bürgermeister Schulz unterstützt das Hausprojekt in Friedrichshain.

Knapp einen Monat nach der Räumung der Liebigstraße 14 droht in Friedrichshain erneut ein Polizeieinsatz zur Durchsetzung von Vermieterinteressen: Am 3. März soll das Erdgeschoss der Scharnweberstraße 29 geräumt werden. Dort hatte auch ein Schenkladen sein Domizil, in dem gebrauchte Dinge kostenlos abgegeben wurden. Im April öffnet der Laden in der Jessnerstraße 41 neu. „Obwohl wir uns einer gerichtlichen Entscheidung fügen, um unser Projekt am Leben zu halten, akzeptieren wir das Vorgehen des Eigentümers Gijora Padovicz nicht“, erklärt Silke Pflüger (Name geändert) vom Schenkladen. Padovicz hatte die Räume mit der Begründung gekündigt, dass in den abgeschlossenen Verträgen eine Nutzung zu Wohnzwecken vorgesehen sei. „Uns wurde von Padovicz damals ein Wohnmietvertrag aufgenötigt, obwohl wir in den Verhandlungen betonten, dass wir im Erdgeschoss Vereinsräume des Scharnweber e. V. einrichten wollen“, betont Pflüger.

Weil das Geld des Förderprogramms „Soziale Stadterneuerung“ nur für Wohnraumsanierung fließt, seien die Interessen der MieterInnen ignoriert worden. Vor Gericht bekam Padovicz mit seiner Klage Recht. „So dienen öffentliche Mittel dem Profitinteresse des Eigentümers. Ein soziales Projekt muss weichen“, resümiert Pflüger bitter.

Größere Chancen für die MieterInnen sieht ihr Rechtsanwalt Burkhard Dräger in einem anderen Konflikt. Am 7.Oktober 2010 ließ Padovicz die seitdem leerstehende erste Etage des Hauses räumen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Urteile des Landgerichts Berlin, die zur Räumung führten, aufgehoben und die Angelegenheit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Anspruch der Mieter auf rechtliches Gehör sei erheblich verletzt worden, rügt der BGH die Richterin, die der Kündigung wegen einer um einen Tag zu spät gezahlten Miete sowie einer Mietminderung nach einem Heizungsausfall stattgegeben hatte.

Jetzt will Dräger juristisch durchsetzen, dass die ehemaligen MieterInnen die Wohnungen wieder beziehen können. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung scheiterte bisher, weil keine ladefähige Postadresse der Eigentümer vorlag. Dort wollte auf Nachfrage der taz die Vorwürfe niemand kommentieren.

Bei einem Treffen mit der Der Dreh:Mieterberatungsstelle Asum und Kreuzbergs Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) erhielten die MieterInnen Unterstützung. „Der Bezirk ist daran interessiert, dass der Verein im Gebäude sein Hausprojekt verwirklichen kann“, sagte Schulz der taz. Bei einem Gespräch mit dem Bürgermeister am vergangenen Dienstag lehnte Padovicz einen Räumungsaufschub ab. Trotzdem will Schulz die Moderationsversuche auch bei den anderen Konflikten fortsetzen. So beklagen die MieterInnen gegenüber der taz, dass ihnen jede Untervermietung untersagt sei und von ihnen vorgeschlagene NachmieterInnen abgelehnt werden. Auch der Asum-Geschäftsführer Werner Oehlert spricht sich für Verhandlungen zwischen den MieterInnen und dem Eigentümer aus. Schließlich habe der eine soziale Verpflichtung, wenn er die Häuser mit öffentlichen Geldern finanziere. Oehlert betonte allerdings, die Mittel des Bezirks seien begrenzt. Der habe bei Neuvermietungen ein Vorschlags-, kein Belegungsrecht.

Mittlerweile steht die Protestagenda. Am 3.März gibt es ab 10 Uhr vor der Scharni 29 eine Kundgebung gegen die Räumung. Auch am kommenden Samstag startet um 16 Uhr eine Demonstration vor dem Haus. Schon um 14 Uhr wird dagegen am Boxhagener Platz für eine Räumung demonstriert. Es geht um den seit Jahren bestehenden, bei Rechten beliebten Thor-Steinar-Laden „Tromsö“, gegen den die Friedrichshainer „Initiative gegen Rechts“ mobilisiert.

 http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/liebig-heisst-jetzt-scharni/

Peter Nowak

»Schlag ins Gesicht«

Aktivistin Brigitte Vallenthin über eine Hartz-IV-Reform, die keine ist / Brigitte Vallenthin ist Gründerin der »Hartz4-Plattform«. Kürzlich ist ihr Buch »Ich bin dann mal Hartz IV« erschienen

ND: Wie wird das Ergebnis der Hartz-IV-Verhandlungen bei den Betroffenen aufgenommen?
Vallenthin: Es wird als Schlag ins Gesicht wahrgenommen. Die Erhöhung um fünf Euro gleicht nicht einmal die Teuerungsrate aus. Die Missachtung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ist offenkundig. Das Gericht hatte eine transparente Berechnung angemahnt. Nun soll es in diesem Jahr ein Häppchen beim Existenzminimum geben und im nächsten Jahr noch einmal ein Häppchen verteilt werden. Das ist absurd, denn wenn die fünf Euro nicht dem Existenzminimum entsprechen, muss die Erhöhung sofort erfolgen.

Wie beurteilen Sie die Rolle der SPD bei den Verhandlungen?
Wir haben die Rückkehr der Agenda-2010-SPD erlebt. Es ist sicher kein Zufall, dass das Ergebnis der Verhandlungen erst nach der Hamburg-Wahl bekannt gegeben wurde, wo mit Olaf Scholz ein erklärter Hartz-IV-Befürworter gewonnen hat. Die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss werden von einem großen Teil der Betroffenen als Täuschungsmanöver wahrgenommen. Es ging nicht um ihre Interessen, sondern um parteipolitisches Kalkül.

Sie kritisieren in Ihrem Buch, dass Hartz IV zu sehr auf den finanziellen Aspekt reduziert wird. War die Debatte dann nicht ohnehin ganz falsch angelegt?
Der Regelsatz ist wichtig. Durch die Fokussierung auf die finanzielle Seite wird allerdings oft nicht genug erwähnt, welche weiteren Verschlechterungen auf die Betroffenen zukommen.

Können Sie einige Beispiele nennen?
Bisher musste das Amt den Betroffenen vor Sanktionen eine rechtsmittelfähige schriftliche Ankündigung machen. In Zukunft soll es ausreichen, wenn der Sachbearbeiter behauptet, der Erwerbslose habe von den Sanktionen Kenntnis.

Eine weitere Verschlechterung ist die Pauschalierung der Kosten für die Unterkunft durch die Kommunen. Sie können künftig einen bestimmten Betrag für die Miet- und Heizkosten festlegen. Den Rest muss der Erwerbslose von seinem Regelsatz zahlen. Es ist zu befürchten, dass die klammen Kommunen die Summe nach Kassenlage bestimmen werden. Verbände warnen schon jetzt vor steigender Obdachlosigkeit von Erwerbslosen.

War es nicht ohnehin illusorisch, von einem Richterspruch Verbesserungen für Erwerbslose zu erwarten?
Es ist immer trügerisch, zu viele Hoffnungen in den Staat und in die Gerichte zu setzen. Doch der Gang nach Karlsruhe hat den Erwerbslosen mehr Öffentlichkeit gebracht. Es gab eine kurze Zeit nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wo nicht nur Propaganda durch den Blätterwald rauschte. Es wurde auch über die tatsächliche Situation der Betroffenen geredet. Deswegen werden wir von der Hartz4-Plattform nach Inkrafttreten des Gesetzes erneut den Rechtsweg beschreiten, ohne uns Illusionen über die Gerichte zu machen.

Zeigt die Orientierung vieler Erwerbsloser an den Gerichten nicht auch eine Schwäche der Erwerbslosenbewegung?
Dass die Betroffenen schwer zu mobilisieren sind, liegt unter anderem daran, dass ihnen das Geld fehlt, um zu Demonstrationen zu fahren. Außerdem hat das Hartz-IV-Regime nicht nur eine finanzielle Seite. Das muss man immer wieder betonen. Die damit verbundenen Schikanen und Demütigungen setzen viele Betroffene psychisch so unter Druck, dass sie nicht mehr die Kraft zu Protesten haben.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/191781.schlag-ins-gesicht.html

Fragen: Peter Nowak

Freiheit des Gewissens

Der Protest gegen Werbeveranstaltungen der Bundeswehr an der Schule ist in der letzten Zeit gewachsen. Neben Schülern und Lehrern engagieren sich mittlerweile auch Elternverbände für einen Unterricht ohne Militär. So hat der »Bayerische Elternverband e.V.« kürzlich eine Petition an den bayerischen Landtag initiiert, in der gefordert wird, dass Schüler aus Gewissensgründen einer Bundeswehr-Veranstaltung fernbleiben können und für sie ein Ersatzunterricht angeboten werden muss. In der Begründung für die Petition verweist die Landesvorsitzende des Bayerischen Elternverbandes Maria Lampl auf die Kooperationsabkommen zwischen den Bundesländern und der Bundeswehr. Die habe dadurch große Einflussmöglichkeiten im Bereich der politischen Bildung der Schüler, sowie der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrer und Referendare bekommen. Zudem kann die Bundeswehr nun den Schulen von sich aus Angebote von Informationsveranstaltungen machen, moniert Lampl.

Auch die politischen Hintergründe des verstärkten Interesses der Bundeswehr an Schulveranstaltungen werden in der Petition präzise benannt: »Der Wandel der Bundeswehr von einer reinen Verteidigungstruppe zu einer Interventionsarmee ist politisch gewollt und vollzogen.« Nach der Abschaffung der Wehrpflicht wächst das Interesse des Militärs, gezielt Interessenten für eine Freiwilligenarmee zu werben. Dafür sind neben Jobcentern die Schulen ein wichtiges Rekrutierungsfeld, wo junge Menschen mit unsicheren Zukunftsperspektiven erreicht werden können. Zur Gegenbewegung gehören Resolutionen der GEW ebenso wie Aktionen von militärkritischen Schülern gegen die Bundeswehrwerbung bis zur Petition des bayerischen Elternverbandes. Damit wird deutlich, dass ein antimilitaristisches Bewusstsein in Teilen der Bevölkerung nicht nur vorhanden ist, sondern sich auch politisch artikuliert.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/191740.freiheit-des-gewissens.html

Peter Nowak

Keine Post mehr vom Arbeitsamt

Der Erwerbslosenaktivist Werner Braeuner tötete 2001 den Chef eines Arbeitsamtes. Seit zehn Jahren sitzt er dafür im Gefängnis. Eine Veranstaltung in Berlin erinnert an seinen Fall.
Am 6. Februar 2001 wurde der Direktor des Arbeitsamtes Verden bei Bremen, Werner Herzberg, von dem Erwerbslosen Werner Braeuner erstochen. Braeuner war zuvor die Arbeitslosenhilfe, seine einzige EinnaEinnahmequelle gestrichen worden. Die Tat sorgte damals für großes Aufsehen. „Warum musste Werner Herzberg sterben?“, lautete der Titel eines Films, in dem der  Regisseur Martin Kessler den Hintergründen nachging.    „Wenn der Begriff von mildernden Umständen ein Sinn hat, dann hier“, schrieb der Mitbegründer der Gruppe „Die glücklichen Arbeitslosen“  Guillaume Paoli vor Prozessbeginn im August 2001. Zahlreiche Freunde Braeuners, darunter Aktivisten aus der französischen Erwerbslosenbewegung, appellierten in einem Offenen Brief: „Lassen wir Werner nicht fallen“.   „Die Gewalttätigkeit dieser Tat ist erschreckend, sie ist aber eine direkte Reaktion auf erlittene Gewalt und Ohnmacht. Werner ist das Thermometer einer steigenden Spannung“, hieß es in dem Brief. Der Gewerkschafter Werner Leicht schrieb:    „Werners Verzweiflungstat ist verständlich, aber nicht zu rechtfertigen, und sie ist kein „Ausweg“ aus der Misere.“  Französische Aktivisten besetzte sogar am 9. Juli 2001 das Informationszentrum der Deutschen Botschaft in Paris, um „gegen die übertriebene Medienhetze… gegen Werner Braeuner zu protestieren“, wie es in einer Erklärung heißt.
Nachdem er zu einer 12jährigen Haftstrafe verurteilt worden war, wurde es still um Werner Braeuner. Doch mehr als 10 Jahre nach der Tat und 2 Jahren vor seiner Haftentlassung wächst das Interesse an Braeuner wieder. Am vergangenen Montag berichtete Thomas Bodenstein aus Hameln auf Einladung des Erwerbslosentreffes im Berliner Stadtteilladen Lunte über die aktuelle Situation des Häftlings. Die Veranstaltung hatte auch das Ziel, die Vorgeschichte der Aktion zu thematisieren. Schließlich sei die Wut nach Sanktionen und Schikanen am Amt groß und in Internetforen von Erwerbslosen wurde auch schon mal die Meinung geäußert, dass es verwunderlich ist, dass nicht öfter solche Aktionen  passieren.

 Bodenstein hatte  zufällig einen  Text von Braeuner im  Internet  gefunden, der ihn sehr ansprach und daraufhin Briefkontakt aufgenommen. Als er ihn zu  einem Besuch einlud, zögerte Freudenthal nicht. Seitdem gehört er zu den wenigen ständigen Besucher von Braeuner.    Auf der Veranstaltung verteilte Bodenstein ein Informationsblatt  mit  Ratschlägen für  potentielle Gefangenenbesucher.  Denn durch seine Besuche wurde er für die Situation der Gefangenen sensibilisiert.
Kampf gegen Gefängnisarbeit 
In einem Radiointerview berichtete Braeuner über seine Haftsituation: „Ich war einem Haftraum von 7 ½ Quadratmetern, offene Toilette, 23 Stunden Einschluss und mit einem zweiten Gefangener musste ich mir die Zelle die ganze Zeit teilen.“  Auf Vergünstigungen konnte Braeuner nicht hoffen, weil er nach einer Zeit der Apathie nach seiner  Verurteilung auch das Gefängnis als  Kampffeld  sah. So verweigert er seit dem 12. Juni 2010 im Gefängnis Sehnde bei Hannover  die Arbeit.  In einer Erklärung verglich er diese Aktion mit  seinen Kampf gegen Zwangsmaßnahmen vom Arbeitsamt. Mit den Themen Zwangsarbeit und Widerstand dagegen  hat sich Braeuner auch in einigen Texten beschäftigt, die durch die Mitarbeit von Unterstützer wie Thomas Bodenstein mittlerweile auch  im Internet veröffentlicht sind. Der Kontakt zwischen beiden Männern dürfte auch nach der Haftentlassung nicht abbrechen. Bodenstein hat auf der Veranstaltung betont, dass Braeuner nicht wie manch anderer Gefangener seine  ersten Tage in Freiheit in einem Obdachlosenasyl verbringen muss.   

https://www.neues-deutschland.de/artikel/191574.keine-post-mehr-vom-arbeitsamt.html?sstr=Werner|Braeuner

Peter Nowak

Kampagne gegen NPD-Zentrum

 Antifaschistische Gruppen mobilisieren in Leipzig für die Schließung eines rechten Treffpunkts, den es seit 2008 in der Odermannstraße 8 im Stadtteil Lindenau gibt. Dort befindet sich das Bürgerbüro des sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Winfried Petzold. Nach Angaben der Leipziger Antifagruppen dient es als Zentrum verschiedener nationalistischer Gruppen. So fanden in dem Gebäude Kampfsportübungen, Kameradschaftsabende, Rechtsrockkonzerte und politische Schulungen statt. Seit der Eröffnung gibt es regelmäßig Proteste gegen das Zentrum. Zuletzt blockierten am 16. Oktober hunderte Antifaschisten die Zugänge. An diesen Widerstand wollen die Nazigegner ebenso anknüpfen, wie die an die Kampagne »Schöner leben ohne Naziläden«, mit der Antifagruppen in den vergangenen Jahren in verschiedenen ostdeutschen Städten rechte Zentren geoutet haben. »Wir überlassen den Nazis kein Haus, keine Straße, keinen Kiez«, heißt es in dem Leipziger Kampagnenaufruf.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/191573.bewegungsmelder.html

Peter Nowak

www.fenceoff.org

Versammlungsrecht gilt auch an Flughäfen

Das Bundesverfassungsgericht stärkt das Demonstrationsrecht
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 22. Februar das Demonstrationsrecht gestärkt. Es stellte fest, dass von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform, ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegen. Deshalb gilt die Versammlungsfreiheit auch an Flughäfen und Bahnhöfen.

Allerdings sind wegen der „besonderen Störanfälligkeit eines Flughafens“ nach der Entscheidung Einschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich. So werden auch in Zukunft keine Demonstrationen auf dem Rollfeld, wohl aber in der Flughafenhalle möglich sein. Das wollte die Betreiberin des Flughafens Frankfurt/Main, die Fraport Aktiengesellschaft, verhindern. Julia Kümmel, Aktivistin einer antirassistischen Initiative, die im März 2003 vor dem Abfertigungsschalter in der Flughafenhalle Flugblätter gegen die Abschiebung von Flüchtlingen über diesen Airport verteilt hatte, wurde von dem Unternehmen ein Flughafenverbot erteilt.

Sie hätte mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch rechnen müssen, wenn sie erneut auf dem Flughafenareal angetroffen worden wäre. Sammlungen, Werbungen sowie das Verteilen von Flugblättern bedürften ihrer Einwilligung und „nicht abgestimmte Demonstrationen im Terminal würden aus Gründen des reibungslosen Betriebsablaufes und der Sicherheit grundsätzlich nicht geduldet“, hieß es in der Begründung.

Dagegen klagte die Frau. Während zwei juristische Instanzen und der Bundesgerichtshof der Fraport Recht gegeben hatten, siegte Kümmel nun vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Unternehmen habe ihre Versammlungs- und Meinungsfreiheit verletzt, befanden die Richter. Die Fraport AG begrüßte in einer knappen Erklärung, dass nach der Entscheidung Rechtssicherheit herrsche, betonte aber auch, dass „das Urteil nicht bedeute, dass von jetzt an unbegrenzt Demonstrationen in den Terminals stattfinden können.“

Gegen demokratiefreie Zonen in den Innenstädten

Die Entscheidung wird auch für die Versammlungsfreiheit von Bahnhöfen und öffentliche Einkaufszentren Folgen haben. So heißt es in der Urteilsbegründung:

„Wenn heute die Kommunikationsfunktion der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze zunehmend durch weitere Foren wie Einkaufszentren, Ladenpassagen oder sonstige Begegnungsstätten ergänzt wird, kann die Versammlungsfreiheit für die Verkehrsflächen solcher Einrichtungen nicht ausgenommen werden, soweit eine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht oder Private im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Anspruch genommen werden können.“

Auch der Wunsch „eine Wohlfühlatmosphäre in einer reinen Welt des Konsums zu schaffen“, begründe keine Einschränkung von Grundrechten.

Damit reagiert das Gericht auf Einwände von bürgerrechtlichen Organisationen, die seit fast 20 Jahren vor der Privatisierung öffentlichen Raums und der Umwandlung zu politikfreien Zonen warnen und unter anderem mit sogenannten Innenstadtaktionstagen dagegen protestierten. 
 
http://www.heise.de/tp/blogs/8/149321

Peter Nowak

Nicht mitmachen beim Angriff auf das Streikrecht

ver.di- und IG Metall-Mitglieder debattieren zur Gesetzesinitiative »Tarifeinheit«

Der Bremer Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler berät seit Jahren Betriebsräte und Vertrauensleute juristisch und war auch schon öfter Gutachter für DGB-Gewerkschaften. Da musste es schon einen besonderen Grund haben, wenn er bei einer Veranstaltung des ver.di-Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie des Landesbezirks Berlin-Brandenburg in der Berliner Verwaltungsstelle
der IG-Metall am 30. November 2010 gleich zu Beginn seines Referats betonte, dass ihn besonders freue, dass die Veranstaltung in diesen Räumen möglich ist. Schließlich war Däubler zu einem Vortrag über die Gesetzesinitiative des DGB und der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände zur sogenannten Tarifeinheit eingeladen worden, die gewerkschaftsintern für große Kontroversen sorgt. Danach soll in einem Betrieb nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft gelten, die die meisten
Mitglieder hat. Alle anderen Beschäftigtenorganisationen müssten sich während der Laufzeit dieses Vertrages an die Friedenspflicht halten und dürfen nicht dagegen streiken. Viele Gewerkschafter sehen darin einen Angriff auf das Streikrecht und
sind empört, dass die DGB-Gewerkschaften dabei Hilfestellung leisten. Constanze Lindemann vom ver.di- Fachbereich Medien, Kunst und Industrie bekam viel Zustimmung für ihre Kritik, dass die Initiative ohne innergewerkschaftliche Debatte von den Gewerkschaftsvorständen in die Wege geleitet worden ist. Danach lieferte Däubler den Kritikern der Tarifeinheitsinitiative eine Reihe Argumente. In rechtlicher Hinsicht sei sie kaum praktikabel, meinte er. Allein um die Stärke der Gewerkschaften
festzustellen, sei eine aufwändige bürokratische Prozedur nötig. Zahlreiche Rechtsstreitigkeiten seien schon jetzt vorhersehbar. Zudem gab der Arbeitsrechtler zu bedenken, dass vor allem in kleineren Betrieben die Gefahr bestehe, dass die Unternehmer ihnen genehme Organisationen förderten, die so zur stärksten Gewerkschaft werden, die Tarifpolitik bestimmen könnten, während ver.di oder eine andere DGB-Gewerkschaft nicht dagegen vorgehen könnte. Dieses Szenario ist nicht unrealistisch. Schließlich gibt es schon heute Betriebe, wo ver.di in der Minderheit ist.
Däubler hatte auch kein Verständnis für die Argumentation der Tarifeinheitsbefürworter im DGB. Vor allem die Furcht vor zu vielen Arbeitskämpfen, könnte er bei Gewerkschaftern überhaupt nicht nachvollziehen, zumal gerade Deutschland eines der streikärmsten Länder Europas ist. Dass eine zunehmende Zersplitterung der eschäftigtenvertretungen die Tarifpolitik auch für Gewerkschaften
schwieriger macht, leuchtet dem Arbeitsrechtler dagegen ein. Doch die Zuflucht zu administrativen Maßnahmen wie der Gesetzesinitiative werde garantiert die Sympathien der DGB-Gewerkschaften bei den Kollegen, die sich in anderen Organisatoren organisiert haben, bestimmt nicht fördern. Die seien erst wegen Versäumnissen und Fehlern der Gewerkschaftspolitik entstanden, weil den Beschäftigten, die in der Lage sind, einen Arbeitskampf zu führen, keine attraktiven Angebote gemacht wurden, um sie im DGB zu halten, monierte Däubler. Er bezeichnete die Beteiligung des DGB an der Tarifeinheitsinitiative als Schuss ins eigene Knie. Damit werde konservativen Kreisen Tür und Tor geöffnet, die schon lange das Streikrecht weiter einschränken wollen und beispielsweise ein obligatorisches Schlichtungsverfahren Arbeitskämpfen vorschalten wollen. Gewerkschafter haben historisch für die Ausweitung des Streikrechts gekämpft und sollten jetzt nicht denen die Hand reichen, die es einschränken  wollen, meinte Däubler unter dem Applaus der Zuhörer. Die etwa 80 anwesenden Mitglieder verschiedener Einzelgewerkschaften
unterstützten einstimmig eine Resolution zur Verteidigung des Streikrechts, in der es heißt: »Die zweifellos wichtige größtmögliche
Einheit unter den ArbeitnehmerInnen darf keine Sache staatlichen Zwanges werden, bei dem dann nicht mehr nach dem Sinn und Zweck dieser Einheit für die ArbeitnehmerInnen selbst gefragt wird, sondern Unternehmenswohl und Staatsräson im Vordergrund stehen.«

http://medien-kunst-industrie.bb.verdi.de/sprachrohr/#ausgaben-2011
Peter Nowak

Beobachtung rechtswidrig

Verfassungsschutz durfte Daten nicht weitergeben
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfVS) kassierte gleich zwei juristische Niederlagen gegen den Journalisten Friedrich Burschel.

Ein knappes Jahrzehnt war der Journalist vom Verfassungsschutz (VS) beobachtet worden. In seiner Akte waren neben Artikeln zu antifaschistischen und antirassistischen Themen aus unterschiedlichen Zeitungen auch Demonstrationsanmeldungen aufgelistet, beispielsweise zu einem Ostermarsch in Weimar. Ein Negativvotum des VS hatte 2007 dazu geführt, dass Burschel die schon gewährte Akkreditierung zum G8-Gipfel in Heiligendamm wieder entzogen wurde. Der VS hatte sich dabei auf die Erkenntnisse in der Akte gestützt. Schon im Frühjahr 2009 hatte das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass das BfVS mit der Abgabe des Votums rechtswidrig gehandelt hatte. Die gleiche Kammer empfahl dem Amt im Dezember, sämtliche über Burschel gesammelten Daten zu löschen und seine Beobachtung einzustellen. Das BfVS nahm den Vorschlag an.
„Die Stigmatisierung des Klägers zum gefährlichen Linksextremisten fiel vor Gericht wie ein Kartenhaus zusammen“, kommentierte der Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der Burschel vertreten hatte, den Ausgang der Klage. Burschel zeigt sich gegenüber M über den juristischen Erfolg sehr erleichtert. „Für mich hat das Urteil zur Folge, dass ich mich nicht mehr einem Hintergrundverdacht ausgesetzt sehe, der mein berufliches Leben enorm eingeschränkt hat. Zweimal habe ich auf indirektem Wege einen Job durch diesen Stempel ‘linksextrem’ eingebüßt“, erklärte der Publizist, der bei seiner Klage von ver.di unterstützt worden ist. Mit Verweis auf das VS-Dossier war Burschel im Focus und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Extremist diffamiert worden. Der Journalist sieht in dem Urteil auch ein Signal über seinen individuellen Fall hinaus: „Das Gericht hat sehr deutlich auf das Grundgesetz und Verfassungsgerichtsurteile rekurriert und festgestellt, dass Demonstrationsanmeldungen und zugespitzte journalistische Texte keine Beobachtung rechtfertigen.“ 

http://mmm.verdi.de/archiv/2011/01-02/recht/beobachtung-rechtswidrig

 Peter Nowak

Zu Unrecht verweigert

Klagen lohnt sich. Diese Erfahrung konnten im Jahr 2010 Kamil Majchzak (siehe M 12/2010) und Friedrich Burschel (in dieser Ausgabe) machen. Beiden Journalisten war die Akkreditierung zum G8- bzw. Natogipfel zu Unrecht verweigert wurden, wie die Gerichte feststellten. Schon die Datensammlung, die zu der Ablehnung führte, war rechtswidrig. Ende gut – alles gut? Leider nicht. Die Kollegen hatten finanzielle Einbußen, weil sie von den Gipfeln nicht berichten konnten. Burschel wurde von konservativen Medien in die Extremistenecke gestellt und verlor zweimal seinen Job. Noch immer sind im Internet die diskriminierenden Artikel mühelos zu finden.
Über das Burschel entlastende Urteil hingegen berichteten wenige Medien. Die Zeitungen, die so schnell mit Vorverurteilungen bei der Hand waren, brachten keine Zeile. Zudem waren nicht nur die beiden Journalisten von der Akkreditierungsverweigerung betroffen. Doch die anderen wollten den langen Rechtsweg nicht beschreiten, was auch Burschel und Majchzak nur mit Unterstützung von ver.di möglich war. Ihre juristischen Erfolge können auch nicht verhindern, dass bei kommenden politischen oder sportlichen Großereignissen wieder Journalisten ausgeschlossen werden. Denn die Urteile gelten nur für den konkreten Fall. Es kann aber nicht hingenommen werden, dass Journalisten keine Entschädigung bekommen, obwohl ihnen Gerichte bescheinigten, dass sie zu Unrecht an der Ausübung ihres Berufes behindert wurden. Ganz wichtig ist es jetzt, Vorsorge zu treffen, dass solche Einschränkungen der Pressefreiheit nicht mehr möglich sind.
Die Mittel liegen längst bereit. So haben sich die Journalisten- und Medienorganisationen dju in ver.di und DJV, gemeinsam mit ARD, ZDF, den Verlegerverbänden für Zeitungen und Zeitschriften, des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien und dem Deutschen Presserat auf Eckpunkte und Grundsätze zur Akkreditierung geeinigt (http://dju.verdi.de). Sie sehen einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf die Akkreditierung eines Journalisten vor. Die soll nur noch verweigert werden können, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Journalist durch sein Verhalten die Sicherheit der Veranstaltung stört.
Eine „falsche“ politische Einstellung würde dann zur Zurückweisung eines Journalisten nicht mehr ausreichen. Jetzt müssen diese Akkreditierungsgrundsätze auch von den Veranstaltern der Großereignisse akzeptiert werden. Dabei könnte eine größere öffentliche Debatte den Druck erhöhen.

 http://mmm.verdi.de/archiv/2011/01-02/kommentiert-aufgespiest-zu-unrecht-verweigert-ernuchternde-bilanz

Peter Nowak

In Dresden wurde der Naziaufmarsch verhindert

Nach erfolgreicher Blockade Razzia beim Bündnis Dresden Nazifrei
Seit dem frühen Morgen waren Tausende Menschen aus ganz Deutschland auf den Beinen, um zu verhindern, dass Neonazis durch die Stadt demonstrieren. Am späten Nachmittag vermeldete das Protestbündnis – auf Facebook – einen Erfolg. Wegen der Blockaden fiel der rechte Aufmarsch im Dresdener Innenstadtbezirk aus.

Ein Teil der Neonazis versuchte mit Spontandemonstrationen in Pirna und Leipzig die Niederlage in Dresden auszugleichen. Doch mit Verweis auf einen polizeilichen Notstand wurde ihnen auch in Leipzig ein Aufmarsch verwehrt.

Damit ist zum zweiten Mal hintereinander der Versuch der Rechten gescheitert, mit einer Großdemonstration anlässlich des Jubiläums der Bombardierung Dresdens Stärke zu zeigen. Diese zweimalige Niederlage dürfte für künftige Planungen demobilisierend auswirken. Für die Rechten war Dresden der letzte Ort, wo sie jahrelang unangefochten demonstrieren konnten. Nach der Verhinderung im letzten Jahr mobilisierten die Nazigegner in diesem Jahr besonders intensiv.

Dabei hatte sich die Situation gegenüber dem Vorjahr für die Antifaschisten erschwert. Die Rechten wollten mit der Anmeldung eines Sternmarsches erfolgreiche Blockaden erschweren, scheiterten damit aber letztlich juristisch. Zudem hatte das Dresdner Verwaltungsgericht Ende Januar 2011 mit dem Verweis auf das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit erklärt, die Polizei hätte im vergangenen Jahr „geeignete polizeiliche Mittel“ einsetzen müssen, um den Aufmarsch der Rechten zu ermöglichen. Deshalb stellten sich die Nazigegner in diesem Jahr auf ein robusteres Vorgehen der Polizei ein. Tatsächlich kam es bei Räumungsversuchen zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Teilen der Antifaschisten.

Aber auch unter den Nazigegnern gab es Debatten über die geeigneten Aktionsformen. Nachdem die Rechten und ihre Gegner schon größtenteils aus Dresden abgezogen waren, durchsuchte die Polizei das Büro des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ und einer im gleichen Gebäude befindlichen Jugendinitiative. Nach Informationen der taz beschlagnahmten die Beamten mehrere Computer. Die Website des Bündnisses ist gerade nicht erreichbar. 
 
http://www.heise.de/tp/blogs/8/149302

Peter Nowak