Repression verfeinert

Den Betreibern der   linken Berliner Buchläden  Schwarze Risse und 021 wurden vor wenigen Tagen Anklageschriften wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz und Befürwortung von Straftaten zu gestellt. Der Grund sind Broschüren, Plakate und Flyer zu verschiedenen politischen Themen, die in den Buchläden ausgelegt werden. Zu den inkriminierten Schriften gehört die Autonomenzeitschrift Interim ebenso, wie antimilitaristische Flugblätter und Plakate. Deswegen gab es bei den Buchläden allein in diesem Jahr sechs polizeiliche Durchsuchungen (ND berichtete).
Die Buchläden wehren sich dagegen und haben die Kampagne „Unzensiert lesen“ gestartet.  Die ging vor einigen Tagen  mit einer gutbesuchten Veranstaltung in Berlin an die Öffentlichkeit. 
Der Hamburger Publizist und Rechtsanwalt Oliver Tolmein hält von der These, dass die Repression immer schlimmer wird. Er verwies auf den sogenannten Deutschen Herbst in den späten 70er Jahren. Damals wurden Teilnehmer von angemeldeten Anti-AKW-Demonstrationen bei der Anfahrt von einem großen Polizeiaufgebot  auf Autobahnen gestoppt. Vermeintliche Drucker und Herausgeber der linken Zeitschrift Radikal wurden teilweise über einen längeren Zeitraum inhaftiert. Die gerichtlichen Verfahren zogen sich über  längere Zeit hin. Dennoch gibt die Zeitschrift Radikal mit größeren Pausen  bis heute. Die staatliche Repression hat in dem Fall ihr Ziel nicht erreicht, so Tolmein.
Ein Mauseklick mit strafrechtlichen Folgen
Dass sich mit der Entwicklung der technischen Möglichkeiten auch die Repression verfeinert, zeigte die Bloggerin Anne Roth an neueren Entwicklungen bei der strafrechtlichen Verfolgung von inkriminierten Äußerungen im Internet. So kann es  schon strafrelevant sein, wenn ein User auf Facebook den „Gefällt mir“ Button anklickt, um damit  politische Inhalte, wie etwa das Schottern des Castorgleises oder die Blockade eines Naziaufmarsches,  zu bewerteten. 
  Neue Extremismusklausel
Auf eine andere Form staatlicher Restriktion ging der Politologie Fritz Burschel ein. Vor allem in unionsregierten Bundesländern sollen zivilgesellschaftlichen Gruppen, die in den letzten Jahren im Kampf gegen Neonazis auch von staatlichen Stellen finanziert werden, eine Klausel unterzeichnen, in der sich nicht nur selber zur „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ bekennen sollen. Sie sollen auch sicherstellen, dass ihre Bündnispartner auf dem Boden der fdgo stehen. Diese Praktiken erinnern an die 70er Jahre, als in Westdeutschland  Bewerber für den öffentlichen Dienst auf ihre Verfassungstreue geprüft wurden. Schon eine Unterschrift für eine linke Initiative oder die Mitgliedschaft in der DKP reichte aus, um als Verfassungsfeind zu gelten und deswegen nicht Lehrer, Briefträger oder Lokführer werden zu können. Die BRD geriet wegen dieser Praxis im In- und Ausland stark in die Kritik und selbst frühere Verfechter des Radikalenerlasses bezeichneten ihn später als Fehler.
 Dazu trug im Wesentlichen eine Bewegung bei, die bis von der radikalen Linken bis in gewerkschaftliche und liberale Kreise reichte.   Die Solidaritätskampagne für die linken Buchläden steht dagegen noch am Anfang aber ist am Wachsen. So haben am vergangenen Wochenende auf der Linken Buchmesse in Nürnberg knapp 20 Verlage, darunter auch der Neues Deutschland Druckerei- und Verlag GmbH,  eine Unterstützungserklärung mit den Läden verfasst.   Sollten die juristischen Verfahren in Gang kommen, dürfte die Liste noch länger werden. 

https://www.neues-deutschland.de/artikel/184822.repression-verfeinert.html?sstr=Repression|verfeinert
Peter Nowak


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