Mit Sicherheit in die Krise?

Volker Eick über die Pluralisierung von Überwachung in urbanen Räumen / Der Berliner Politikwissenschaftler ist Mitorganisator einer Konferenz über städtische Sicherheitspolitik

Volker Eick über die Pluralisierung von Überwachung in urbanen Räumen / Der Berliner Politikwissenschaftler ist Mitorganisator einer Konferenz über städtische Sicherheitspolitik

ND: Welche Ziele verfolgen Sie mit der Konferenz »Städtische Sicherheitspolitiken im internationalen Vergleich«, die von der Berliner Freien Universität und der Frankfurter Goethe-Universität an diesem Wochenende in den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin veranstaltet wird?
Eick: Wir brauchen eine gesellschaftspolitische Diskussion über die Zukunft, Qualifikation und Legitimation des privaten Sicherheitsgewerbes im öffentlichen Raum. Mit Blick auf die Vorkommnisse während der jüngsten Loveparade sprechen wir vom »Duisburg-Komplex«.

Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass staatliche Polizei bei Großveranstaltungen, etwa bei politischen Demonstrationen, regelmäßig Demonstranten tötet. Wir brauchen auch über diese Tatsache, den »Genua-Komplex«, eine Diskussion. Und nicht zuletzt: Polizeibeamte und Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste sind als Beschäftigte auf einem sich globalisierenden Arbeitsmarkt tätig. Wie dieser strukturiert ist, wie er reguliert wird oder eben nicht, wer hier mit wem zusammenarbeitet, welchen Einfluss die gegenwärtige Krise auf das Verhalten von beiden Berufsgruppen hat, wer wen wofür ins offene Messer laufen lässt, darüber wollen wir reden.

Was steht auf dem Programm?
Wir haben uns drei Aufgaben gestellt, die alle international vergleichend angegangen werden: Wir wollen besser verstehen, wie von Seiten der Polizei und von privaten Sicherheitsdiensten mit so genannten Randgruppen – etwa Obdachlosen – im öffentlichen Raum umgegangen wird. Wir wollen aber auch klären, welche Strategien Polizei einsetzt, um politischem Protest zu begegnen.

In Arizona etwa begann man von Regierungsseite aus, so genannte illegale Ausländer zu jagen, um von der wirtschaftlichen Not abzulenken. In Frankreich beobachten wir ein ähnliches Phänomen; dort werden derzeit EU-Bürger abgeschoben. Und drittens: Wie verändert sich unter Krisenbedingungen das Anforderungsprofil an die Polizei, an private Sicherheitsdienste?

Welche Auswirkungen hat die Wirtschaftskrise auf die städtische Sicherheitspolitik?
Das private Wach- und Sicherheitsgewerbe wächst im Zeichen der Krise. Der Polizeiapparat reagiert langsamer, aber auch hier ist absehbar: Mit Depression kommt Repression, während gleichzeitig über neue Präventionsstrategien nachgedacht wird.

Gibt es gewerkschaftliche Strategien, um Lohndumping in der Sicherheitsbranche zu begegnen?
Die Gewerkschaft ver.di und die Lobbyorganisation des Wach- und Sicherheitsgewerbes, der Bundesverband des Wach- und Sicherheitsgewerbes, haben sich auf einen Mindestlohn-Tarifvertrag geeinigt. Der liegt zwar hinter der Forderung von mindestens 7,50 Euro zurück, aber er zieht eine Linie gegen die unglaublich schlechten Lohn- und Arbeitsbedingungen im Gewerbe ein.

Wird auch Sicherheitspolitik als Ursache von Ausgrenzung und Law&Order-Praktiken diskutiert?
Ja, und genau deshalb haben wir nicht nur wissenschaftliche KollegInnen eingeladen, sondern auch Gewerkschafts- und Unternehmensvertreter. Es gibt in der Branche etwa Firmen, die von Neonazis betrieben werden. Da liegt es in der Verantwortung von beiden – Arbeitgebern und Arbeitnehmern –, klar Stellung zu beziehen. Das gilt auch, wenn mit Unsicherheitsgefühlen Politik gemacht wird. Nur weil sich damit Geld verdienen lässt – ob als höherer Profit oder besserer Lohn –, kann das nicht heißen, dass man sich an solcher Propaganda unkritisch beteiligt.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/178438.mit-sicherheit-in-die-krise.html

Peter Nowak


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