Bündnis oder eigene Stärke?

Herbstaktionen gegen Sparpaket / Diskussionen über Protestbündnisse

Die Mobilisierung für die im Herbst geplanten Proteste gegen die Sparpläne der Bundesregierung läuft an. Neben den Gewerkschaften rufen die LINKE und viele Gruppen und Initiativen zu Protesten auf. Der Höhepunkt der Protestagenda sollen betriebliche Aktionswochen im Oktober und November sein.

Der Stuttgarter ver.di-Vorsitzende Bernd Riexinger bezeichnet es gegenüber ND als großen Erfolg, dass auch DGB und IG Metall zu den Protesten mobilisieren. Riexinger ist einer der Initiatoren eines bundesweiten Krisenprotestbündnisses, das 2009 und 2010 unter dem Motto »Wir zahlen nicht für Eure Krise« bundesweite Großdemonstrationen organisiert hat. Allerdings wird das Bündnis bei den gewerkschaftlichen Protestaktionen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Das liege vor allem an der IG Metall, so Riexinger, die bei ihren Aktionen auf die eigene Stärke in den Betrieben setze und wenig Wert auf Bündnispartner aus den sozialen Bewegungen lege.

Riexinger sieht eine Art Arbeitsteilung zwischen Bündnis und Gewerkschaften. »Das Krisenprotestbündnis kommt dann zum Zug, wenn die Gewerkschaften nicht in der Lage oder bereit sind, zu Protesten zu mobilisieren. Rufen die Gewerkschaften dagegen zu Protesten auf, verliert das Bündnis an Bedeutung«, so der Stuttgarter Gewerkschafter gegenüber ND.

Dass indes in Teilen der Gewerkschaftsbasis der Unmut über das Agieren der Gewerkschaftsspitze groß ist, zeigte sich auch an der Nachbereitung der Antikrisendemonstration am 12. Juni in Stuttgart. So monierte der Stuttgarter Metallertreff in einem Offenen Brief, dass auf Druck des DGB-Landesvorstands Baden-Württemberg der oppositionelle Opelbetriebsrat Tom Adler von der Rednerliste bei der Abschlusskundgebung gestrichen worden sei. Für Riexinger geht es bei dem Konflikt dagegen um Kräfteverhältnisse. Das Krisenbündnis sei vor allem in Stuttgart aktiv, IG Metall und DGB-Landesvorstand hingegen können flächendeckend mobilisieren. Wenn die einen oppositionellen Gewerkschafter auf der zentralen Kundgebung ablehnen, könne das nicht einfach ignoriert werden.

Das Krisenbündnis wird demnächst einen Aufruf zu den Herbstaktionen veröffentlichen. Dort wird die Beteiligung an den Gewerkschaftsaktionen nur ein Punkt auf der herbstlichen Protestagenda sein. Beispielsweise bereitet Attac für den 29. September, an dem auch der Europäische Gewerkschaftsbund zu einem internationalen Aktionstag aufruft, einen Bankenaktionstag vor. Zudem plant ein Bündnis, das sich »Aktionsgruppe Georg Büchner« nennt, für den 18. Oktober eine eintägige Blockade des Bankenzentrums in Frankfurt am Main. Zu den Aufrufern einer bundesweiten Aktionskonferenz am 21. August in Frankfurt am Main, auf der die Planungen konkretisiert werden sollen, gehören neben außerparlamentarischen Initiativen, Erwerbslosengruppen und Politikern der LINKEN auch die IG BAU-Jugend Hessen, die DGB-Jugend Südhessen und zahlreiche Gewerkschaftssekretäre.

Caren Lay und Werner Dreibus, Bundesgeschäftsführer der LINKEN, haben die Kreisvorstände mit einem Brief Ende Juli sowohl zur Beteiligung an den gewerkschaftlichen Protesten als auch zu eigenen Aktionen bereits im Sommer aufgerufen. Bis September sollen lokale Aktionen mit Bezug auf die Finanznot der Kommunen laufen. Vom 13. bis 18. September wird dann im Bundestag das schwarz-gelbe Sparpaket debattiert – ein weiterer Anlass für medienwirksamen Protest.

»Seit dieser Woche rufen wir die Kreisvorstände an, um sie nach ihren konkreten Planungen für den Herbst zu fragen«, erzählt Claudia Gohde, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei der LINKEN. Es zeichne sich ab, dass sich sehr viele an den Protesten beteiligen wollen, für einen Gesamtüberblick sei es allerdings noch zu früh. Noch ist Urlaubszeit.

»Wir gucken uns natürlich vorher an, wo potenzielle Bündnispartner politisch stehen«, sagte ver.di-Sprecherin Cornelia Haß gegenüber ND, und mit der LINKEN gebe es beim Sparpaket die gleichen Kritikpunkte. In anderen Bereichen sehe das anders aus, so Haß. Es müsse indes unterschieden werden zwischen öffentlichem und betrieblichem Protest. Bei Demonstrationen wie zuletzt in Stuttgart am 12. Juni wird im Bündnis zusammengearbeitet. Die betrieblichen Aktionswochen, die vom 24. Oktober bis 13. November Schwerpunkt des Widerstands gegen die Sparpläne sein werden, organisieren die Gewerkschaften alleine. Bei der IG BAU steht fest, dass die Rente mit 67 und die Gesundheitsreform Schwerpunkte des Protests sein werden. Auch sollen bei lokalen Aktionen die Bündnisse vor Ort einbezogen werden, so Sprecher Jörg Herpich. Alles weitere berate der Bundesvorstand ab kommender Woche.

Genug Aufrufe zu einem »heißen Herbst« gibt es. Nun dürfte es daran liegen, ob die Akteure mit ihrer Mobilisierung überzeugen können, dass nur mit vereinter Kraft die Bundesregierung zur Rücknahme ihrer Sparpläne zu bewegen sein wird.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/177305.buendnis-oder-eigene-staerke.html

Peter Nowak und Jörg Meyer


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