Protest gegen deutschen „Tatort Kurdistan“

ANTIKRIEGSTAG Kreuzberger Bündnis macht auf dem Heinrichplatz eine bunte Veranstaltung gegen deutsche Rüstungsexporte in die Türkei. Antikriegsbewegung sucht neue Mitstreiter und Aktionsformen

Am internationalen Weltfriedenstag am 1. September will ein Bündnis auf den Heinrichplatz in Kreuzberg gegen deutsche Waffenexporte in die Türkei protestieren. Auf der Kundgebung, die von 16 Uhr bis 22 Uhr geht und unter dem Motto „Tatort Kurdistan“ steht, sollen unter anderem die Bundestagsabgeordnete der Linken Ulla Jelpke sowie VertreterInnen des Bündnisses „Freiheit für Mumia Abu Jamal“ und der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Berlin-Brandenburg (DFG-VK) sprechen. Die kulturellen Darbietungen reichen von vom Liedermacher Detlef K. über den Rapper Jenz Steiner, den Reggaemusiker Ganjaman bis zur Punkcombo Yok. „Wir haben auf diese Vielfalt großen Wert gelebt“, sagte der Sprecher des Berliner Kurdistan-Solidaritätskomitees, Nick Brauns.

Die Kampagne „Tatort Kurdistan“ hat am 8. Mai mit einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor begonnen und soll mit Veranstaltungen in verschiedenen Städten am Mittwoch einen Beitrag zum Weltfriedenstag leisten. „In Kurdistan wird Krieg mit Waffen und finanzieller Unterstützung aus Deutschland geführt. Auf der Protestkundgebung soll die Rolle deutscher Unternehmen und der Bundesregierung in dem Krieg gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei sichtbar gemacht werden“, zieht Brauns den Zusammenhang zum Antikriegstag.

Die Aktion soll auch der Antikriegsbewegung, die in den letzten Jahren kaum neue MitstreiterInnen und Aktionsformen gefunden hat, Impulse geben. Zu den UnterstützerInnen der gehören neben Antifagruppen und dem Projekt Avanti – Undogmatische Linke auch linke Kreuzberger Veranstaltungsorte wie das SO 36, der Buchladen oh21 sowie zahlreiche Kreuzberger Kneipen. PETER NOWAK

 Die Kundgebung „Tatort Kurdistan“ findet am 1. September von 16 bis 22 Uhr auf dem Heinrichplatz statt. Das Programm findet man unter http://tatort-kurdistan.blog.de

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F08%2F31%2Fa0148

Peter Nowak

Landtag von Schleswig-Holstein auf gesetzwidriger Grundlage gewählt

Die schwarz-gelbe Regierung muss nach Weisung des Landesverfassungsgerichts ein neues Wahlgesetz verabschieden und Neuwahlen spätestens 2012 durchführen

Spätestens bis 30.September 2012 muss der Landtag von Schleswig-Holstein neu gewählt werden. Bis Mai 2011 muss ein neues Wahlgesetz verabschiedet werden, auf dessen Grundlage die Wahlen ablaufen sollen. Das hat das Landesverfassungsgericht von Schleswig-Holstein heute entschieden.

Das Gericht hatte über ein Normenkontrollverfahren von den Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband zu befinden. Die beiden Parteien hatten sich gegen die Auslegung des Wahlgesetzes durch die CDU/FDP-Landesregierung gewandt. Obwohl die Regierungsparteien ca. 27.000 Stimmen weniger als Grüne, SPD, Linke und SSW erhalten hatten, kam Schwarz-Gelb auf eine Parlamentsmehrheit von einem Sitz. Grund sind die 11 Überhangmandate, die wegen der vielen Direktmandate der CDU angefallen waren. Wegen unterschiedlicher Auslegungen des Wahlgesetzes bekamen die Oppositionsparteien dafür lediglich 8 Ausgleichsmandate. Nur weil 3 Mandate nicht ausgeglichen wurden, konnte sich die konservativ-liberale Regierung auf die knappe Mehrheit stützen. Statt wie vorgesehen 69 hat der Schleswig-Holsteinische Landtag jetzt 95 Sitze.

Das Gericht zog den Wahltermin vor, „um den Bestand des auf verfassungswidriger Grundlage gewählten Landtags nicht länger als erforderlich andauern zu lassen“. Eine sofortige Auflösung des Landtages wurde verworfen, weil erst das neue Wahlgesetz verabschiedet werden muss.

Das Gericht stützt sich auf Art. 10 Absatz 2 der Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung. Danach soll eine Erhöhung der Abgeordnetenzahl durch Überhang- und Ausgleichsmandate so weit wie möglich verhindert werden.

Vor Dauerwahlkampf in Kiel?

Kaum war das Urteil bekannt, begann der Streit um den Wahltermin. Die Regierungsparteien favorisieren offiziell mit Verweis auf eine gründliche Vorbereitung, aber sicher auch wegen ihrer momentan schlechten Umfrageergebnisse und unklarer Personalentscheidungen einen späten Termin. SSW und Grüne nannten das Urteil einen „Triumph der Demokratie“ und fordern schnelle Neuwahlen.

„Die vom Gericht gewählte Frist für Neuwahlen bis 2012 ist viel zu lang. Es ist zu befürchten, dass die kommenden zwei Jahre zum Dauerwahlkampf gemacht werden und so dem Land eine Hängepartie bevorsteht“, so die Landesvorsitzenden der Grünen Schleswig-Holstein Marlene Löhr. Ihre Einschätzung teilen auch andere politische Beobachter. Vor allem den anstehenden Doppelhaushalt und die durch die Schuldenbremse anstehenden Sparbeschlüsse dürften nach deren Ansicht in den Dauerwahlkampf gezogen werden, der mit dem Urteilspruch begonnen hat. Allerdings ist zu fragen, was daran vom demokratischen Standpunkt aus kritikwürdig wäre. Der Gesetzgeber muss dann bei den Entscheidungen berücksichtigen, dass die Wähler nicht erst dann abstimmen können, wenn die unbeliebten Beschlüsse fast vergessen oder als unabwendbar akzeptiert worden sind.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148286

Peter Nowak

Sicherheit im städtischen Raum

Sicherheitsbranche zwischen Niedriglohn und Law-and-Order-Praktiken
Die Sicherheitsbranche gehört seit Jahren zu den boomenden Branchen im Niedriglohnsektor. Gewerkschaften versuchen seit Jahren das Personal in dieser Branche zu organisieren, um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Gleichzeitig ist der boomende Sicherheitsbereich für viele bürgerrechtliche Organisationen auch eine Quelle von Überwachung, Ausgrenzung und Law-and-Order-Praktiken. Mit diesen Ambivalenzen wird sich am Wochenende die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisierte internationale Konferenz Städtische Sicherheitspolitiken im internationalen Vergleich – Urban Security Work Spaces beschäftigen. Telepolis sprach mit zwei Konferenzorganisatoren, den Politikwissenschaftlern Kendra Briken und Volker Eick, die beide seit Jahren zu den internationalen Sicherheitspolitiken forschen.
   
 Welche Ziele verfolgen Sie mit der Konferenz?

Volker Eick: Es sind drei Ziele: Erstens, wir brauchen eine gesellschaftspolitische Diskussion über die Zukunft, Qualifikation und Legitimation des privaten Sicherheitsgewerbes im öffentlichen Raum. Mit Blick auf die Vorkommnisse während der jüngsten Loveparade sprechen wir vom „Duisburg-Komplex“. Wir müssen zweitens zur Kenntnis nehmen, dass staatliche Polizei bei Großveranstaltungen, wie etwa bei politischen Demonstrationen, regelmäßig Demonstranten tötet. Wir brauchen auch über diese Tatsache, den „Genua-Komplex“, eine Diskussion. Drittens, Polizeibeamte und Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste sind als Beschäftigte auf einem sich globalisierenden Arbeitsmarkt tätig. Wir haben es mit einem Markt zu tun, auf dem Angebot und Nachfrage von interessierter Seite auch geschaffen werden. Wie dieser Arbeitsmarkt strukturiert ist, wie er reguliert wird oder eben nicht, wer hier mit wem zusammenarbeitet, welchen Einfluss die gegenwärtige Krise auf das Verhalten von beiden Berufsgruppen hat, wer wen wofür ins offene Messer laufen lässt, darüber wollen wir reden.

 Kendra Briken: Unsere Annahme bei allen drei Punkten ist, dass „Sicherheit“ zu einer Rechtfertigung für staatliche wie privatwirtschaftliche Interventionen bzw. Angebote geworden ist. Auf dem Spiel steht dann, da machen die libertären Ansätze, etwa solche der Piratenpartei oder diejenigen Ansätze aus dem Spektrum der Linkspartei einen richtigen Punkt, die individuelle Freiheit. Zugleich folgen sie damit aber einem Diskurs, der sie ins politische Aus stellt. Sicherheit und Unsicherheit werden konstruiert, sie sind Ausdruck von Macht, Interessen und sozialer Ungleichheit. Sicherheit ist ein soziales Verhältnis, auch das wird zu diskutieren sein.

 Welche Themen stehen im Vordergrund?

Volker Eick: Wir haben uns drei Aufgaben gestellt, die alle international vergleichend angegangen werden: Wir wollen besser verstehen, wie von Seiten der Polizei und von privaten Sicherheitsdiensten mit so genannten Randgruppen, etwa Obdachlosen, im öffentlichen Raum umgegangen wird. Wir wollen aber auch klären, welche Strategien Polizei einsetzt, um politischem Protest zu begegnen. Wenn in einer Krise wie der gegenwärtigen der Protest zunimmt, was bedeutet das aus polizeilicher Sicht? In Arizona beispielsweise hat man von Regierungsseite aus begonnen, so genannte illegale Ausländer zu jagen, um von der wirtschaftlichen Not abzulenken. In Frankreich beobachten wir ein ähnliches Phänomen; dort werden derzeit EU-Bürger abgeschoben. Drittens, wie verändert sich unter Krisenbedingungen das Anforderungsprofil an die Polizei, an private Sicherheitsdienste?

 Welche Auswirkungen hat die Wirtschaftskrise auf die städtische Sicherheitspolitik?

Volker Eick: Zunächst einmal wächst das private Wach- und Sicherheitsgewerbe im Zeichen der Krise.

Kendra Briken: Das schlägt sich aber nicht positiv auf den Lohnzetteln der Beschäftigten nieder, sondern bei den Profiten der Unternehmen. Man kann sagen, dass die gegenwärtige Krise einen Markt geschaffen hat, auf dem sich Geld verdienen lässt. Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, die die private Sicherheitsbranche rechtlich nicht reguliert haben. Verfolgt man die Debatten, will man das wohl auch nicht.

Volker Eick: Der Polizeiapparat reagiert langsamer, aber auch hier ist absehbar: Mit Depression kommt Repression, während gleichzeitig über neue Präventionsstrategien nachgedacht wird.

 Gibt es gewerkschaftliche Strategien, um dem Lohndumping in der Sicherheitsbranche zu begegnen?

Volker Eick: Die Gewerkschaft ver.di und die Lobbyorganisation des Wach- und Sicherheitsgewerbes, der Bundesverband des Wach- und Sicherheitsgewerbes, haben sich auf einen bundesweit geltenden Mindestlohntarifvertrag geeinigt. Der liegt zwar hinter der Forderung zurück, dass ab sofort mindestens 7,50 Euro pro Stunde gezahlt werden sollen, aber er zieht eine Linie gegen die unglaublich schlechten Lohn- und Arbeitsbedingungen im Gewerbe ein.

 Kann man einerseits für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen im Sicherheitsbereich kämpfen und andererseits die Gefahren der Law-and-Order-Praktiken thematisieren, die mit dem boomenden Sicherheitsbereich ebenfalls verbunden sind?

Volker Eick: Ja. Genau deshalb haben wir nicht nur wissenschaftliche Kolleginnen und Kollegen eingeladen, sondern auch Gewerkschafts- und Unternehmensvertreter. Es gibt beispielsweise in der Branche Firmen, die von Neonazis betrieben werden. Da liegt es in der Verantwortung von beiden Seiten, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, klar Stellung zu beziehen. Wenn mit Unsicherheitsgefühlen Politik gemacht wird, gilt das auch: Nur weil sich damit Geld verdienen lässt – ob als höherer Profit oder besserer Lohn –, kann das nicht heißen, dass man sich an solcher Propaganda unkritisch beteiligt.

Kendra Briken: Wobei die Branche insgesamt in der Gefahr steht, sexistische, rassistische und soziale Ungleichheiten zu reproduzieren. Schließlich gilt es, den Wünschen der Kunden entsprechend Räume zu „sichern“, also von so genannten Störern zu säubern. Das Schweizer Unternehmen Securitas, das jüngst einen Auftrag ablehnte, weil die Beschäftigten als Türsteher nach rassistischen Kriterien selektieren sollten, bleibt die Ausnahme.

 Welche Auswirkungen haben die technischen Fortschritte in der Biometrie und Überwachungstechnik für die Sicherheitsbranche?

Volker Eick: Sehr große. Es ist ja so, dass der polizeiliche Alltag und der Alltag von Mitarbeitern privater Sicherheitsdienste immer mehr von neuen Technologien mitbestimmt werden. Sie sind die ersten, die damit zu tun haben. In Kanada beispielsweise ist die Überwachung von Mitarbeitern privater Sicherheitsdienste durch die Geschäftsführung via Satellit weit verbreitet.

Kendra Briken: Wir wissen, dass beispielsweise Bildschirmarbeit – die Überwachung von Videokameras bedeutet ja nichts anderes – extrem gesundheitsschädlich ist. Das ist sozusagen die Anwenderperspektive. Für diejenigen, die überwacht und kontrolliert werden, stellen sich dagegen ganz andere Fragen, etwa die nach Bürger- und Menschenrechten. Diese beiden Diskussionsstränge wollen wir zusammenbringen.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33209/1.html

Peter Nowak

Mit Sicherheit in die Krise?

Volker Eick über die Pluralisierung von Überwachung in urbanen Räumen / Der Berliner Politikwissenschaftler ist Mitorganisator einer Konferenz über städtische Sicherheitspolitik

Volker Eick über die Pluralisierung von Überwachung in urbanen Räumen / Der Berliner Politikwissenschaftler ist Mitorganisator einer Konferenz über städtische Sicherheitspolitik

ND: Welche Ziele verfolgen Sie mit der Konferenz »Städtische Sicherheitspolitiken im internationalen Vergleich«, die von der Berliner Freien Universität und der Frankfurter Goethe-Universität an diesem Wochenende in den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin veranstaltet wird?
Eick: Wir brauchen eine gesellschaftspolitische Diskussion über die Zukunft, Qualifikation und Legitimation des privaten Sicherheitsgewerbes im öffentlichen Raum. Mit Blick auf die Vorkommnisse während der jüngsten Loveparade sprechen wir vom »Duisburg-Komplex«.

Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass staatliche Polizei bei Großveranstaltungen, etwa bei politischen Demonstrationen, regelmäßig Demonstranten tötet. Wir brauchen auch über diese Tatsache, den »Genua-Komplex«, eine Diskussion. Und nicht zuletzt: Polizeibeamte und Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste sind als Beschäftigte auf einem sich globalisierenden Arbeitsmarkt tätig. Wie dieser strukturiert ist, wie er reguliert wird oder eben nicht, wer hier mit wem zusammenarbeitet, welchen Einfluss die gegenwärtige Krise auf das Verhalten von beiden Berufsgruppen hat, wer wen wofür ins offene Messer laufen lässt, darüber wollen wir reden.

Was steht auf dem Programm?
Wir haben uns drei Aufgaben gestellt, die alle international vergleichend angegangen werden: Wir wollen besser verstehen, wie von Seiten der Polizei und von privaten Sicherheitsdiensten mit so genannten Randgruppen – etwa Obdachlosen – im öffentlichen Raum umgegangen wird. Wir wollen aber auch klären, welche Strategien Polizei einsetzt, um politischem Protest zu begegnen.

In Arizona etwa begann man von Regierungsseite aus, so genannte illegale Ausländer zu jagen, um von der wirtschaftlichen Not abzulenken. In Frankreich beobachten wir ein ähnliches Phänomen; dort werden derzeit EU-Bürger abgeschoben. Und drittens: Wie verändert sich unter Krisenbedingungen das Anforderungsprofil an die Polizei, an private Sicherheitsdienste?

Welche Auswirkungen hat die Wirtschaftskrise auf die städtische Sicherheitspolitik?
Das private Wach- und Sicherheitsgewerbe wächst im Zeichen der Krise. Der Polizeiapparat reagiert langsamer, aber auch hier ist absehbar: Mit Depression kommt Repression, während gleichzeitig über neue Präventionsstrategien nachgedacht wird.

Gibt es gewerkschaftliche Strategien, um Lohndumping in der Sicherheitsbranche zu begegnen?
Die Gewerkschaft ver.di und die Lobbyorganisation des Wach- und Sicherheitsgewerbes, der Bundesverband des Wach- und Sicherheitsgewerbes, haben sich auf einen Mindestlohn-Tarifvertrag geeinigt. Der liegt zwar hinter der Forderung von mindestens 7,50 Euro zurück, aber er zieht eine Linie gegen die unglaublich schlechten Lohn- und Arbeitsbedingungen im Gewerbe ein.

Wird auch Sicherheitspolitik als Ursache von Ausgrenzung und Law&Order-Praktiken diskutiert?
Ja, und genau deshalb haben wir nicht nur wissenschaftliche KollegInnen eingeladen, sondern auch Gewerkschafts- und Unternehmensvertreter. Es gibt in der Branche etwa Firmen, die von Neonazis betrieben werden. Da liegt es in der Verantwortung von beiden – Arbeitgebern und Arbeitnehmern –, klar Stellung zu beziehen. Das gilt auch, wenn mit Unsicherheitsgefühlen Politik gemacht wird. Nur weil sich damit Geld verdienen lässt – ob als höherer Profit oder besserer Lohn –, kann das nicht heißen, dass man sich an solcher Propaganda unkritisch beteiligt.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/178438.mit-sicherheit-in-die-krise.html

Peter Nowak

Die Punktierungen haben wehgetan

HEIMKIND Bruno Schleinstein wurde durch Filme Werner Herzogs bekannt. Seine Vita, durch jahrzehntelange Aufenthalte in Anstalten geprägt, war wenig bekannt – bis er sich für die Geschichte der „Asozialen“ engagierte

Ein Gefühl der Heimatlosigkeit begleitete den Künstler Bruno Schleinstein von frühester Kindheit an. 1932 wurde er in Berlin-Friedrichshain geboren. Schon im Alter von drei Jahren wurde er in ein Heim eingewiesen, weil er als uneheliches Kind einer Prostituierten geboren worden war. Allein dieser Umstand machte ihn in den Kategorien der Zeit zu einem „Asozialen“.

Solchermaßen bereits als Kind stigmatisiert, brachte er die nächsten 23 Jahre in verschiedenen Heimen, psychiatrischen Kliniken und sogenannten Besserungsanstalten zu. Die „Stunde null“ änderte daran nicht alles. Die Wittendorfer Kliniken in Reinickendorf, die Städtische Nervenklinik Wiesengrund und die Claszeile 57 in Zehlendorf waren Stationen seiner Odyssee durch Anstalten und Heime.

Viel hat er über diese ihn prägende Zeit nicht preisgegeben. Doch in dem Wenigen, was er über sich in der dritten Person erzählte, werden seine Gefühle umso deutlicher: „Der Bruno wurde nie besucht“, lautete einer seiner Sätze. Oder: „Die Punktierungen haben dem Bruno wehgetan.“ Damit kommentierte er die Experimente, die Ärzte und Psychiater im Nationalsozialismus an den Insassen von Wiesengrund vornahmen.

„Bruno hat oft die Verbindung zwischen Zuchthaus, Arbeitshaus und Friedhof gezogen“, sagt Anne Allex. Die Erwerbslosenaktivistin und Mitbegründerin des Arbeitskreises „Marginalisierte – gestern und heute“ hat Schleinstein vor mehr als zwei Jahren kennengelernt. „Ein Mitstreiter konnte ihn dafür gewinnen, bei Veranstaltungen aufzutreten, die dem Gedenken der im Nationalsozialismus als asozial verfolgten Menschen gewidmet sind.“ Die AG Marginalisierte will dazu beitragen, dass das Schicksal dieser auch in der linken Geschichtsschreibung weitgehend ausgeblendeten Personengruppe dem Vergessen entrissen wird.

Arbeitshaus Rummelsburg

Auf der Vernissage einer von dem Arbeitskreis organisierten Ausstellung über Wohnungslose im Nationalsozialismus hat Schleinstein im Januar 2008 seine Lieder gesungen. Auch vor dem ehemaligen Berliner Arbeitshaus in Rummelsburg ist Schleinstein im selben Jahr zweimal aufgetreten. Das Arbeitshaus war 1879 gegründet worden. Im kaiserlichen Berlin diente es als Strafanstalt für Leute, die der „Bettelei“ bezichtigt wurden. Im Nationalsozialismus wurde die Anlage zum „Städtischen Arbeits- und Bewahrungshaus Berlin-Lichtenberg“ umgebaut. Unter Beteiligung der Kriminalpolizei wurden am 13. Juni 1938 im Rahmen der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ in ganz Deutschland mehr als 10.000 Personen als „Asoziale“ in Konzentrationslager verschleppt. Einer der Ausgangsorte dieser Aktion war das Arbeitshaus in Rummelsburg.

Begleitet von seinem Akkordeon, sang Schleinstein hier nun seine Lieder von Verfolgung und der Sehnsucht nach Freiheit. Vor sich hatte er verschiedene Glocken mit unterschiedlichen Tönen arrangiert, die er im Takt der Musik läutete. Besonders gern trug er das Lied „Die Gedanken sind frei“ vor. „Er betonte jede Silbe und legte Wert darauf, das Lied mit all seinen Strophen zu singen“, erinnert sich Anne Allex.

In dem von der Berliner Filmemacherin Andrea Behrendt erst in diesem Jahr gedrehten Film „arbeitsscheu – abnormal -asozial“ – Zur Geschichte der Berliner Arbeitshäuser“ findet sich nicht nur ein Ausschnitt von Schleinsteins Auftritt vor dem ehemaligen Arbeitshaus in Rummelsburg. Die Filmemacherin konnte ihm Statements entlocken. „Die Armen sind die Sklaven der Reichen, und die Reichen, wer weiß, was die im Keller oder sonst wo versteckt haben“, erzählt Schleinstein. Die Erfahrungen mit seiner Umwelt fasst er in die Worte: „Die Leute nehmen mich nicht für voll, weil ich anders aussehe.“ In die Kritik hat er auch Filmemacher wie Werner Herzog einbezogen, der sich in den 70er Jahren mit seinem Kaspar-Hauser-Film als Entdecker des Künstlers Bruno S. feiern ließ. „Bruno ist doch nur ein Wegwerfartikel“, war sein Kommentar zu dieser Zusammenarbeit Jahre später.

Auch über den Tod hat Schleinstein in Behrendts Doku philosophiert und die höchst originelle Ansicht beigesteuert: „Wenn die Toten singen könnten, würden sie sagen, ich bin ein Star, holt mich hier raus.“ Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass Schleinstein, der am 10. August im Alter von 78 Jahren gestorben ist, seinen Körper für Forschungszwecke an die Charité verkauft hat. Er, der so viele Jahre eingesperrt war, wollte zumindest nach dem Tod nicht wieder auf jemand warten, der ihn rausholt.

Begleitet von seinem Akkordeon, sang Schleinstein hier seine Lieder von Verfolgung und Freiheit

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2010%2F08%2F28%2Fa0205&cHash=801116a25b

Peter Nowak

Wie staatsfern darf oder soll der Zivildienst sein?

Die Ausbreitung der Niedriglohnzone könnte unter der Ägide der Staatsferne besser gelingen

Bei der Diskussion über die Zukunft der Wehrpflicht tritt zunehmend eine sich darin anschließende Frage in den Vordergrund. Wie soll der Zivildienst ersetzt werden? Schließlich ist die Arbeit der Zivildienstleistenden vor allem im sozialen Bereich nicht mehr wegzudenken. Am 1. August 2010 waren in Deutschland insgesamt 48.913 Zivildienstleistende tätig. Insgesamt waren seit April 1961 zweieinhalb Millionen junge Männer als Zivildienstleistende tätig. In diesem Jahr trat in Westdeutschland das Zivildienstgesetz in Kraft.
   

Die mögliche Aussetzung der Wehrpflicht hat dazu geführt, dass mit einer gewissen Hektik Alternativen zum Zivildienst erarbeitet werden. Dabei stehen sich zwei Modelle gegenüber: der vom Bundesfamilienministerium favorisierte staatlich organisierte, freiwillige Zivildienst und ein von den sozialen Trägern organisierter sogenannter staatsferner Zivildienst, wie er vom Deutschen Roten Kreuz, der Diakonie, der Caritas und der Arbeiterwohlfahrt befürwortet wird.

„Unabdingbare Voraussetzung dafür, dass wir genügend Freiwillige gewinnen und funktionierende Strukturen erhalten können, ist aber eine klare Bundeszuständigkeit, eine auskömmliche Finanzausstattung und die Öffnung des freiwilligen Zivildienstes für Männer und Frauen“, heißt es in der Erklärung des Ministeriums, das dort deutlich macht, dass es die Koordination übernehmen will. Dieser Sichtweise hat sich auf Seiten der Sozialverbände lediglich der Paritätische Wohlfahrtsverband angeschlossen. „Neben dem Ausbau des Freiwilligen Sozialen Jahres kann auch der von Bundesfamilienministerin Schröder angeregte freiwillige Zivildienst eine attraktive Möglichkeit der Kompensation darstellen“, so eine Pressemitteilung des Paritätischen. Doch ist er aber in der weit verzweigten Szene der sozialen Träger solitär. Die wollen nämlich die Richtlinienkompetenz nicht an das Ministerium abgeben und pochen auf ihre Eigenständigkeit.

Gegen die Verstaatlichung des Zivildienstes

Kerstin Griese, die im Vorstand des Diakonischen Werks der EKD für die Sozialpolitik zuständig ist, sieht die Gefahr, dass das „bisher erfolgreich bestehende Freiwillige Jahr durch die Planungen der Ministerin unterlaufen“ werden könnte. „Dies darf nicht passieren. Das Freiwillige Soziale Jahr muss ausgebaut und finanziell ebenso ausgestattet werden wie ein möglicher freiwilliger Zivildienst“, fordert die Diakonie.

Auch die AWO lehnt einen staatlich organisierten Zivildienst entschieden ab. Die Caritas ist derselben Meinung: „Es sei nicht sinnvoll, neben den subsidiär organisierten Jugendfreiwilligendiensten staatliche Zivildienststrukturen als unnötige Parallelstruktur auszubauen.“ Der deutsche Kulturrat warnt vor einer „Verstaatlichung“ des Zivildienstes und bringt das eigentliche Anliegen der sozialen Träger gut auf den Punkt: „Es kann nicht sein, dass Jugendliche und junge Erwachsene den freien Trägern vom Staat abgeworben werden. In diesem Fall belebt Konkurrenz ganz sicher nicht das Geschäft.“

Diskussion um die Staatsferne

Hier wird mehr als in dem sehr freigiebig verwendeten Begriff „staatsfern“ deutlich, worum es den sozialen Trägern bei ihrer Kritik an den Plänen der Politik geht. Wie die Pin-AG die Deutsche Post so sehen sie eine staatliche Zivildienstagentur schlicht als Konkurrenz beim Kampf um Stellen und Gelder. Denn die Freiwilligen Dienste sind ein lukratives Geschäft, gerade weil die davon betroffenen Personen so wenig Lohn bekommen.

Der Begriff „staatsfern“, der jetzt gerne in der Diskussion verwandt wird, kann nicht verdecken, dass gerade die nicht staatlich organisierten freiwilligen Dienste im Sinne des Staatsinteresses zielführender sein können als eine Koordination durch die Politik. Denn Menschen sind eher bereit für wenig Geld zu arbeiten, wenn dafür soziale Träger und nicht staatliche Stellen verantwortlich sind. In der langen Debatte über die Bedeutung der Zivilgesellschaft wurde darauf schon oft hingewiesen. Dabei wurde auch das Missverständnis korrigiert, dass sich wohl noch in den Köpfen mancher konservativer Politiker gehalten hat und auch bei den Plänen des Bundesfamilienministers Pate gestanden haben dürfte.

Die von den sozialen Trägern für sich reklamierte Staatsferne hat nichts mit Kritik an den Zielen des Staats zu tun. Sie pochen nur auf eine im neoliberalen Staat selbstverständliche Arbeitsteilung. Schließlich ist schwer einzusehen, warum in einer Zeit, in der die Privatisierung zum Allheilmittel erklärt wird und selbst auf das Militär und das Gefängniswesen ausgedehnt wird, ausgerechnet beim Zivildienst der Staat die Koordination beansprucht.

Ausbreitung der Niedriglohnzone

Bei der Debatte um die Staatsferne wird verdeckt, dass sich die sozialen Träger mit der Politik darin einig sind, dass die Ausweitung des Niedriglohnsektors vor allem im sozialen Bereich selbstverständlich ist. Dabei sind die Auswirkungen auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen gerade im Bereich der sozialen Dienste vorauszusehen. Der Druck auf die Löhne wird steigen, wenn die Freiwilligen mit den regulären Arbeitskräften konkurrieren.

Daher wäre aus einer gewerkschaftlichen Perspektive die Frage angebracht, warum diese Formen der Beschäftigung nicht in sozialpflichtige, tariflich bezahlte Jobs umgewandelt werden sollen. Diese Frage wird von der Dienstleistungsgewerkschaft verdi schon länger gestellt.

„Es ist ein Skandal, wenn gerade mühsam ein Mindestlohn von 8,50 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten für Pflegehilfskräfte eingeführt wurde, nun aber die Bundesregierung hingeht, um mehr als 30.000 Hilfskräfte für 3,75 Euro pro Stunde zu beschäftigen“, erklärte der verdi-Vorsitzende Frank Bsirske. Es ist gut möglich, dass sich ein solcher Niedriglohnsektor besser unter Federführung der freien Träger durchsetzen lässt, als wenn die Politik die Federführung beansprucht.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33196/1.html

Peter Nowak

Protest gegen Neonazis

LINKE Antifas demonstrieren am Samstag in Weißensee gegen zunehmende Aktionen der rechtsextremen Szene. Teile der Route von der Polizei verboten

Die Polizei hat einen Teil der Route einer für Samstag in Weißensee geplanten Antifa-Demonstration verboten. Sie wird von dem Bündnis „Kein Kiez für Nazis“ organisiert, in dem Antifagruppen, Jugendeinrichtungen, Stadtteilinitiativen und die Linkspartei Pankow vertreten sind. Sie wollen gegen die Zunahme rechter Aktivitäten in Weißensee protestierten. Besonders das Kulturprojekt Kubiz und der Jugendclub Bunte Kuh waren mehrmals Ziel rechter Provokationen (taz berichtete).

Martin Sonnenburg vom Bündnis „Kein Kiez für Nazis“ macht die Freien Nationalisten Berlin Mitte (FNBM) dafür verantwortlich. Diese erstmals im April 2010 aufgetretene Gruppierung macht gegen Dönerläden, türkische Kulturvereine und linke Einrichtungen mobil.

„Wir haben das Bündnis mit den Gruppen im Stadtteil gesucht“, sagte Sonnenburg der taz. Deshalb sei er erstaunt gewesen, dass der CDU-Ortsvorsitzende von Weißensee, Dirk Stettner, in einem Brief an die Polizei warnte, die Antifa-Demonstration könne gewalttätige Demonstranten anziehen und die TeilnehmerInnen des Weißenseer Blumenfestes gefährden, das ebenfalls am Wochenende stattfindet. „Das gewalttätige Potenzial wird nicht erst durch eine Demo angezogen, sondern war mit einigen Ausnahmen immer beim Fest präsent“, meint Sonnenburg. Dort habe es vor einigen Jahren Probleme mit Personen aus der rechten Szene gegeben, was den VeranstalterInnen bewusst sei.

„Während eines Familienfestes mit 150.000 Besuchern sind politische Demonstrationen aus Rücksicht auf die Familien und Kinder einfach fehl am Platze – es gibt ausreichend viele andere Wochenenden“, erklärt Stettner gegenüber der taz.

 Demo am Samstag, 14 Uhr. Start an der Ecke Mahler-/Bizetstraße

PETER NOWAK

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F08%2F27%2Fa0143&cHash=05b1c88d20

Streit um Filterstäube

Kritiker befürchten, dass Saalekreis zur zentralen Giftmülldeponie wird

Der Streit um die Verfüllung von hochgiftigen Filterstäuben in die Grube Teutschenthal im Saalekreis spitzt sich zu. Der Grubenbetreiber GTS will 2011 jährlich 80 000 Tonnen Filterstäube als Stützmaterial in der Grube einlagern.
Die Kritiker des Projektes befürchten, dass die Gifte aus den Filterstäuben auch ins Grundwasser gelangen könnten. Auftrieb erhalten sie, nachdem das Landesamt für Geologie und Bergwesen im Rahmen der 

Überprüfungen der Dickstoffversatzanlage in Teutschenthal Verstöße gegen immissionsschutzrechtliche, abfallrechtliche und bergrechtliche Genehmigungen vorgeworfen hat. „Die GTS hat Abfälle von Müllverbrennungsanlagen verwandt, die für die Verfüllung in der   Dickstoffversatzanlage nicht zugelassen waren“, heißt es in einer Pressemitteilung des zuständigen Ministeriums für Arbeit und Wirtschaft aus Sachsen-Anhalt. In einer Stellungnahme räumt die GTS „formale Verstöße“ ein.  „Die Art der Verbringung nach Untertage war in dieser Form nicht behördlich genehmigt.“ Gleichzeitig moniert der Grubenbetreiber eine Vorverurteilung durch das Ministerium. Aus juristischen Gründen könne man  über die beiden  Presserklärungen hinaus zu  den Vorgängen keine weiteren Angaben machen, erklärte die Pressesprecherin des  Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit von  Sachsen-Anhalt Petra Penning gegenüber ND.
 
Zentrale Giftmülldeponie im Halle-Saale-Kreis  
 
Zudem  beklagt der Grubenbetreiber, dass das  LAGB den  Erörterungstermin für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren in Angersdorf abgesetzt habe. In der in unmittelbarer Nähe zu Teutschenthal liegenden Grube ist eine weitere Deponie für Müllrückstände geplant.    Umweltverbände hingegen befürchten, dass nach Klärung der staatsanwaltlichen Ermittlungen das Verfahren  wieder aufgenommen und die Genehmigung erteilt wird. Der Halle-Saale-Kreis könnte zu einer zentralen Giftmülldeponie werden, warnen sie. Klaus Koch vom Hamburger Umweltnetzwerk hält die Sorgen  für begründet. „Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR sollen  die Deponien angelegt werden, die vor Jahren in Westdeutschland durch Bürgerinitiativen erfolgreich verhindert worden sind.“  Allein in Sachsen-Anhalt ist die Errichtung von bis zu 40 weiteren Gruben im Gespräch.  Das Umweltnetzwerk hat im Auftrag der Gemeine Angersdorf eine gutachterliche Stellungnahme erarbeitet.       „Der Genehmigungsantrag der Firma GTS für die geplante Dickstoffanlage in Angersdorf ist in der vorliegenden Form nicht genehmigungsfähig“, heißt es in der  ND vorliegenden Stellungnahme. Die Gutachter halten vor der Erteilung einer Genehmigung eine  Umweltverträglichkeitsprüfung für erforderlich
da in der Anlage „gefährliche Abfälle gehandhabt werden“. Da ein Teil der Filterstäube eine hohe Schwermetallkonzentration aufweise, unterliege die Anlage nach Ansicht der Gutachter auch der Störfallverordnung.  

Monopol bei der Einlagerung?

Im Gespräch mit ND widerspricht Koch  der Auffassung von Jörg Friedrich vom Umweltbundesamt. Der hatte erklärt, dass Deutschland in „Bezug auf Salzbergwerke über ein geologisch bedingtes Monopol verfügt“. Es gäbe auch in Frankreich aktive Gruben, so Koch. Friedrich hatte auch erklärt, dass die Stäube dauerhaft aus der Biosphäre verbannt werden, was nur im Salzgestein möglich ist

https://www.neues-deutschland.de/artikel/177999.streit-um-filterstaeube.html?sstr=Filterstäube

Peter Nowak

 

 

Unternehmen Bundeswehr

Die von Guttenberg vorgeschlagene Reform zur Modernisierung der Bundeswehr, hat nichts mit Forderungen aus der Friedensbewegung zu tun
Eine Überraschung waren sie nicht mehr, die Reformpläne für die Bundeswehr, die Verteidigungsminister Guttenberg am 23. August den Militärexperten der die Bundesregierung stellenden Parteien vorstellte. Er will die Wehrpflicht aussetzen und die Bundeswehr um ein Drittel verkleinern. Die Truppe soll nach diesen Plänen in den nächsten Jahren von derzeit 252.000 um fast 90.000 Soldaten schrumpfen. Am Ende sollen 163.500 Soldaten übrig bleiben. Dafür soll die Zahl der Freiwilligen erhöht werden.
   

Diese Pläne einer grundlegenden Strukturreform der Bundeswehr werden seit Wochen in den Medien diskutiert.

In der Debatte werden immer wieder unterschiedliche Elemente der Bundeswehrreform besonders hervorgehoben. So nannte Guttenberg in einer Rede beim „Parlament der Wehrpflichtigen“ die dramatische finanzielle Lage des Bundeshaushaltes einen Weckruf für die Reform der Bundeswehr. Der CDU/CSU-Obmann im Verteidigungsausschuss des Bundestags Henning Otte setzte im Gespräch mit dem Deutschlandfunk hingegen die Akzente für die Notwendigkeit der Bundeswehrreform ganz anders. Er betont die veränderte militärpolitische Lage, die für die Reform maßgeblich sei.

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 Die Bundeswehr ist ausgerichtet an einer Lage, wie wir sie vor 20 Jahren hatten. Unser Ziel muss aber sein, dass wir gewappnet sind für die Herausforderungen zukünftig. Was kann das sein? Das kann sein natürlich die Landesverteidigung, das ist die Terrorbekämpfung, das ist Katastrophenhilfe und das ist auch Hilfe bei zerfallenden Staaten, um somit auch die Sicherheit unseres eigenen Landes stabilisieren zu können.
Henning Otte

Danach wäre die Bundeswehrreform keinesfalls ein erster Schritt zur Abschaffung, was zwar sowieso niemand glaubt, sondern deutlich eine Möglichkeit, die Bundeswehr im Hinblick auf die militärpolitischen Interessen des deutschen Staates effizienter zu machen.

Wann tritt der Bedarfsfall ein?

Dabei ist es interessant, dass die Wehrpflicht ausgesetzt, nicht aber abgeschafft werden soll. „Wir behalten die Wehrpflicht bei und können sie bei Bedarfsfall wieder reaktivieren, aber reagieren mit einer Aussetzung jetzt darauf, dass wir die Menschen freiwillig gewinnen wollen, dass wir sie nach ihren Fähigkeiten einsetzen und auch gewinnen wollen zum Beispiel als freiwillig länger Dienende, die somit auch im Einsatz im Ausland ihren Dienst tun können“, erklärt Otte.

Dabei ergibt sich sofort die Frage, wann der Bedarfsfall eintritt, bei dem die Wehrpflicht wieder reaktiviert wird? Geht die Politik allen Beteuerungen zum Trotz, dass wir seit 20 Jahren nur von Freunden umgeben sind, davon aus, dass doch auch an Deutschlands Grenzen kriegerische Konflikte wieder möglich sind? Oder wird dann bei einer möglichen Notstandssituation entgegen gegenwärtigen verfassungsrechtlichen Grundsätzen ein Eingreifen der Bundeswehr auch im Innern nicht ausgeschlossen?

Die wesentliche Aussage aber lautet, dass für die aktuell von der Politik formulierten militärpolitischen Ziele motivierte Freiwillige zielführender seien, als durch die Wehrpflicht gezogene Rekruten. Dass die Motivation durchaus auch wirtschaftlicher Natur sein kann, zeigte Ottes Antwort auf die Frage, was getan werden müsse, um die Bundeswehr attraktiver zu machen.
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 Das wird die Herausforderung auch sein für die Politik, dass die Bundeswehr ein Arbeitgeber ist, wo sich die Menschen für interessieren, wo sie bereit sind, ihre Arbeit einzubringen, ihre Fähigkeiten einzubringen.
Henning Otte

Schon heute wird die Bundeswehr als Arbeitgeber behandelt, der junge Erwerbslose auch mittels Veranstaltungen im Jobcenter von seinen Vorteilen überzeugen will.

Unterschiedliche Einschätzungen in der Antikriegsbewegung

Weil in der Debatte um die Bundeswehrreform einzelne Elemente oft isoliert dargestellt werden, entsteht schnell ein verzerrtes Bild. So wurde durch die Stichworte vorläufige Abschaffung der Wehrpflicht und Verkleinerung der Bundeswehr der Eindruck erweckt, als würde nun der CSU-Politiker Guttenberg umsetzen, wofür Bundeswehrkritiker seit Jahren gekämpft haben.

Diesen Eindruck erwecken auch manche Organisationen, die im weitesten Feld der Antikriegsbewegung zugerechnet werden können. So erklärt der Leiter der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen Peter Tobiassen in einem Interview zur Aussetzung der Wehrplicht:
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 Für uns war das nur eine Frage der Zeit, und wir sehen jetzt, dass unsere bisherigen Argumente aufgegriffen werden. Wenn inzwischen 23 von 28 Nato-Ländern die Wehrpflicht abgeschafft haben, dann scheint das wirklich die vernünftigere Lösung zu sein. Deutschland ist sozusagen der letzte Hort der Wehrpflicht, in dem einige kalte Krieger immer noch an ihr festhalten, weil sie Massenarmeen für nötig halten.
Peter Tobiassen

Die Zentralstelle berät das Ministerium bei der Umstrukturierung der Bundeswehr.

Realitätsnäher vom Standpunkt der Antikriegsbewegung argumentiert der politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Monty Schädel. Auf die Frage, ob Guttenberg für seine Bundeswehrpläne Lob von der Friedensbewegung bekommen soll, antwortet er:
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 Auf keinen Fall. Wenn er die Bundeswehr interventionsfähiger macht, ist das für uns kein Grund, Orden zu verteilen. Würde er sie auflösen und tatsächlich abrüsten, bekäme er sie en masse! Was der Kriegsminister macht, ist eine Umrüstung, um in anderen Ländern mit Freiwilligen besser intervenieren zu können.
Monty Schädel

Allerdings würde die Umsetzung der Bundeswehrreform für die Arbeit der Antikriegsbewegung auch eine Zäsur bedeuten. Denn die obligatorische Wehrpflicht für junge Männer war ein Ansatzpunkt für die Kritik, auch wenn dieser Punkt schon in den letzten Jahren an Bedeutung verloren hatte. Zudem dürfte auch die weitere Diskussion über die Alternative für den Zivildienst interessant sein. Denn dafür sind keine regulär bezahlten Arbeitsplätze, sondern ist die Ausweitung der Freiwilligenarbeit im Gespräch, wobei ausdrücklich auch junge Frauen mit einbezogen werden sollen. Hier könnte sich in Zukunft ein neuer Null- oder Niedriglohnsektor im sozialen Bereich entwickeln.

Diese Fragen werden allerdings für die Frage, wie es mit der Bundeswehrreform weitergeht, nicht an erster Stelle gehen. Vielmehr wird die Diskussion vor allem innerhalb der Unionsparteien hier maßgeblich. Einigen Unionspolitiker fällt es schwer, sich von der Wehrpflicht zu verabschieden, die die Union in den fünfziger Jahren eingeführt hat.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33175/1.html

Peter Nowak

Grenzenlose Weite

Peter Nowak über die Forderung nach einer NS-Gedenkstätte auf dem Gelände des Flugplatzes Tegel

Der  „Hölle am  Columbiadamm“ war in den ersten Jahren des NS-Regimes  zum Inbegriff des braunen Terrors geworden. In  der Emigrantenpresse  jener Zeit waren häufig Berichte über Folterungen im ersten  Berliner SS-Gefängnis im Columbiahaus zu finden. Das  Hausgefängnis der Geheimen Staatspolizei  war im Juli 1933  errichtet worden.  Im Februar 1934 war  die Zahl auf über  450 Gefangenen gestiegen. Zu den zeitweiligen Insassen gehörten die Kommunisten Werner Seelenbinder, Erich Honecker, John Scher und Ernst Thälmann, die Schriftsteller Kurt Hiller,  Armin T. Wegener  und  der demokratische Jurist Hans Litten. Für den Terror  war die neuaufgestellte SS-Wachtruppe Oranienburg-Columbia, die später in SS-Wachverband Brandenburg umbenannt wurde, zuständig. Mehrere spätere SS-Kommandeure haben im Columbiahaus ihr Handwerkszeug gelernt.

Das KZ musste 1936 dem NS-Airport Tempelhof weichen.  Ab 1938 schufteten auf dem Areal Tausende Zwangsarbeiter  für  die  deutsche Luftrüstung. Die Popularität des Flughafen Tempelhofs  steigerte sich nach 1945 noch.  Im beginnenden Kalten Krieg wurde der Flughafen Tempelhof zum Inbegriff des Überlebenswillens des „freien Berlins“. Schließlich landeten auf dem  Flugfeld die legendären Rosinenbomber, mit denen Westberlin der sowjetischen Blockade trotzte. Jetzt konnte man es den Russen  doch noch zeigen, wenn man schon nicht verhindert hatte, dass Rotarmisten die Hakenkreuzfahne vom Reichstag entfernten.  In diesem Frontstadtklima war kein  Platz für eine Erinnerung an das KZ-Columbiahaus.        Daran hat sich auch heute nicht viel geändert.

Ein Erinnerungs-  und Gedenkort für die Opfer des Columbiahauses und die Zwangsarbeiter ist in den aktuellen Bebauungsplänen nicht vorgesehen.  Schließlich hat die international hochgelobte Gedenkrepublik Deutschland dafür spezielle Orte. So wurde in  die Topographie des Terrors, dem Dokumentationszentrum für den NS-Terror, nach der Neugestaltung auch ein Stück der Berliner Mauer  als in Stein gehauene Bekräftigung integriert, dass Deutschland am 8.November 89 befreit wurde.   

Als  am 8. Mai 2010 das Areal des abgewickelten Tempelhofer Flughafens für die Berliner Bevölkerung geöffnet wurde, wollte eine  kleine Initiative den KZ-Insassen und den Zwangsarbeitern gedenken, die auf dem Gelände gelitten haben. Sie hatten mit Behinderungen durch die Anmeldungsbehörden und Desinteresse auch der Öffentlichkeit zu kämpfen.

Derweil schwadronieren  Kolumnisten in verschiedenen Zeitungen über die grenzenlose Weite am ehemaligen Flughafen. Manchmal treffen sie unfreiwillig ins Schwarze, wie Ingo Arend, der im „Freitag  nach einen Tempelhofbesuch ins Schwärmen kam.    „ Vergiss die Stadt, den Kiez und den Tod. Vor dir liegen 389 Hektar öffentliches Grün. Unfassbar“.  

aus Monatszeitung Konkret 8/2010

http://www.konkret-verlage.de/kvv/in.php?text=&jahr=2010&mon=08

Peter Nowak

Kampf um Russlands grüne Lunge

Solidaritätskampagne für Umweltschützer

Derzeit bekommen die russischen Behörden aus vielen europäischen Ländern Protestbriefe. Darin wird die Freilassung von Alexej Gaskarow und Maxim Solopow gefordert. Die beiden Männer sind am 29. Juli 2010 unter dem Vorwurf des Landfriedensbruchs in Untersuchungshaft genommen worden. Sollten sie verurteilt werden, drohen ihnen Haftstrafen bis zu sieben Jahren.

Gaskarow und Solopow sollen mit hunderten weiteren Umweltschützern am 28. Juli im Moskauer Vorort Chimki an einer Spontandemonstration gegen die Rodung eines Waldstücks teilgenommen haben. Dabei wurden auch Gebäude der Stadtverwaltung mit Steinen und Feuerwerkskörpern attackiert. Obwohl der Sachschaden gering war, sorgte die Attacke in den russischen Medien für großes Aufsehen und setzte die Behörden unter  Verfolgungsdruck. Nach Ansicht eines russischen Solidaritätskomitees  wurden     Gaskarow und Solopowa verhaftet, weil sie seit Jahren auch öffentlich als Aktivisten der sozialen Bewegung aufgetreten sind. So haben sie sich gegen die Zunahme faschistischer Aktivitäten und die rassistische Diskriminierung von Ausländern in Russland engagiert.

Neue Graswurzelbewegung
Russische Umweltschützer sehen in den Verhaftungen der Männer auch einen Versuch, die wachsende russische Graswurzelbewegung zu disziplinieren. Die andauernden Proteste gegen die Abholzung des Chimki-Waldstücks werden als Beispiel für das neue Selbstbewusstsein von zivilgesellschaftlichen Organisationen interpretiert. Die Bäume sollen einer mautpflichtigen Autobahn zwischen Moskau und St. Petersburg weichen.   Die Waldschützer bekommen zunehmend Unterstützung von Bürgern der russischen Hauptstadt, die für den Erhalt von Moskaus grüner Lunge eintreten.
Die Staatsmacht reagiert mit zunehmender Repression und sorgte damit russlandweit für Schlagzeilen So wurden bei Protesten gegen die Waldabholzung am 23. Juli auch zwei Journalisten festgenommen. Der russische Journalistenverband protestierte gegen die Einschränkung der Pressefreiheit und forderte die Bestrafung der verantwortlichen Milizionäre. Auch  ein Protestcamp, mit dem Umweltschützer aus ganz Russland die Rodung verhindert wollten, war Ende Juli 2010 von ca. 100 Maskierten überfallen worden. Im Anschluss nahm  die Miliz einige der Umweltschützer fest. Durch die Verhaftung von   Gaskarow und Solopowa ist die Auseinandersetzung um das Waldstück auch über Russlands Grenzen hinaus bekannt geworden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/177817.kampf-um-russlands-gruene-lunge.html?sstr=Russlands|grüne|Lunge

Peter Nowak

»Mit der anderen Hand wird zugeschlagen«

Osaren Igbinoba (D.I.)  ist Mitglied des Koordinationsbüros der Flüchtlingsorganisation The Voice Refugee Forum in Jena. The Voice wurde 1994 gegründet und kämpft seitdem u. a. für die Abschaffung der Residenzpflicht.

ND: Einige Bundesländer wie Brandenburg und Berlin haben kürzlich Lockerungen der Residenzpflicht beschlossen. Begrüßen Sie das?

Igbinoba: Es ist schön, dass nach 16 Jahren Kampf von Flüchtlingsorganisationen wie The Voice gegen die Residenzplicht  eine Generation von jungen Politikern herangewachsen ist, die nun eine schüchterne parlamentarische Initiative angestoßen haben und sie endlich diesem Thema im Landtag Platz schaffen. Es bleibt die Fragen, wieso gerade jetzt und wieso nicht schon früher und warum  geht man den Weg nicht jetzt schon zu Ende und schafft die Residenzpflicht völlig ab.
  
  Warum   kritisieren Sie in einer Presseerklärung einige linke Aktivisten wegen deren positiven Stellungnahme zur Lockerung der Residenzpflicht?

 D.I.:   Dieses Gesetz ist kein Grund zu feiern, weil es die generelle  die Residenzpflicht nicht aufhebt. Es dient auch  dazu,  den Flüchtlingen erneut zu bestätigen, dass sie immer nach wie vor unterdrückt werden. Mit einer Hand wird etwas gegeben, und die andere Hand wird dazu benutzt, zuzuschlagen. Das ist der Gegenstand unserer Kritik an die Politik.

 Wie wollen Sie  in Zukunft gegen die Residenzpflicht kämpfen?
D.I.: Wir hatten im Juni 2010 in Jena ein internationales Festival organisiert, das darauf fokussiert war, die Isolation der Flüchtlinge in den Heimen zum Thema zu machen.  Wir bereiten jetzt ein „Karawane International Tribunal für die Rechte der Migrantinnen und Flüchtlinge vor, das  die Residenzpflicht untersuchen wird. Und wir werden unseren täglichen Kampf gegen die Unterdrückung der Flüchtlinge dokumentieren, künstlerisch durch Ausstellungen und Medienprojekte stärker präsent sein und das Problem weiter in das Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen. Denn die prekäre rechtliche Lage der Flüchtlinge, kann nur deswegen
aufrechterhalten werden, weil von Seiten der Politik der Mantel des Schweigens darüber ausgebreitet wird und das Problem vor der eigenen Bevölkerung versteckt wird.

  Wird es von Ihrer Seite auch weiterhin eine Zusammenarbeit mit den von Ihnen kritisierten deutschen Linken geben? 

     D.I.: Wir sind weiterhin offen für Zusammenarbeit und Austausch mit denjenigen, die sich vorgenommen haben, die Stellen auszubessern, wo unser System immer noch versagt. Wir erwarten von unseren Mitstreitern, dass sie eine klarere Position einnehmen bezüglich der Unterdrückung der Flüchtlinge in dem Land,das diese eigentlich von Unterdrückung befreien sollte.

 Halten Sie in dieser Frage eine Politik der kleinen Schritte auch in Zukunft nicht für denkbar?
D.I.: Menschenrechte sind nicht nur nicht verhandelbar, sie können auch nicht verkauft werden. Aber heute erleben wir, wie sie auf zynische und menschenverachtende Weise zum Kauf angeboten werden, wenn deren Ausübung durch Menschen ohne finanzielles Einkommen, durch die Verwaltung mit Gebühren belegt wird. Es geht um  Gebühren für die Stellung eines Antrags auf Verlassen des Landkreises.   Das ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie das Geld, das von staatlicher Seite für die Betreuung der Flüchtlinge bereitgestellt wird, am Ende dafür benutzt wird, um eine Kollektivbestrafung an ihnen vorzunehmen. Und zur Änderung dieses
Missstandes wird eine Politik der kleinen Schritte vorgeschlagen. Sie fragen mich ernsthaft, ob ich das für den richtigen Weg halte?

https://www.neues-deutschland.de/artikel/177774.mit-der-anderen-hand-wird-zugeschlagen.html
Interview: .Peter Nowak

Studenten als Kunden?

»Statt Studiengebühren als Köder für die Haushaltsverhandlungen zu missbrauchen, sollten sich die Fraktionen endlich mit der Umsetzung der Gebührenabschaffung beschäftigen. Per Nachtragshaushalt ist das zum Sommersemester 2011 gut möglich«, heißt es in einen offenen Brief, den das »Aktionsbündnis gegen Studiengebühren« Mitte Juli an die Landtagsfraktionen von SPD, Grünen und Linkspartei in NRW adressierte. Die Ungeduld ist verständlich. Schließlich haben die drei Parteien im Wahlkampf die Abschaffung der Unimaut versprochen.

Das parteipolitische Gezerre sorgt auch an vielen Unis für Unmut. Eine mittelfristige Haushaltsplanung sei nicht möglich, wird der Sprecher der Kölner Universität zitiert. An manchen Hochschulen werden Stellenkürzungen angedroht, wenn die Gelder aus den Studiengebühren wegfallen. Dass es dabei nicht nur um fehlende Gelder geht, macht der Präsident der Universität des Saarlandes, Volker Linneweber, deutlich, wenn er ein neues Studentenbewusstsein lobt: »Als zahlende Kunden ihrer Hochschule haben sie es sich längst nicht mehr gefallen lassen, wenn Vorlesungen etwa aus allen Nähten platzten und sie dort keinen Platz mehr fanden.« Hier wird die durch die Unimaut vorangetriebene neoliberale Denkweise auf den Punkt gebracht. Studierende sollen nur als Kunden das Recht haben, sich zu beschweren. Auf der anderen Seite wird auch unter Jungakademikern das Elitedenken stärker, so die Beobachtung des Darmstädter Soziologen Michael Hartmann. Diese Studenten finden es völlig in Ordnung, wenn die Elite mittels Bezahlstudium begrenzt wird. Die Gebührengegner sollten deshalb den Streit nicht nur mit den politischen Parteien, sondern auch mit den Studierenden suchen, die sich als Kunden präsentieren. Sonst könnten sie genau so enttäuscht werden wie viele Anhänger eines längeren gemeinsamen Lernens nach dem Volksentscheid in Hamburg.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/177812.studenten-als-kunden.html

Peter Nowak

Militante mit Blog

Prozess gegen Mitglied der ominösen Leipziger Militanten Gruppe

Seit Anfang August wird vor dem Landgericht Leipzig gegen den 24-jährigen Tommy T. wegen einer Autobrandstiftung, der Androhung von Straftaten und versuchten Einbruchs in einen Computerladen verhandelt. Die Ermittlungsbehörden beschuldigten T., der seit dem 4. Februar in Untersuchungshaft sitzt, zur Militanten Gruppe Leipzig (MGL) zu gehören, die vor einigen Monaten kurz für Schlagzeilen sorgte. T. war nicht aus der U-Haft entlassen worden, weil er vorbestraft ist und das Gericht wegen der möglichen Höhe der Strafe eine Fluchtgefahr annimmt. Ein weiterer Grund dürfte gewesen sein, dass T. vor allem in den ersten Wochen nach seiner Verhaftung keine Unterstützer hatte, die sich um die Kaution für seine Freilassung kümmerten. Denn in der Leipziger Linken kursierten zunächst Spekulationen, dass Rechte als Linke getarnt unter dem Label MGL auftreten. Anhaltspunkte für den Verdacht sahen sie in den verbalradikalen Parolen der Texte und in ihrer nicht-szenetypischen Diktion. Im Januar hatte sich eine Militante Gruppe Leipzig in einem Schreiben an die »Leipziger Volkszeitung« (LVZ) zu zwei Autobrandstiftungen bekannt. Am 29. Januar wurde ein von der MGL unterschriebener Brief an die Abgeordnete der LINKEN im sächsischen Landtag, Juliane Nagel, verschickt, die zuvor einen linkspolitischen Hintergrund der Anschläge bezweifelt hatte. »Ihr Irrglaube, die linke Szene wähle vermutlich andere Mittel als Brandanschläge, macht deutlich, dass das notwendige Umdenken noch nicht bei jedem angekommen ist. Es ist an der Zeit, die Revolution einzuleiten«, hieß es in der mit MGL unterschriebenen Antwort an Nagel. Dieser Satz steht auch auf einem »vorläufig offiziellen Blog«, den die Gruppe im Internet eingerichtet hat. Dort wird der erste Anschlag der MGL auf Ende Oktober 2009 datiert. Unterstützung von außerhalb Die Internetpräsenz der Militanten hat ihre Sympathiewerte auch bei Leipzigs außerparlamentarischen Linken nicht erhöht. In einem Newsflyer des Leipziger Kulturzentrums Conne Island, das als autonomer Treffpunkt zählt, hieß es im März drastisch: »Militante Gruppe Leipzig – du mieses Stück Scheiße. Geh nach Hause, dich kann niemand leiden«. Obwohl von einem rechten Hintergrund der MGL heute in der linken Szene Leipzigs niemand mehr ausgeht, wurden die Verhaftung von T. wie auch der laufende Prozess weitgehend ignoriert. Solidaritätsaktionen kommen hingegen von auswärtigen Antirepressionsstrukturen. Sowohl von der Roten Hilfe Magdeburg als auch von der Redaktion des »Gefangeninfo« wird T. als linker politischer Gefangener gesehen und unterstützt. Dabei gehe es um sein Verhalten vor Gericht und nicht um die politische Einschätzung der Militanten Gruppe und ihrer Texte, betont ein Mitarbeiter des »Gefangeneninfos«. Er verweist darauf, dass bisher nur die Anklagebehörde einen Zusammenhang zwischen der MGL und T. herstellt. Der Beschuldigte selbst hat sich zu den Vorwürfen nicht geäußert. Am 31. August soll das Urteil verkündet werden. Nach Angaben der Lokalpresse könnte ihm bei einer Verurteilung statt einer Gefängnisstrafe die Einweisung in die geschlossene Psychiatrie drohen. Ein Gutachter, der T. als hochintelligent klassifiziert hat, beobachtet den Angeklagten während des Prozesses im Hinblick auf eine etwaige Persönlichkeitsstörung.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/177668.militante-mit-blog.html

Peter Nowak

Karteileichen im Keller der Linkspartei

Nicht nur in Bayern, auch anderswo brechen in der Linkspartei die Querelen zwischen verschiedenen Fraktiönchen und Einzelpersonen mit ausgeprägtem Hang zur Selbstdarstellung wieder auf
„Die Debatte um das neue Programm unserer Partei ist in vollem Gang“, heißt es auf der Homepage des bayerischen Landesverbandes der Linken. Dabei ist wohl nicht die Schlammschlacht gemeint, die zwischen dem bayerischen Schatzmeister der Linken Ulrich Voß und der Mehrheit im Landesverband ausgebrochen ist. Nachdem Voß behauptete, der Flügel um Klaus Ernst, der sich jetzt mit Gesine Lötzsch den Parteivorsitz teilt, habe mit manipulierten Mitgliederdateien Posten und Einfluss gewonnen, konterte die bayerische Landesvorsitzende mit einer Rücktrittsforderung an den Schatzmeister, dem sie ungeheuerliche Verleumdungen vorwirft.

Die neuerliche Auseinandersetzung ist nur der Höhepunkt eines langen Grabenkampfes innerhalb der bayerischen Linken, der vor mehr als einem Monat zum Rücktritt des Landesvorsitzenden Michael Wendl geführt hat. Vordergründig werden die Querelen als Streit zwischen einem pragmatischen Gewerkschaftsflügel und angeblichen „linken Sektierern“ klassifiziert. Selbst das Wort Trotzkist wird wieder einmal angeführt. Die Gegenseite kontert, indem sie von „Verleumdungen wie in der Stalinära“ spricht.

Kein bayerischer Sonderfall

Die Parteispitze der Linken muss über diese Auseinandersetzungen beunruhigt sein. Dass sie kein bayerischer Sonderfall sind, zeigen die Offenen Briefe, mit denen sich sogenannte Parteifreunde der Linken in Baden-Württemberg bekriegen.

Wie sehr sich in der Auseinandersetzung vermeintliche politische Differenzen und das gekränkte Ego vermischen, macht der Brief des mittlerweile aus der Linken ausgetretenen Jürgen Angelbeck ofenkundig. Dort klassifiziert der ehemalige führende Sozialdemokrat die Linke einerseits als „den Kapitalismus in sozialpartnerschaftlicher Manier stabilisierende Kraft“ und verteidigt andererseits den ehemaligen Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der in der Partei als ausgewiesener Realpolitiker gilt.

Die Querelen zwischen verschiedenen Fraktiönchen und Einzelpersonen mit ausgeprägtem Hang zur Selbstdarstellung, die die Gründungsphase der WASG und deren Überleitung in die Linkspartei begleitet haben, scheint nicht überwunden. In der letzten Zeit waren sie überdeckt durch den Konflikt zwischen Pragmatikern aus der ehemaligen PDS und enttäuschten Sozialdemokraten um Lafontaine. Mit dessen Rückzug aus der Bundespolitik scheinen die alten Spannungen wieder virulent zu werden. Schon wünschen sich manche in der Linken Lafontaine zurück in die bundespolitische Arena. Schließlich vermeldet selbst die Bild, dass Lafontaine noch Applaus bekommt, wenn er den politischen Gegner und nicht die Parteifreunde angreift.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148214

Peter Nowak