Stattweb vorerst eingestellt

 Am 3. Juli wurde das südbadische Medienprojekt Projekt stattweb.de eingestellt. Die 1990 als Medium der Gegenöffentlichkeit gegründete »Stattzeitung« war eine der ersten linken Medienprojekte, die das Internet für ihre Präsenz nutzten. 75 Ausgaben sind als Printzeitung erschienen und im Internet finden sich ca. 8000 Newsbeitrage. Die langjährige Stattzeitung-Mitarbeiterin Barbara Schenk erklärte gegenüber ND, die Entscheidung für die Einstellung sei aus personellen Gründen erfolgt. »Ein langjähriger Mitarbeiter hat sich zurückgezogen.« Da die Internetzeitungen von der ständigen Aktualisierung leben, die Arbeit aber unentgeltlich war und man auch nicht zum Veranstaltungskalender der Region mutieren wollte, habe man sich dazu entschlossen, das Medienprojekt »einzufrieren«, so Schenk. Sollten sich Interessenten aus der Region finden, die an dem Projekt mitarbeiten wollen, könne das Stattweb jederzeit wieder reaktiviert werden, betonte sie.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/174707.bewegungsmelder.html

Peter Nowak

Demontage des paritätischen Gesundheitssystems geht weiter

Nach den Plänen der Regierung steigen die Beiträge und wird ein erster Schritt zur Kopfpauschale gegangen
Der Kassenbeitrag von Unternehmern und Lohnabhängigen soll künftig von 14, 5 auf 15,5 % steigen. Die Zusatzbeiträge der Krankenkassen, die nur von den Versicherten bezahlt werden, sollen ebenfalls erhöht werden. Bisher durften sie 1 % des Bruttoeinkommens nicht übersteigen. Diese Deckelung soll künftig wegfallen und die Krankenkassen sollen über die Höhe der Zusatzbeiträge selber entscheiden können. Für Menschen mit niedrigen Einkommen soll ein Sozialausgleich soziale Härten mildern.
   

Das sind die wesentlichen Ergebnisse einer Koalitionsrunde, die am 6. Juli Eckpunkte für eine Gesundheitsreform der Öffentlichkeit vorstellten. In der Presseerklärung des federführenden Gesundheitsministeriums wird die Bedeutung des Wettbewerbs im Gesundheitswesen hervorgehoben:
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 Der Einführung von mehr Wettbewerb auf der Einnahmeseite müssen weitere Wettbewerbselemente auf der Ausgabenseite folgen. Nur mit einer Kombination beider Wettbewerbselemente kann die Umgestaltung des deutschen Gesundheitssystems gelingen.
Gesundheitsministerium

 

Die Einigung kam nicht überraschend. Nach der langwierigen Bundespräsidentenwahl und den fortdauernden Koalitionsquerelen stand die Bundesregierung unter Druck, vor der Sommerpause wenigstens auf einem der zahlreichen umstrittenen Politikfelder mindestens einen Formelkompromiss zu erzielen. Zudem bestand gerade auf dem Feld der Gesundheitspolitik ein besonderer Handlungsbedarf, waren doch innerhalb kurzer Zeit gleich drei gesetzliche Krankenkassen von der Insolvenz bedroht. Gesundheitsexperten sahen hierin erste den Beginn einer Pleitewelle im Bereich der Krankenkassen. Damit wurde aber nicht nur Handlungsbedarf in Richtung Bundesregierung geschaffen. Vielmehr wurde der Druck auf das paritätische Gesundheitssystem erhöht.

Demontage begann bereits unter Rot-Grün

Es basiert darauf, dass Unternehmen und Lohnabhängige gleichberechtigt in die Krankenkassen einzahlen. Dieses Prinzip, das jahrelang als Modell der sozialen Marktwirtschaft galt, wurde aber schon unter der rot-grünen Bundesregierung angetastet. Darauf weist Nadja Rakowitz, die Geschäftsführerin des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte, hin:

„Durch die Einführung der Praxisgebühr und die einseitige Erhöhung des Arbeitnehmeranteils um 0,9 Prozentpunkte bei der Finanzierung des Gesundheitssystems unter Rot-Grün wurde das Prinzip der paritätischen Finanzierung im Gesundheitswesen aufgegeben“, betont Rakowitz gegenüber Telepolis. Die Soziologin sieht vor allem in der Erhöhung der Zusatzbeiträge die Fortsetzung einer Entwicklung, die sie als „Ökonomisierung des Gesundheitswesens“ bezeichnet (Protest gegen die Kopfpauschale).

Die Kritik an den Gesundheitsplänen kam prompt. Das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sieht in den Gesundheitsplänen eine „verkappte Kopfpauschale“. Der DGB appelliert an die CSU und Teile der CDU, die in den letzten Monaten mit scharfer Kritik an den FDP-Plänen zur Kopfpauschale hervorgetreten sind. Der Katholische Familienbund moniert, dass vor allem kinderreiche Familien durch die Gesundheitspläne zur Kasse gebeten werden. Auch sämtliche Oppositionsparteien haben die Pläne als unsozial kritisiert. Bei Grünen und SPD wird natürlich nicht erwähnt, dass die Demontage der Parität in ihrer Regierungsägide begonnen hat.

Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende der gesetzlichen Krankenkassen, kritisierte die geringen Sparbemühungen und Ärzte und Krankenhäuser zu schonen: „Die Zusatzbelastungen der Versicherten könnten merklich geringer sein. Die Einnahmen der Ärzte und der Krankenhäuser sind so hoch sind wie noch nie.“ Hier wäre „eine echte Nullrunde angemessen gewesen“.

Wie lange hält der Formelkompromiss?

Ob mit den gesundheitspolitischen Eckpunkten zumindest bei diesem Thema Eintracht bei der Bundesregierung einkehrt, darf bezweifelt werden. So sieht die Süddeutsche Zeitung den heimlichen Gesundheitsminister und CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer als eigentlichen Sieger gegen den amtierenden Minister Rösler. Seehofer ließ auch gleich verbreiten, dass sich an der Gesundheitspolitik nichts ändern wird. Er hatte sich in den letzten Monaten nicht erfolglos, wie die Appelle des DGB zeigen, als soziales Gewissen und Antipoden zur FDP profiliert.

Dabei sollte man sich auch fragen, ob die medial ausgeschlachtete Gegnerschaft nicht auch eine Arbeitsteilung ist. Seehofer kann sich das Verdient anrechnen, die Kopfpauschale pur verhindert zu haben und damit die realen Belastungen für Menschen mit geringen Einkommen erträglicher zu machen. Oder er meint seine Gegnerschaft dazu wirklich ernst, dann dürfte aber der koalitionsinterne Formelkompromiss bald aufgekündigt werden und der Streit setzt sich fort. Gerade das berühmt-berüchtigte Sommerloch bietet für Politiker mit Profilierungsdrang ein großes Betätigungsfeld.

Interessant dürfte auch werden, wo die von Rösler angekündigten massiven Einsparungen von bis zu 7 Milliarden Euro im Gesundheitswesen zum Einsatz kommen. Denn davon müsste vor allem die immensen Gewinne jener Pharmaindustrie betroffen sein, die in der Vergangenheit in der FDP eine verlässliche Stütze hatte.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32910/1.html

Peter Nowak

Datenschutz als Lernziel

KONTROLLE Beim bundesweit ersten Datenschutztag an einer Uni wird heute an der FU über die Macht der Suchmaschinen und die Kontrolle der Datenströme diskutiert. Auch Nichtstudierende sind willkommen
Welche Macht hat Google? Wie viele Suchmaschinen braucht ein Mensch? Das sind einige der Fragen, die am heutigen Mittwoch an der Freien Universität Berlin (FU) beim bundesweit ersten universitären Datenschutztag diskutiert und vielleicht sogar beantwortet werden. Von 9 bis 19 Uhr gibt es zahlreiche Veranstaltungen und Workshops rund um das Thema Internetsicherheit auf dem Dahlemer Campus.

„Die Universität ist einer der Orte, an denen täglich sehr viele sensible Daten verarbeitet werden“, begründet die FU-Datenschutzbeauftragte Ingrid Pahlen-Brand die Bedeutung der Thematik für die Hochschulen. Die seit 1997 amtierende Datenschutzbeauftragte will dabei auch die Fortschritte präsentieren, die es in den letzten Jahren an der FU beim Datenschutz gegeben habe. Praktische Tipps für den studentischen Datenschutz werden MitarbeiterInnen des Referats für Studienangelegenheiten beim Asta der FU in ihrem Workshop geben. Die studentische Beteiligung an der Vorbereitung des Datenschutztages relativiere wohl auch manche Urteile über eine Internetgeneration, der wenig Interesse an gesicherten Daten nachgesagt wird, betont Ingrid Pahlen-Brand.

Zum FU-Datenschutztag ist aber ausdrücklich auch ein nichtstudentisches Publikum eingeladen. Das kann sich etwa von Ingmar Camphausen vom Fachbereich Mathematik in die Feinheiten der Verschlüsselungstechnik von E-Mails einführen lassen oder sich über Datenkontrolle im Internet informieren lassen. Der studentische Mitarbeiter am Institut für Publizistik, Stefan Flecke, dürfte mit seinem Vortrag zur Macht der Internet-Suchmaschinen einige Fakten zu einer oft auf Spekulationen beruhenden Diskussion liefern.

Eine Ausstellung über Kamerastandorte in Dahlem verdeutlicht, dass Internetsicherheit nur ein Teilbereich des Datenschutzes ist.

 Der Veranstaltungsplan findet sich unter www.datenschutz.fu-berlin.de/dahlem/ressourcen/1__datenschutztag_2010/FlyerDisk_mit_Logo_DS-TAg10.pdf

PETER NOWAK

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F07%2F07%2Fa0148&cHash=4fbb97c501

EU-Terrorlisten teilweise rechtswidrig

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat auch Folgen für die deutsche Rechtsprechung
Vor einigen Tagen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein bisher in Deutschland wenig beachtetes Urteil gefällt, das aber Einfluss auf zur Zeit in Deutschland laufende Verfahren hat.
   

Das macht der Europäische Gerichtshof gleich in der Überschrift der Pressemitteilung zu dem Urteil deutlich. Dort heißt es:
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 Die Beschlüsse des Rates, mit denen die DHKP-C vor Juni 2007 unter Verstoß gegen elementare Verfahrensgarantien in Listen aufgenommen wurde, die im Rahmen von Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus erstellt wurden, können nicht dazu beitragen, die strafrechtliche Verfolgung von Mitgliedern der genannten Organisation zu stützen, die nicht in diese Listen aufgenommen wurden.
 

Bei dem erwähnten Verfahren handelt es sich bei um ein mehrmonatiges Verfahren vor dem Düsseldorfer Staatsschutzsenat. Dort wird gegen zwei türkische Migranten verhandelt, die beschuldigt werden, für die in Deutschland und der Türkei verbotene marxistische Organisation DHKP-C Spenden gesammelt zu haben. Weil diese Organisation auf der EU-Terrorliste aufgeführt ist, hätten die Angeklagten durch das Weiterleitung von Spenden gegen das deutsche Außenwirtschaftsgesetz verstoßen, so die Anklagebehörde.

Nach § 34 Abs. 4 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) macht sich strafbar, wer „einem im Bundesanzeiger veröffentlichten, unmittelbar geltenden Ausfuhr-, Einfuhr-, Durchfuhr-, Verbringungs-, Verkaufs-, Liefer-, Bereitstellungs-, Weitergabe-, Dienstleistungs-, Investitions-, Unterstützungs- oder Umgehungsverbot eines Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften zuwiderhandelt, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient“.

Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar

Diesem Bestreben hat Menschenrechtsgerichtshof jetzt Grenzen gesetzt. Den Angeklagten sei es nicht möglich gewesen, gegen die Aufnahme der DHKP-C in die Terrorlisten gerichtlich vorzugehen. Zudem habe bis 2007 eine Begründung für die Aufnahme der Organisation in die Terrorliste gefehlt, so dass eine gerichtliche Kontrolle nicht erfolgen konnte. Weil dadurch gegen elementare Verfahrensgarantien verstoßen worden sei, kann das Außenwirtschaftsgesetz bis Juni 2007 nicht auf die Terrorlisten angewendet werden, urteilt der Menschenrechtsgerichtshof.

Es war nicht die erste juristische Korrektur der Terrorlisten, wie die europäische Menschenrechtsorganisation ECCHR betont:
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 Bislang führte jedoch jede Klage vor europäischen Gerichten gegen die in diesem Fall betroffene EU-Terrorismusliste zur Streichung des jeweiligen Betroffenen von der Liste. Grund dafür waren systematische Verstöße gegen das Recht auf Verteidigung, insbesondere auf ein faires Verfahren, das Recht auf rechtliches Gehör des Betroffenen sowie den Eigentumsschutz.
ECCHR

Die Organisation benennt auch das Problem ganz deutlich:
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 Bevor überhaupt strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt, werden aufgrund von unbestimmten Vermutungen und unter gravierender Verletzung von elementaren rechtsstaatlichen Grundsätzen einschneidende und stigmatisierende Maßnahmen gegen Einzelne verhängt.
ECCHR

Allerdings haben die juristischen Niederlagen nicht zur grundlegenden Hinterfragung der sogenannten Politik der Terrorlisten geführt, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar sind. Das hat der ECCHR in seiner Stellungnahme an den Europäischen Gerichtshof noch einmal klargestellt. Die Beschlüsse, mit denen Personen und Gruppen in die Liste aufgenommen wurden, seien rechtswidrig und daher für ungültig zu erklären. Das ECCHR betont zudem, dass die EU sich um ein rechtsstaatliches und faires Verfahren zur Konteneinfrierung von Terrorismusverdächtigen bemühen muss, das alle Verteidigungs- und Verfahrensrechte der Betroffenen respektiert. Insbesondere seien aufgrund der immensen wirtschaftlichen, finanziellen und gesellschaftlichen Folgen einer Aufnahme in eine Terrorismusliste, die einer strafrechtlichen Sanktion gleichkommen, auch strafrechtliche Verfahrensgarantien im Listungsverfahren zu beachten.

Das Gutachten des ECCHR führt weiter aus, dass rechtsfehlerhafte Beschlüsse nicht die Grundlage einer Strafverfolgung sein können. Die Beschlüsse werden halbjährlich in teilweise veränderter Form und mit verändertem Inhalt vom Europäischen Rat verabschiedet. Diese dynamische Änderung der Beschlüsse und damit aufgrund des deutschen Außenwirtschaftsgesetz auch eine sich ständig ändernde Strafnorm habe zur Folge, dass der Bürger die Rechtsfolgen seines Verhaltens nicht voraussehen kann und sich somit unter Umständen strafbar macht. Eine solche Strafbarkeit verstößt gegen den grundgesetzlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Danach muss ein Straftatbestand hinreichend genau formuliert und seine Rechtsfolgen müssen bestimmt sein, führt das ECCHR an.

Folgen des Urteils

Der Bundestagsabgeordnete der Linken Andrej Hunko, der für seine Partei im Ausschuss für europäische Angelegenheiten sitzt und das Düsseldorfer Verfahren besucht hat, nennt das Urteil eine „schallende Ohrfeige für die Bundesanwaltschaft“:
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 Während das Oberlandesgericht Düsseldorf trotz gravierender offener Fragen nicht bereit war, die Verhandlung bis zur Vorabentscheidung auszusetzen, hat der EuGH mit einem beschleunigten Verfahren seine Verantwortung rechtzeitig wahrgenommen. Sein Urteil zeigt erschreckend deutlich, dass die Bundesanwaltschaft nicht einmal grundlegende Rechtsprinzipien wie das Verbot der Rückwirkung von Vorschriften respektiert.
Andrej Hunko

Allerdings wird das Verfahren vor dem Düsseldorfer Staatsschutzsenat weitergehen, weil gegen die beiden Angeklagten auch nach § 129b (Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung) verhandelt wird. Dieser Paragraph steht in der Kritik von Menschenrechtsorganisationen und linker Solidaritätsgruppen, war aber nicht Gegenstand einer juristischen Überprüfung vor dem Europäischen Gerichtshof.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32899/1.html

Peter Nowak

Juristisch gegen die Volkszählung?

Der Datenschutzexperte Werner Hülsmann bereitet Widerstand vor / Der Diplom-Informatiker ist Mitglied im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung

ND: Deutschland wird sich an der EU-weiten Zensusrunde 2011 mit einem registergestützten Verfahren beteiligen. Was kritisieren Sie daran?
Hülsmann: Bei der Volkszählung im nächsten Jahr geht es um eine umfängliche Erfassung von Menschen. Es sind vor allem zwei Punkte, die wir hier besonders monieren und die Gegenstand unserer Verfassungsklage sind. Die Daten sind nicht anonymisiert. So werden Namen, Anschrift und die Identifikationsnummer mehrere Jahre gespeichert. Über diese Identifikationsnummer ist die Zuordnung zu den Daten möglich. Dieses Vorgehen verletzt wichtige Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das in seinem Urteil 1983 eine solche gemeinsame Ortungsnummer ausdrücklich verboten hat.

Was ist der andere Kritikpunkt?
Anders als bei der Volkszählung in der BRD 1987 werden diesmal nicht alle Einwohner befragt, sondern sollen die Datensammlungen von Behörden wie den Meldeämtern, der Bundesagentur für Arbeit und anderen öffentlichen Stellen zusammengeführt werden. Das halten wir für eine Zweckentfremdung, weil sensible, für einen begrenzten Zweck gesammelte Daten ohne Einwilligung der Betroffenen zusammengeführt werden.

Wie wehren Sie sich dagegen?
Mit einer Verfassungsbeschwerde will der Arbeitskreis Zensus des AK Vorratsdatenspeicherung diese Bestimmungen juristisch prüfen lassen. Auf unserer Homepage www.zensus11.de kann diese Beschwerde noch bis zum 12. Juli digital unterschrieben werden. Bisher haben sich dort ca. 8000 Menschen eingetragen. Wir denken, dass die Unterstützung in den nächsten Tagen noch wachsen wird.

Wehren Sie sich nur gegen diese Punkte oder lehnen Sie die Volkszählung generell ab?
Generell bezweifle ich den Sinn von Volkszählungen, weil sie nicht auf freiwilliger Basis erfolgen. Wenn es darum geht, eine Datenbasis für Planungen zu bekommen, kann diese über freiwillige, tiefergehende Untersuchungen von seriösen Meinungsforschungsinstituten gewonnen werden.

Gibt es Unterstützung für Ihre Initiative aus der Politik und den Gewerkschaften?
Die Diskussion über die Volkszählung im nächsten Jahr steht noch ganz am Anfang. Daher gibt es von den Parteien bisher kaum Reaktionen, auch nicht von den Grünen, die in den 80er Jahren den Widerstand gegen die Volkszählung mitgetragen haben. Nur die Piratenpartei hat sich bisher gegen die Volkszählung positioniert, was aber nicht verwundern dürfte. Auch bei den Gewerkschaften gibt es bisher keine Positionierung. Das könnte sich aber in Zukunft noch ändern, weil sie durch die Auseinandersetzung mit dem elektronischen Datenregister Elena für den Datenschutz stärker sensibilisiert sein dürften.

Planen Sie über den Rechtsweg hinaus weitere Aktionen?
Bis Mitte Juli konzentrieren wir uns auf die Verfassungsklage. Wir sind uns aber im Klaren, dass die Entscheidung auch negativ für uns ausfallen kann. Dann wird zu überlegen sein, wie mit kreativem Widerstand Daten verweigert werden können. Dazu werden wir sicher auch auf die Erfahrungen der Volkszählungsboykottbewegung der 80er Jahre zurückschauen.

Wichtig ist auch eine Auseinandersetzung mit möglichen rechtlichen Folgen einer Datenverweigerung, wie Zwangs- und Bußgelder. Denn wie in den 80er Jahren gibt es auch 2011 keine Wahlfreiheit. Genau das ist das entscheidende Problem bei der Volkszählung.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/174473.juristisch-gegen-die-volkszaehlung.html

Interview: Peter Nowak

Streit um Ausschluss von Gewerkschaftern

IG-Metaller weiter im Konflikt mit IG Metall
In Berlin konnte man am Donnerstag eine Premiere erleben. Gewerkschafter organisierten vor dem Berliner IG-Metallhaus eine Kundgebung.  „Kein Ausschluss kämpferischer Gewerkschafter“ lautet das Motto.  Die protestierenden Gewerkschafter wanden sich damit gegen die Empfehlung eines gewerkschaftsinternen Untersuchungsausschuss, der vor wenigen Tagen den Ausschluss von Mustafe Efe, Fehmiye Utku und Martin Franke aus der IG-Metall empfohlen hat. 15 weitere Gewerkschafter sollen eine Rüge erhalten. Die 18 IG-Metall-Mitglieder arbeiten beim Daimler-Werk in Berlin-Marienfelde und haben bei der letzten Betriebsratswahl auf der Liste der „Alternativen Metaller“    kandidiert und 5 von 21 Sitzen im Betriebsrat enthalten. Da die Liste neben der offiziellen IG-Metall-Liste kandiert hat, wird den Kandidaten gewerkschaftsschädigendes Verhalten bewertet.
Unterschiedliche Gewerkschaftspolitik
Ein Mitglied des Solidaritätskreises mit der Alternative sieht in der Auseinandersetzung hingegen unterschiedliche Vorstellungen von der gewerkschaftlichen Arbeit. „Während die IG-Metall-Mehrheit eher auf das Comanagement setzt, verficht die Alternative eine Politik der kämpferischen Interessenvertretung“.       
Gegen den drohenden Ausschluss setzten sich bundesweit Gewerkschafter und gewerkschaftsnahe Wissenschaftler, wie der emeritierte Berliner Politologe Bodo Zeuner, ein.
„Innergewerkschaftliche Demokratie heißt auch, dass die Gewerkschaft als Organisation verschiedenen Meinungen ein Diskursfeld eröffnet“, heißt es in einen von ihnen unterschriebenen  Offenen Brief an die IG-Metallverwaltung Berlin und den IG-Metall-Vorstand. Die Unterzeichner einen Rückfall in die 70er Jahre als die SPD-nahe Gewerkschafsführung gegen linke Kritiker mit Ausschlüssen reagiert hat.  In einer Erklärung auf diesen Offenen Brief haben Gewerkschafter aus dem  Mittelbau, darunter mehrere Mitglieder der Berliner IG-Metallortsverwaltung, zur Versachlichung der Debatte aufgerufen. Sie werben dafür, dass „unsere Kolleginnen und Kollegen bei Daimler – und zwar alle – die Chance erhalten, ihren Konflikt mit Unterstützung unserer IG-Metall konstruktiv zu lösen“. 
    Dieses Schreiben macht deutlich, dass es in der IG-Metallortsverwaltung noch Diskussion über den Umgang mit den Kritikern zu  geben scheint. Sie muss sich in den nächsten Tagen mit der Empfehlung der Untersuchungskommission befassen. Das letzte Wort hat dann der IG-Metall-Vorstand unter Berthold Huber. Weder die Berliner Ortsverwaltung noch der IG-Metall-Vorstand  wollten  zu dem Vorgang gegenüber ND Stellung nehmen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/174373.streit-um-ausschluss-von-gewerkschaftern.html?sstr=IG|Metall|Daimler|Auschluss

Peter Nowak

Ein Blick hinter die WM-Kulissen

Ein Blick hinter die WM-Kulissen Südafrika. Die Grenzen der Befreiung Hg. J.E.Ambacher/R.Khan Berlin/Hamburg: Assoziation A, 2010 263 Seiten, 16 Euro von Peter Nowak Die ersten Werbesymbole für die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika tauchen schon in deutschen Städten auf. Wer sie zum Anlass nehmen will, um sich über die sozialen und politischen Verhältnisse des Landes zu informieren, dem sei dieses Buch empfohlen. In 17 Aufsätzen geben Soziologen, Politologen und Journalisten, die alle auch Teil von politischen und sozialen Bewegungen sind, einen kurzen Überblick über ein Land, das nach dem Ende der Apartheid auch in der Linken enorm an Interesse verloren hat. Die WM wird nur in zwei von Romin Khan geführten Interviews gestreift. Während der Historiker Achille Mbembe davon spricht, dass die Regierung mit der konkreten Ausgestaltung der WM eine Chance auf eine Gesellschaftsumgestaltung verpasst hat, berichtet der aus Kongo stammende Straßenfriseur und soziale Aktivist Gaby Bikombo über die Schwierigkeiten, die gerade Straßenhändler und Arme in Zeiten der WM haben. Die Regierung will die Vorgaben der FIFA erfüllen, was für Bikombo und seine Kollegen Vertreibung und weitere Verarmung bedeuten kann. Solche unterschiedlichen Sichtweisen stehen in dem Buch häufiger nebeneinander. Was aber in den unterschiedlichen Beiträgen immer angesprochen wird, sind die Probleme von sozialen Bewegungen, die in den letzten Jahren des Apartheidregimes gewachsen waren und später zum großen Teil vom allmächtigen ANC kooptiert oder an den Rand gedrängt wurden. Dass dafür auch interne Probleme verantwortlich sind, machen Stephen Greenberg am Scheitern der Landlosenbewegung und Prishani Naidoo an den internen Konflikten des Antiprivatisierungsforums transparent. Es kommen auch kritische ANC-Mitglieder zu Wort, wie der Anti-AIDS-Aktivist Zackie Achmat. Der sieht die Partei noch immer als ein Bollwerk gegen Xenophobie und Rassismus. Achma und die Aktivistin Manisa Mali zeichnen ein wesentlich differenzierteres Bild von der AIDS-Politik der ANC-Regierungen als ein Großteil der hiesigen Medien. So sehr sie die Ignoranz des vorletzten Präsidenten Mkebi und seiner Gesundheitsministerin in der Frage der Entstehung von AIDS kritisieren, so sehr betonen sie, dass es bei der Herstellung wirksamer, günstiger Medikamente sogar eine Zusammenarbeit gegen die Verbände der Pharmaindustrie gegeben hat. Die letzten beiden Kapitel befassen sich mit dem Rassismus gegenüber Migranten aus anderen afrikanischen Ländern. Dabei geht der in der Arbeiterbildungsarbeit tätige Oupa Lehulere scharf mit der Position der größten südafrikanischen Gewerkschaft COSATU ins Gericht, der er vorwirft, sich hauptsächlich für die südafrikanischen Arbeiter zu engagieren. Für Lehulere ist der wachsende Rassismus in Südafrika nicht in erster Linie eine Folge der Verarmung sondern der Niederlage der linken Kräfte in der Arbeiterbewegung. Das Buch schließt mit einer Erklärung von Aktivisten aus Armensiedlungen in der Nähe von Durban, die sich wenige Tage nach den rassistischen Pogromen vom Mai 2008 in bewegenden Worten für einen gemeinsamen Kampf aller Unterdrückten ausgesprochen haben. Solche Stimmen von der Basis hätte sich der Leser öfter gewünscht, weil das Buch doch gerade in den Kapiteln über den Kampf der Frauen in einem sehr soziologischen Duktus gehalten ist. Es liefert aber einen guten Blick hinter die WM-Kulissen.

http://www.sozonline.de/2010/06/ein-blick-hinter-die-wm-kulissen/#more-1033

Peter Nowak