Die Handschrift des Vermieters

FRIEDRICHSHAIN Veranstaltungsraum eines Hausprojekts soll Dienstag geräumt werden. Problem ist ein Zusatz im Mietvertrag
„Wer ist denn dieser Bodi?“ Diese Frage muss sich Karen Vogler öfter anhören, wenn sie in Szenekneipen Flyer mit der Parole „Solidarität mit der Bödi 9“ auslegte. Die Künstlerin ist eine von 20 BewohnerInnen des ersten Hinterhauses der Bödikerstraße 9 in Friedrichshain. Im Erdgeschoss haben die MieterInnen einen Versammlungsraum eingerichtet. Dort werden Filme gezeigt und es gibt einmal in der Woche Essen zu günstigen Preisen.

Doch damit könnte es bald vorbei ist. Für Dienstag hat sich die Gerichtsvollzieherin angesagt. Dann sollen die Erdgeschossräume besenrein übergeben werden. Eine Kündigung durch den Eigentümer wurde vom Lichtenberger Amtsgericht bestätigt mit der Begründung, dass es sich bei den Räumen im Erdgeschoss nicht um Wohnraum handele. Grund war ein handschriftlicher Eintrag auf dem Anfang der 90er-Jahre mit dem damaligen Hausbesitzer geschlossenen Vertrag. Der hatte beim Erdgeschoss mit Bleistift das Wort „Hobbyräume“ eingetragen. „Wir haben die juristische Bedeutung dieses Vermerks nicht erkannt“, meint Bewohner Jörg Friedrich.

Die BewohnerInnen hatten Anfang der 90er-Jahre kurzzeitig ein Haus in der Friedrichshainer Modersohnstraße besetzt und nach Verhandlungen mit BezirkspolitikerInnen die Bödikerstraße 9 im relativ abgeschlossenen Teil vom Friedrichshain zwischen den S-Bahnhöfen Ostkreuz und Warschauer Straße als Ersatzobjekt akzeptiert. Statt Szenelokalen dominieren hier noch die Berliner Bierkneipen. Viele Läden stehen leer.

Doch seit 2007 hat das Haus neue Eigentümer. Der Garten wurde in einen Parkplatz verwandelt, im zweiten Hinterhaus entstanden Lofts. Auch die Projektbewohner sollten gehen. Die Kündigung sämtlicher Mietverträge im ersten Hinterhaus war jedoch ungültig, weil die neuen Eigentümer noch nicht ins Grundbuch eingetragen waren. Auch der Versuch, die MieterInnen per Gericht zu Modernisierungsvereinbarungen zu zwingen, scheiterte. Vogler befürchtet daher, dass die Eigentümer nun im Erdgeschoss mit der Modernisierung beginnen und die BewohnerInnen unter Druck setzen könnten. Deshalb wollen sie die Räumung noch verhindern – per Anwalt und mit Hilfe von außen. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) ist bereit, Gespräche mit den Eigentümern zu moderieren. Die BewohnerInnen laden zunächst für Dienstag ab 8 Uhr zum Frühstück mit Kulturprogramm, Sitzblockade nicht ausgeschlossen.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2010%2F03%2F13%2Fa0224&cHash=c7a4a84318

PETER NOWAK