Parlamentarische Mehrheit für Truppenaufstockung in Afghanistan

Weitgehender Konsens im Parlament über mehr deutschen Soldaten am Hindukusch – Streit über Protestaktion der Linken, die die Opfer des deutschen Bombenbefehls zum Thema machen
429 von 586 Bundestagsabgeordneten stimmten gestern im Bundestag für die Verlängerung des ISAF-Mandats um ein Jahr und die Aufstockung des Bundeswehrkontingents. Künftig sollen 5350 statt 4500 Soldaten eingesetzt werden.

Das Ergebnis war keine Überraschung. Schon in den vergangenen Tagen hat die SPD-Spitze deutlich gemacht, dass die überwiegende Mehrheit ihrer Abgeordneten der Verlängerung zustimmen werde. Der ehemalige Außenminister Steinmeier begründete diese Linie mit Zugeständnissen der Regierungsmehrheit gegenüber seiner Partei. Allerdings hat sich die Bundesregierung zu dem der SPD in der Opposition wichtig gewordenen Thema des Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan nicht auf einen Termin festgelegt.

46 Abgeordnete haben sich bei der Abstimmung enthalten, überwiegend die Parlamentarier der Grünen. Die Parteispitze hatte zuvor ihren Abgeordneten dieses Abstimmungsverhalten empfohlen.

Vertreter der Bundesregierung zeigten sich nach der Abstimmung zufrieden über das Ergebnis. Schließlich ist der Afghanistan-Einsatz nicht nur in der deutschen Bevölkerung unpopulär. In Holland ist vor einigen Tagen am Streit um die Verlängerung des Afghanistan-Mandats die Regierungskoalition zerbrochen. In den USA wird in Bezug nicht nur in Bezug auf Afghanistan vor einer Kriegsmüdigkeit Europas gewarnt, wodurch sogar die Existenz der Nato infrage gestellt werden könnte.

Streit um die Toten von Kunduz

Diese Antikriegsstimmung wird im deutschen Parlament vor allem von der Linkspartei artikuliert. Abgeordnete der Partei sorgten bei der Debatte um das Afghanistan-Mandat für Wirbel. Nach einer Rede ihrer Parlamentarierin Christine Buchholz hielten sie Plakate hoch, auf denen die Namen der Menschen standen, die bei der von einem deutschen Militär befohlenen Bombardierung von Tanklastwagen bei Kunduz ums Leben kamen. Bundestagspräsident Lammert verwies die Abgeordneten des Saals. Doch bei der anschließenden Abstimmung waren sie wieder zugelassen.

Während der SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich der Linkspartei Instrumentalisierung der Opfer im Afghanistan-Krieg vorwarf, sprach sich der Bundestagsabgeordnete der Grünen und erklärte Kriegsgegner Christian Ströbele gegen einen Ausschluss der protestierenden Parlamentarier aus.

Er bezeichnete es als „falsches Zeichen nach Afghanistan und in die Welt“, wenn in Deutschland Parlamentarier des Saals verwiesen würden, weil sie den Opfern eines von Deutschland zu verantwortenden Luftangriffs gedacht hätten.

Zudem will die Bundesregierung keine individuellen Geldzahlungen für die Hinterbliebenen der afghanischen Opfer leisten. Stattdessen soll der Provinz unbürokratische Hilfe gewehrt werden. Gleichzeitig wird der Bremer Rechtsanwalt Karim Popal, der sich unmittelbar nach der Bombardierung für eine Entschädigung einsetzte und auch mehrmals nach Afghanistan reiste, durch Gerüchte als unglaubwürdig dargestellt.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147160

Peter Nowak

Westerwelle und die soziale Ader

„Aufruf zur sozialen Spaltung“: Hartz IV-Debatte im Bundestag
Seit Wochen wird die von FDP-Chef Westerwelle angestoßene Debatte über die Perspektive von Hartz IV in den Medien geführt. Auf Antrag der Grünen hat sich jetzt auch der Bundestag damit befasst. Sie bezeichneten Westerwelles Beiträge als „Aufruf zur sozialen Spaltung“ und monierten das Schweigen der Bundeskanzlerin. Das hat sie mittlerweile gebrochen. In einem FAZ-Gespräch hat Merkel vor allem Westerwelles Gestus als vermeintlicher Tabubrecher kritisiert.

Erwartungsgemäß überwog in der Parlamentsdebatte parteitaktisch motiviertes Geplänkel im Vorfeld der zum bundesweiten Stimmungstest hochgejazzten Landtagswahl in NRW. So warf die SPD-Arbeitsexpertin Anette Kramme Westerwelle vor, „sich nicht im Zeitalter spätrömischer Dekadenz befinden, sondern eher im Zeitalter spätmittelalterlicher Hexenjagd. Da werden die Armen gegen die Armen in Stellung gebracht, da werden Heerscharen von Schmarotzern und Betrügern herbeizitiert, die heuschreckenartig über den Sozialstaat herfallen und ihn kahlfressen. Florida-Rolf ist die Ausnahme, nicht die Regel.“

Klaus Ernst von den Linken versuchte, den Spieß umzudrehen: „Im alten Rom waren es nicht die Sklaven, nicht die Unfreien und auch nicht die unteren Schichten der Gesellschaft, die in Dekadenz gelebt haben, sondern es war die politische und wirtschaftliche Führung. Ich habe den Eindruck, heute ist es wieder so. Herr Westerwelle, Leistungsverweigerer leben in Deutschland nicht von Hartz IV. Die Kontrolle des Kontostands und die Entscheidung, wie viel Geld ins Ausland transferiert wird, ist keine besondere Leistung. Deshalb sage ich Ihnen: Die Leistungsverweigerer in diesem Land sind die Steuerhinterzieher und die Spekulanten und nicht Leute, die im Hartz-Bezug sind.“

Der Gescholtene erinnerte Grüne und SPD dagegen an die jüngere Historie, als beide Parteien die Hartz-IV-Reformen wesentlich vorangetrieben haben. Die ersten Maßnahmen der schwarzgelben Bundesregierung zur Erhöhung des Schonvermögens für Hartz IV-Empfänger seien von mehr sozialer Sensibilität geprägt gewesen als die Politik der Vorgängerregierungen, lobte sich Westerwelle. Er legte Wert auf die Feststellung, keine Richterschelte wegen des Hartz IV-Urteils betrieben zu haben.

Seine Kernaussagen, dass sich Leistung wieder lohnen müsse und wer arbeitet, mehr haben müsse als Erwerbslose, bekräftigte er ausdrücklich. Gleichzeitig erteilte er Forderungen nach einem flächendeckenden Mindestlohn eine Absage. Damit bestätigte er Kritiker, die vermuten, dass es ihm mit der Debatte vor allem um die Ausweitung des Niedriglohnsektors geht, der durch die Absenkung von Leistungen für Erwerbslose vergrößert wird. Auf diese Kritik ist Merkel in dem FAZ-Interview nicht eingegangen, wo sie zentrale Thesen ihres Außenministers bekräftigt hat:

„Für alle Mitglieder der Bundesregierung ist es selbstverständlich, dass jemand, der arbeitet, mehr bekommen muss als jemand, der nicht arbeitet. Dazu herrscht große Übereinstimmung bis in die Oppositionsparteien hinein.“

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147151

Peter Nowak

Akt von Zivilcourage

161 Studierende der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main müssen mit juristischen Verfahren wegen ihrer Aktivitäten im Bildungsstreik rechnen.

Sie gehören zu den 171 Personen, deren Personalien bei der Räumung eines besetzten Unigebäudes am 2. Dezember 2009 festgestellt wurden. Die Universitätsleitung hat die von zahlreichen Studierenden und Wissenschaftlern geforderte Rücknahme der Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch von der Unterzeichnung einer Erklärung abhängig gemacht, in der sich die Betroffenen zur Gewaltlosigkeit am Campus verpflichten sollen. In einem Einschreiben wird auch die Besetzung von Unigebäuden als Gewaltakt bezeichnet.

„Akt von Zivilcourage“ weiterlesen

Besteht noch Hoffnung für die Friedensbewegung?

 

Gerade einmal 2.000 Menschen sind am vergangenen Samstag einem bundesweiten Aufruf von Friedensgruppen
gefolgt, in Berlin gegen den Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch zu protestieren. „Obwohl Umfragen zufolge die Mehrzahl der Bundesbürger den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ablehnt, lassen sich nur wenige Menschen mobilisieren.“ Diese Einschätzung von Ute Finckh vom Bund für Soziale Verteidigung hat sich wieder einmal bestätigt. Nach diesem Wochenende sieht die Zukunft der Gegner des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr nicht gerade rosig aus.

Besteht noch Hoffnung für die Friedensbewegung?
Wer diese Frage stellt, muss die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die geringe Beteiligung auch hausgemachte Gründe hat. Warum etwa sollten Menschen aus der Provinz den langen Weg nach Berlin auf sich nehmen, um allgemeinen Moralvorstellungen des Theologen Eugen Drewermann zu lauschen? Oder eine Rezitation von Wolfgang Borcherts berühmtem Gedicht „Sag Nein“ anzuhören? Es handelt sich zweifellos um einen eindrucksvollen Evergreen der Friedensbewegung. Aber istes auch ein hilfreicher Beitrag zur Debatte in der aktuellen Situation?

Weil er arbeitslos war
Da wäre es doch erfolgversprechender, sich an den Initiatoren des Fuldaer Appells ein Beispiel zu nehmen. Initiiert wurde der Aufruf bereits im vergangenen Herbst. Unmittelbarer Anlass war der Tod eines Soldaten aus der osthessischen Stadt, der an seinen schweren, in Afghanistan zugezogenen Verletzungen gestorben war. „Bei seiner Beerdigung wurde viel über seinen Tod für das Vaterland schwadroniert, aber dass der Mann zur Bundeswehr gegangen war, weil er arbeitslos war und keine Chance auf einen zivilen Job hatte, wurde nicht erwähnt“, meint Karin Masche vom Fuldaer DGB-Kreisvorstand. Sie initiierte daraufhin
den Fuldaer Appell – in dem nicht nur einfach der Rückzug der Bundeswehr gefordert wird, sondern auch eine zivile Jobalternative für Bundeswehrangehörige.
Die Initiative hat in den letzten Monaten viel Unterstützung gefunden. Tatsächlich hat die Friedensbewegung hier zu Lande noch eine Chance, wenn sie sich am Fuldaer Appell orientiert, also mehr konkrete Forderungen aufstellt und vor allem regionale Initiativen stärkt.
Dass ausgerechnet das osthessische Fulda eine Pionierrolle einnimmt, ist kein Zufall. Die Stadt hat zwar den Ruf, eine besonders konservative Hochburg zu sein, in der ein CDU-Rechtsausleger wie Alfred Dregger jahrzehntelang als Oberbürgermeister amtierte und Bischof
Johannes Dyba eine besonders konservative Variante des Katholizismus praktizierte. Weniger bekannt ist, dass rund um Fulda vor rund 25 Jahren eine starke Antikriegsbewegung entstanden ist. Nicht zuletzt wegen der US-Planspiele, denen zufolge das Fulda Gap im Kriegsfall zum militärischen Aufmarschgebiet werden sollte. Damals wechselten Ostermärsche, Antikriegscamps und Manöverbehinderungsaktionen einander ab. So entstand eine regionale friedenspolitische Infrastruktur, die noch heute handlungsfähig ist. Davon kann die Antikriegsbewegung in Deutschland lernen, wenn sie wieder ein politischer Faktor werden will.
erschienen in Printausgabe der Wochenzeitung Freitag 8/2010

Peter Nowak bloggt auf freitag.de

Gebühren für Flüchtlinge auf Prüfstand

Stadt Halle will zehn Euro für Reiseantrag
Am 26. März entscheidet das Verwaltungsgericht Halle über die Frage, ob Flüchtlinge in Deutschland eine Gebühr zahlen müssen, wenn sie einen Antrag auf Verlassen ihres Landkreises stellen.
Wenn Komi E. seine Freundin in Berlin besuchen will, muss er zahlreiche bürokratische Hürden überwinden. Er lebt als Flüchtling in Halle und ist der Residenzpflicht unterworfen. Wenn er den Landkreis verlassen will, muss er bei der zuständigen Ausländerbehörde einen Antrag auf Genehmigung stellen. Die verlangt dafür eine Gebühr von 10 Euro und stützt sich auf die Aufenthaltsverordnung, in der es heißt, »für sonstige Bescheinigungen auf Antrag« kann eine Gebühr von 10 Euro erhoben werden. Allerdings sieht dieselbe Aufenthaltsverordnung eine Befreiung von Gebühren für Flüchtlinge vor, die Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen.

In Halle ist die Gebührenpflicht standardmäßig im Antragsformular festgelegt, unabhängig davon, ob der Flüchtling sozial bedürftig ist oder nicht. E. sieht in dieser Gebühr eine weitere Hürde bei der Durchsetzung der Bewegungsfreiheit für Flüchtlinge in Deutschland. Schließlich seien 10 Euro für jeden Antrag gerade für Flüchtlinge oft kaum finanzierbar. Schließlich müssen sie mit den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auskommen. Das sind in der Regel 185 Euro im Monat, die meist in Sachleistungen und Gutscheinen verrechnet werden sowie ein monatliches Taschengeld von 40 Euro in bar.

Gegen die Residenzpflicht
E. will mit dem Prozess aber das System der Residenzpflicht insgesamt anklagen, das in Deutschland die Bewegungsfreiheit von Menschen gravierend eingeschränkt. Diese Einschätzung teilt die Sozialwissenschaftlerin Beate Selders. Selbst wenn die Ausländerbehörden die Genehmigung der Reise liberal handhabt, seien die Flüchtlinge von Einschränkungen betroffen. Da die Behörden in der Regel nur zweimal in der Woche geöffnet haben, sind kurzfristige Reisen unmöglich. Außerdem sind die Ämter häufig bis zu 100 Kilometer von Sammelunterkünften für Flüchtlinge entfernt, die für den Antrag nicht nur viel Zeit benötigen, sondern auch für die Fahrtkosten aufkommen müssen. Die Gebühr stellt dann noch eine zusätzliche finanzielle Belastung dar.

Die Initiative Togo Action Plus, deren Vizepräsident der Kläger ist, sieht als Folge der Residenzpflicht auch eine massive Einschränkung von Selbstorganisationsprozessen von Flüchtlingen. »Die Teilnahme an Vorbereitungstreffen, Diskussionsforen, kulturellen Aktivitäten, das Treffen von Freunden und Freundinnen oder der Besuch von Mitaktivisten im Abschiebegefängnis wird kontrolliert.«

Obwohl durch das Verfahren in Halle die Residenzpflicht nicht abgeschafft wird, sehen Flüchtlingsorganisationen und antirassistische Initiativen in einem Erfolg der Klage eine Ermutigung ihrer Arbeit. Deswegen wird auch bundesweit zur Prozessbeobachtung nach Halle mobilisiert. Für Komi E. wäre ein Erfolg ein Etappensieg. Er ist mittlerweile von der Ausländerbehörde im Saalekreis aufgefordert worden, 1165,01 Euro für Aufwendungen zu zahlen, die die Behörde für die Vorbereitung seiner Abschiebung aufgewendet hat. Auch gegen diesen Bescheid, in denen Antirassisten eine Rache an einen Flüchtlingsaktivisten sehen, hat E. Klage eingereicht.

Der Prozess beginnt um 10 Uhr, Verwaltungsgericht Halle, Sitzungssaal 1063, Thüringer Str. 16.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/165770.gebuehren-fuer-fluechtlinge-auf-pruefstand.html

Peter Nowak

Protest gegen den Krieg

Kundgebung und Demonstration »Kein Soldat mehr« in Berlin
Aktion gegen den Krieg in Afghanistan. Lediglich 2000 Friedensbewegte demonstrierten in Berlin, obwohl die Ablehnung des Bundeswehreinsatzes in der Bevölkerung weiter verbreitet ist.
Rund 2000 Menschen demonstrierten am Sonnabend in Berlin für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. »Kein Soldat mehr. Dem Frieden eine Chance – Truppen raus aus Afghanistan« hieß das Motto der Aktion, zu der bundesweit aufgerufen worden war.

Unter den Teilnehmern befanden sich auch Bundes- und Landtagsabgeordnete der Linkspartei und einige Gewerkschafter, die mit der Fahne der IG Bauen Agrar Umwelt Flagge zeigten. »Krieg wird niemals Frieden, wie auch eine Katze niemals ein Hund wird«, widersprach der Theologe Eugen Drewermann unter Applaus den Beteuerungen der Bundesregierung, der Einsatz der Bundeswehr diene dem Frieden in Afghanistan. Drewermann schloss seinen Beitrag mit einem literarischen Klassiker der deutschen Friedensbewegung ab, indem er das Gedicht »Sag nein«, von Wolfgang Borchert rezitierte.

Einen anderen politischen Akzent setze eine Gruppe jüngerer Kriegsgegner mit einem Transparent, auf dem die Parole stand: »Was in Deutschland brennt, kann in Afghanistan keinen Schaden anrichten«. »Wir wollen deutlich machen, dass es sehr unterschiedliche Formen des Antimilitarismus gibt. So haben in verschiedenen Ländern Antimilitaristen Kriegsgerät zerstört, bevor es zum Einsatz kommt«, betonte eine Frau hinter dem Transparent gegenüber ND. In Berlin sind im Dezember 2009 drei Männer, denen versuchte Brandstiftung an Militärfahrzeugen vorgeworfen wurde, zu Haftstrafen verurteilt worden.

An die Kundgebung schloss sich eine Demonstration zum Reichstagsgebäude an. Mit einem symbolischen »Die-In« (engl. Sterben) wollten Mitglieder der Internationalen Ärzteorganisation für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) auf die alltäglichen Opfer des Afghanistankrieges aufmerksam machen. »In unseren Medien werden Zivilisten, die in Afghanistan durch NATO-Bomben sterben, nur am Rande erwähnt«, beklagte eine IPPNW-Aktivistin.

Zum Abschluss der Demonstration wurden Schilder mit den Namen von 100 Städten, in denen Kriegsgegner aktiv sind, in der Nähe des Reichstags platziert. Darunter waren Berlin, Bremen und Hamburg, das sachsen-anhaltische Halle an der Saale und das osthessische Fulda, die bisher nicht als politische Hochburgen bekannt waren.

Seit einigen Monaten ruft der DGB-Kreisverband Fulda mit einem Appell zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und zur Schaffung ziviler Arbeitsplätze auf. Auch in Berlin wurden Unterschriften für den Fuldaer Appell gesammelt.

»Anlass war der Tod eines jungen Mannes aus Fulda, der an den Folgen seiner Verletzungen, die er sich als Soldat in Afghanistan zugezogen hatte, im letzten Jahr starb. Bei der Beerdigung wurde viel vom Tod für das Vaterland gesprochen. Dass sich der Mann zur Bundeswehr gemeldet hatte, weil er arbeitslos war, wurde nicht erwähnt.« Das sei der Anlass für die Gewerkschafter gewesen, friedenspolitische Position zu beziehen, berichtet Karin Masche vom Fuldaer DGB-Kreisvorstand.

Wie die Städteschilder deutlich machten, ist das Beispiel aus Osthessen keine Ausnahme. An der Basis laufen mehr Aktivitäten gegen die Bundeswehr in Afghanistan, als die relativ bescheidene Zahl der Demonstrationsteilnehmer am Sonnabend vermutet lässt. »Obwohl Umfragen zufolge die Mehrzahl der Bundesbürger den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ablehnt, lassen sich nur wenige Menschen dafür mobilisieren«, diese Einschätzung von Ute Finckh vom Bund für Soziale Verteidigung (BSV) hat sich wieder einmal bestätigt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/165617.protest-gegen-den-krieg.html

Peter Nowak

Geringe Beteiligung beim Protest gegen Afghanistaneinsatz der Bundeswehr

Es gibt aber eine ganze Reihe lokaler Aktivitäten gegen das Engagement der Bundeswehr in Afghanistan.

„Obwohl Umfragen zufolge die Mehrzahl der Bundesbürger den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ablehnt, lassen sich nur wenige Menschen dagegen mobilisieren.“ Diese Einschätzung von Ute Finckh vom Bund für Soziale Verteidigung hat sich am Samstag wieder einmal bestätigt.

Ca. 2000 Menschen demonstrierten am Samstag in Berlin für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. „Kein Soldat mehr. Dem Frieden eine Chance – Truppen raus aus Afghanistan“ hieß das Motto der Aktion, zu der bundesweit mobilisiert wurde.

„Krieg wird niemals Frieden, wie auch eine Katze niemals ein Hund wird“, widersprach der Theologe Eugen Drewermann unter Applaus den Beteuerungen der Bundesregierung, der Einsatz der Bundeswehr diene dem Frieden in Afghanistan. Drewermann schloss seinen Beitrag mit einem literarischen Klassiker der deutschen Friedensbewegung ab, indem er das Gedicht „Sag nein“, von Wolfgang Borchert rezitierte.

Zum Abschluss der Demonstration wurden Schilder mit den Namen von 100 Städten, in denen Antimilitaristen aktiv sind, in der Nähe des Reichstags platziert. Darunter waren neben Großstädte wie Berlin, Bremen und Hamburg auch Orte wie Halle an der Saale und das osthessische Fulda, die bisher nicht als politische Hochburgen bekannt waren.

Seit einigen Monaten ruft der Kreisverband des Fuldaer DGB mit einem Appell zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und zur Schaffung von zivilen Arbeitsplätzen auf. „Der Anlass war der Tod eines jungen Mannes aus Fulda, der an den Folgen seiner Verletzungen, die er sich als Soldat in Afghanistan zugezogen hat, im letzten Jahr gestorben war. Bei der Beerdigung sei viel vom Tod für das Vaterland gesprochen worden, nicht aber, dass sich der Mann zur Bundeswehr gemeldet hatte, weil er arbeitslos war“, berichtet Karin Masche vom Fuldaer DGB-Kreisvorstand. Das sei der Anlass für die osthessischen Gewerkschafter gewesen, friedenspolitische Position zu beziehen.

Wie die Städteschilder deutlich machten, ist das Beispiel aus Osthessen keine Ausnahme. An der Basis laufen mehr Aktivitäten gegen das Engagement in Bundeswehr in Afghanistan, als die relativ bescheidene Zahl der Demonstrationsteilnehmer am Samstag vermuten lässt. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/147115

Peter Nowak

Beliebte Szene-Devotionalien

Rechter Lifestyle-Laden in Berlin geschlossen.

Der Klamottenladen „Harakiri“ im Nordosten Berlins ist seit dem 9. Februar geschlossen, er war in letzter Zeit nur noch sporadisch geöffnet. Vor mehr als 15 Jahren hatte Henry Harms den Shop eröffnet, der stand seitdem immer wieder in der Kritik und war häufig Ziel von Protesten. Denn im hinteren Raum des Ladens wurden zahlreiche in der braunen Szene beliebte Devotionalien angeboten. Dazu zählte nicht nur die beliebte Modemarke „Thor Steinar“, sondern auch indizierte Tonträger der Neonazi-Bands „Screwdriver“, „Spreegeschwader“ und „Blue Eyed Devils“ waren in dem Laden zu finden. Zudem lagen in dem Laden auch Informationsmaterialien wie Flyer und Plakate aus, auf denen für Veranstaltungen, Demonstranten und Konzerte der Neonazi-Szene geworben wurde.

Nach Angaben von Claudia Franke, die als Mitglied einer regionalen „Antifagruppe“ schon seit Jahren den Laden im Blick hat, sorgte der Shop nicht nur für den Lifestyle der rechten Szene. Im Jahr 2007 sollen Ladenmitarbeiter Neonazis Aufnahmen vermeintlicher politischer Gegner zur Verfügung gestellt haben, die diese dann versehen mit Adressen und Namen der Betroffenen im Internet veröffentlichten. Die Fotos seien durch eine am Laden befestigte Überwachungskamera geknipst worden. Mit der Schließung des Ladens fällt auch ein Teil der braunen Infrastruktur weg. Der Verkauf der Materialien für den braunen Lifestyle wird allerdings weiterhin via Internetversand und Ebay abgewickelt.

Das Internet ist auch die Haupteinnahmequelle beim Vertrieb von Thor-Steinar-Artikeln. Die beiden Läden in den Berliner Stadtteilen Mitte und Friedrichshain, in denen die Modemarke vertrieben wird, werden nicht aus ökonomischen Aspekten, sondern vor allem aus Prestigegründen weiter betrieben. Allerdings sind in beiden Fällen Räumungsklagen anhängig, über die noch nicht entschieden wurde. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das in letzter Instanz über die Räumung eines Thor-Steinar-Ladens in Magdeburg zu befinden hat, könnte auch über die Zukunft dieser Läden entscheiden.

 http://www.bnr.de/content/beliebte-szene-devotionalien

Peter Nowak

Kampf um Standort

Die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei (SVP) hat in ihrem Rundumschlag gegen alle Nichtschweizer auch einen Passus über deutschen Filz und deutsche Arroganz mit aufgenommen. Ins Visier der Schweizer Rechten sind vor allem Studierende und Wissenschaftler aus Deutschland geraten.

Die Klage über die zunehmende Zahl deutscher Wissenschaftler und Studierende in der Schweiz ist allerdings längst nicht nur auf rechte Kreise beschränkt. Schon seit Jahren monieren in der Schweiz arbeitende IT-Wissenschaftler in Internetblogs die Arroganz in ihrem Gastland. Gelegentlich seien sie auch schon aufgefordert worden, »heim ins Reich« zu gehen.

Bei den deutsch-schweizer Animositäten handelt es sich nicht um Rassismus, wie in auch in hiesigen Medien zu lesen war, sondern um Standortnationalismus. Schweizer rivalisieren mit den Zuwanderern um die besten Jobs und die attraktivsten Studienplätze. Da wird in Schweizer Medien schon mal vor deutschen Verhältnissen an Schweizer Hochschulen gewarnt. Gemeint sind damit überfüllte Hörsäle und rare Lehrmittel.

Ähnliche Töne kommen übrigens auch aus Österreich. Nachdem in dem Land die Studiengebühren abgeschafft wurden, warnten nicht nur rechte Medien vor Studierenden aus Deutschland, die auf der Flucht vor der Unimaut in Deutschland in österreichischen Hörsälen Asyl suchen.

Das Lamento vieler deutscher Medien und Politiker über die Ausfälle der Schweizer und österreichischen Nachbarn gegen deutsche Wissenschaftler und Studierende ist allerdings scheinheilig. Ihnen sollte man die Frage stellen, ob sie sich mit der gleichen Vehemenz auch gegen die vielfältigen Diskriminierungen wenden, denen sich Menschen ohne deutschen Pass im deutschen Bildungswesen und der deutschen Gesellschaft ausgesetzt sehen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/165390.kampf-um-standort.html

Peter Nowak

Babylon-Boykott bleibt für FAU illegal

Solikomittee startet Unterstützungsaufruf
Die anarchosyndikalistische Freie ArbeiterInnen Union Berlin (FAU) darf auch weiterhin nicht zum Boykott des Berliner Kinos Babylon-Mitte aufrufen. Das entschied das Landesarbeitsgericht Berlin am 16. Februar und bestätigte damit eine bereits im Oktober 2009 erlassene Einstweilige Verfügung der Babylon-Geschäftsführung. Der Boykott-Aufruf war Teil eines Arbeitskampfes, mit dem sich ein großer Teil der Kinobeschäftigten für den Abschluss eines Haustarifvertrags einsetzte. Mittlerweile wurde der FAU auch verboten, sich als Gewerkschaft oder Basisgewerkschaft zu bezeichnen. FAU-Sekretären drohen Ordnungsgelder und sogar Haft, weil die Organisation nach Ansicht der Babylon-Geschäftsführung gegen die Einstweilige Verfügung verstoßen hat. FAU-Sekretär Lars Röhm spricht gegenüber ND von einem Verstoß gegen die in internationalen Konventionen festgeschriebene Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer.

Jetzt bekommt die FAU jedoch Unterstützung aus dem linksgewerkschaftlichen Spektrum des DGB. Betriebsräte, Teamer und auch ein ehemaliger ver.di- Gewerkschaftssekretär sprechen sich in einem Aufruf für die Verteidigung des Koalitionsrechts und die Aufhebung aller gerichtlichen Sanktionen gegen die FAU aus. »Es ist auch ein Appell an die Mitglieder und Funktionäre der DGB-Gewerkschaften, die auch aus Eigeninteresse diese Forderungen unterstützen sollten«, sagt Jochen Gester vom Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall zu ND. Gester koordiniert die Initiative, die nach einer Veranstaltung zur Organisationsfreiheit Ende Januar in Berlin gegründet wurde. Es gehe nicht darum, die Gewerkschaftsvorstellungen der FAU zu unterstützen, sondern um ihr Recht, diese ohne Repression vertreten zu können, betont Gester. Schließlich hätten die Beschäftigten und nicht die Gerichte zu entscheiden, wie sie sich gewerkschaftlich organisieren.

Gewerkschaftsexperte Willi Hajek, der zu den Erstunterzeichnern gehört, will mit dem Aufruf auch die oppositionelle Gewerkschaftsarbeit im DGB stärken. Mit Mustafe Efe hat zudem ein IG Metall Betriebsrat von AEG-Daimler aus Berlin, der auf einer alternativen Liste zu den Betriebsratswahlen antritt, den Aufruf unterschrieben. Aus dem DGB-Apparat gab es bisher keine Reaktion. Es sind aber schon Unterstützungserklärungen von Einzelgewerkschaften eingegangen, betont Hajek.

Auf einer Veranstaltung am 3. März um 20 Uhr wird sich die Initiative im Berliner Stadtteiladen »Zielona Gora« in der Grünberger Straße 73 vorstellen. Aufruf unter www.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/real/fau.html. Kontakt: koalitionsfreiheit@googlegroups.com

 

http://www.neues-deutschland.de/artikel/165393.babylon-boykott-bleibt-fuer-fau-illegal.html

 

Peter Nowak

Schlechte Noten für Hartz IV

Zwei Studien nehmen die Absicherung von Arbeitslosen in Deutschland kritisch unter die Lupe
Mitten in die durch FDP-Chef Westerwelle ausgelöste Debatte um die Hartz IV-Sätze platzen zwei Studien, welche die Hartz IV-Politik in Deutschland kritisch unter die Lupe nehmen. So können sich durch die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung vorgestellte Studie diejenigen bestätigt sehen, die schon seit Jahren propagieren, dass Hartz IV-Armut per Gesetz sei. Die Unterstützung könne kurzfristige soziale Probleme lindern, die Ursachen für die Armut aber nicht beseitigen, heißt es in der DIW-Studie.

Demnach leben rund 14 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die Zahl hat sich im letzten Jahrzehnt um ein Drittel erhöht. Besonders bei kinderreichen Familien steige das Armutsrisiko. Die vieldiskutierte Altersarmut ist hingegen nach der DIW-Studie kein akutes Problem. Die vorgeschlagenen Lösungsansätze dürften bei vielen Betroffenen allerdings auf Widerspruch stoßen. So schlägt Joachim W. Frick, der für die Studie verantwortlich ist, statt einer Erhöhung der Hartz IV-Sätze eine gezielte Förderung beispielsweise von kinderreichen Familien vor. Eine solche Umstellung auf Sach- statt auf Geldleistungen wird von Erwerbslosenorganisationen als Versuch der Entmündigung kritisiert und ist auch in der Politik umstritten.

Jetzt hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ( OECD) in einer Studie Hartz IV auch im europäischen Vergleich schlechte Noten ausgestellt. „Die finanzielle Absicherung von Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren oder über längere Zeit arbeitslos sind, ist in Deutschland im Vergleich zu den anderen OECD-Ländern durchschnittlich, im europäischen Vergleich jedoch eher gering“, heißt es dort.

Vor allem Langzeitarbeitslose kommen aus der Armutsfalle nicht heraus und müssen oft gering bezahle Beschäftigungen annehmen. Dadurch sei der Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung auch nicht gerade groß. Das ist eine Kritik an dem in Deutschland wachsenden Bereich von Minijobs und ein Plädoyer für die Förderung von sozial abgesicherten Vollzeitarbeitsplätzen. Sollte die Diskussion in dieser Richtung weitergeführt werden, würde der Populismus von Westerwelle und Co ins Leere laufen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147100

 

Peter Nowak

Interessenvertretung lamentierender Steuerbürger

Hinter dem von der FDP-Führung bewusst gesuchten Streit in der Bundesregierung stehen unterschiedliche Politikvorstellungen der Koalitionäre

Die Bundeskanzlerin ruft ihren Vizekanzler zur Ordnung, ein CDU-Politiker in Ruhe nennt Westerwelle einen Esel im Außenministerium und in der FDP mehren sich die Stimmen, die einer Arbeitsteilung in der Partei das Wort reden. In den letzten Tagen konnte man den Eindruck haben, die Bundesregierung befinde sich in Auflösung und die Propheten von der Opposition, die schon am Wahlabend voraussagten, dass diese Regierung nicht die gesamte Legislaturperiode übersteht, könnten recht behalten.
  

Mehrere Krisengipfel der Koalition und der sie tragenden Parteien haben nicht etwa die erwünschte Ruhe an der Regierungsfront gebracht sondern das Chaos noch verstärkt. Würde nun wieder ein Gipfel einberufen, würde er wohl vor allem für Spott sorgen. Denn zunehmend zeigt sich, es sind nicht Anlaufschwierigkeiten der Wunschpartner, die die Regierung lähmen. Es sind auch nicht die Schwierigkeiten der langjährigen Oppositionspartei FDP, wieder Regierungsverantwortung zu tragen, die gerne zur Begründung herangezogen werden. Es handelt sich um vielleicht unüberbrückbare Differenzen unter den Koalitionspartnern, die aber weniger im Ziel besteht, als in dem Weg, um es zu erreichen.

 

Neoliberale Speerspitze

Die FDP-Spitze unter Westerwelle ist auch nach der Regierungsübernahme nicht bereit, sich verbal staatsmännisch zu gerieren. Vielmehr wird der Kampf gegen den Sozialstaat vor allem von Westerwelle auf allen Ebenen fortgesetzt.

Die FDP will sich konsequent als Partei der Wirtschaftsliberalen profilieren. Die logische Konsequenz ist dann, dass der Staat kaum noch finanzielle Mittel hat, um beispielsweise eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze zu finanzieren. Aus dieser Sicht ist es für Westerwelle nur folgerichtig, dass er sich als mögliche Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz IV-Sätzen sofort gegen jede Erhöhung aussprach (Westerwelles kleine Welt).

Dass er dann gleich den Sozialismus am Horizont wähnt, wenn die prekären Lebensbedingungen der Hartz-Empfänger, Erwerbslosen und Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich etwas verbessert werden, macht die Entschlossenheit der FDP-Spitze deutlich, den Sozialstaat der alten BRD möglichst restlos zu schleifen. Dabei geht es nicht nur um eine Reduzierung der Staatsausgaben. Es geht auch darum, den Preis der Ware Arbeitskraft noch weiter zu senken und den Niedriglohnsektor auszuweiten (Hartz IV und der hausgemachte Niedriglohnsektor).

 

Abgrenzung von Union und Grünen

Dabei ist das Vorgehen von Westerwelle und seiner Anhänger längst nicht so irrational, wie manche Kommentatoren unterstellen. Es zielt darauf, die Marktradikalen möglichst an die FDP zu binden. Viele von ihnen fanden sich in der Union, deren Leipziger Programm von 2005 durchaus mit den Westerwelle-Vorschlägen kompatibel war. Doch mit der Beinahe-Pleite der Union von 2005, der darauffolgenden schnellen Entsorgung des von Merkel erst hochgelobten Wirtschaftsberater Paul Kirchhoff und der nachfolgenden Entmachtung von Friedrich Merz fremdeln die Wirtschaftsradikalen in einer Union, der Merkel und ihre Berater Pragmatismus verordnet haben, was von Kritikern auch als Sozialdemokratisierung bezeichnet wird.

Genau auf diese Klientel zielt Westerwelle, wenn er signalisiert, dass in der FDP auch eine Regierungsübernahme kein Aufweichen des Programms bedeutet. Er kann sich dabei auch rechtsliberale Anti-Steuer-Parteien im europäischen Ausland ebenso berufen, wie auf temporäre, moralische Aufwallungen lamentierender Bürger, die sich am Steuer- und Sozialstaat abarbeiten.

Eine der längst weitgehenden vergessenen Interventionen war der in der Spätphase der rot-grünen Regierung vom Historiker Arnulf Baring ausgerufene Aufstand der Steuerbürger. Die martialische Wortwahl darf nicht täuschen. Auf die Barrikaden gehen die renitenten Steuerbürger nicht, aber FDP wählen könnten sie schon. Die etwas postmodernere Variante dieser lamentieren Bürger hat vor einigen Wochen der Philosoph Peter Sloterdijk präsentiert, der wie Karl-Heinz Bohrer ebenfalls zur Schleifung des Sozialstaates aufgerufen hat.

 

Grüne Konkurrenz

Mit der Profilierung als Marktradikale sucht Westerwelle auch den Abstand zu den Grünen zu vergrößern. Denn auch bei ihnen handelt es schon längst um eine liberale Partei, die mit der FDP durchaus um ein ähnliches Wählerklientel streiten könnte. Der FDP liegt daher umso mehr an der Markierung der Differenz. Das machte Westerwelle mit seinen obligatorischen 68er-Bashing deutlich. Mit seiner radikalen Steuersenkungspolitik und mehr noch mit der Stilisierung als Pro-Atom-Partei soll die Trennungslinie zu den Grünen verschärft werden.

Daher war auch die Kritik aus der FDP besonders vehement, als Bundesumweltminister Norbert Röttgen in Interviews deutlich machte, dass er die AKW-Nutzung nicht als ideologische Frage sieht. Mit seiner Einlassung, dass dann, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien wächst, die Atomkraft überflüssig wird, hat er sich ganz auf der argumentativen Linie bewegt, den auch offiziell auch die Lobbyvereine der Atomindustrie verwenden. Da wird eine Entideologisierung der Debatte um die Atomkraft gefordert und von einem Energiemix gesprochen.

Eine solche Position war in der Union, in dem die Christlichen Demokraten gegen Atomkraft jahrzehntelang den Status einer geschützten Minderheit genossen, lange tabu. Erst seit hinter den erneuerbaren Energien ein wachsender Industriesektor mit eigenen Lobbyorganisationen steht, werden dort ideologische Positionen aufgeweicht. Dass sie damit auch Barrieren für eine mögliche Zusammenarbeit mit den Grünen abräumen, ist für die Union ein Zugewinn an Regierungsoptionen. Die FDP aber würde an Einfluss verlieren, wenn eine bürgerliche Koalition auch ohne sie gebildet werden könnte.

Dass sich die FDP besonders vehement für die AKW-Nutzung aussprach, zielt auch auf den Teil der Union, der sich noch immer schwer an eine Zusammenarbeit mit den Grünen gewöhnen kann. Wie einflussreich er ist, dürfte sich beim Bürgerentscheid um die Hamburger Schulpolitik zeigen. Dort rebellieren Eltern aus gutbürgerlichen Staatteilen gegen eine Schulreform, auf die sich die Union und die Grünen verständigt hatten und die mehr egalitäre Strukturen in das Bildungswesen bringen sollte, was von den wohlhabenden Eltern, die ihre Kinder nicht unnötig lange mit Hartz IV-Empfängern zusammen unterrichten lassen wollen, abgelehnt wird. Ein Erfolg des Bürgerbegehrens würde auch deutlich machen, dass die CDU-Basis einer Liaison mit den Grünen weniger aufgeschlossen ist als die Parteigremien.

 

Rettungsanker große Koalition?

Aber am Ende kann sich die Union auch in die gute alte Koalition mit der SPD retten, wenn es Westerwelle gar zu ideologisch treibt und ein Bündnis mit den Grünen noch nicht von allen Konservativen auf Bundesebene akzeptiert wird. Mit der Entscheidung für eine Grundgesetzänderung bei der Reform der Jobcenter haben Teile der Union, sehr zum Missfallen der FDP, eine Kooperation mit der SPD erzwungen. Auch beim Afghanistan-Einsatz setzt die Union auf die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten, die auch mehrheitlich schon Zustimmung signalisiert haben.

Die FDP scheint der Verlierer dieser Szenarien zu sein. Für den Teil der Liberalen, die eher auf pragmatisches Mitregieren setzt und Westerwelle schon heftig für seinen ideologischen Marktradikalismus kritisieren, trifft das sicher zu. Für die Verfechter einer marktradikalen, rechtsliberalen Partei aber würde die Stunde schlagen, wenn die jetzige Koalition platzt und es erneut zu einer großen oder bundesweit erstmals zu einer schwarz-grünen Koalition käme. Die FDP könnte damit werben, dass sie sich selbst um den Preis der Ministerämter dem sozialdemokratischen Steuerstaat entgegengestellt hat. Aber wie viele der karrierebewussten Liberalen diesen Weg zu gehen bereit wären, ist auch für Westerwelle die große Frage.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32103/1.html

Peter Nowak

Gemütlichkeit am Ort des Schreckens

Filmemacherin Andrea Behrendt dokumentiert die Geschichte eines Berliner Arbeitshauses
»Individuell eingerichtete, ehemalige Zellen, teilweise mit Wasserblick, und wohltuende Ruhe erwarten Sie abends nach Ihren Entdeckungstouren durch die lebendige Metropole«, heißt es auf der Homepage. Sie wirbt für das von Huberta Bettex von Schenck geleitete »Andere Haus 8«. Eine Übernachtung kostet pro Bett 40 Euro.

 Interessierte erfahren per Internet, dass sich in dem Gebäude ein »Arresthaus für männliche Corrigenden« befunden habe. Ein wenig bekannter Begriff für das zentrale Berliner Arbeitshaus, das 1876 – damals weit außerhalb der Stadt – in Rummelsburg errichtet wurde.

Es sei ein Ort des Schreckens für Tausende gewesen, erklärte der Berliner Historiker Thomas Ulmer. Er setzt sich dafür ein, dass in dem noch erhaltenen Gebäude an der Rummelsburger Bbucht ein Erinnerungsort für die als asozial verfolgten Menschen entsteht Die Berliner Filmemacherin Andrea Behrendt hat mit ihrem Kurzfilm »arbeitsscheu-abnormal-asozial – Zur Geschichte der Berliner Arbeitshäuser« einen wichtigen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung geliefert.

Sie lässt neben der Hotelbesitzerin Huberta Bettex von Schenck und dem Historiker Thomas Ulmer auch Anne Allex vom Arbeitskreis »Marginalisierte – gestern und heute« zu Wort kommen. Dort haben sich Erwerbslose und kritische Wissenschaftler zusammengeschlossen, die die Stigmatisierung und Verfolgung sogenannter Asozialer aufarbeiten.

»Oft hat es sich um Menschen gehandelt, die mit ihrem Lebensentwurf in der Gesellschaft aneckten und deswegen Verfolgung erleiden mussten«, betont Allex. Am Beispiel des Berliner Arbeitshauses lässt sich gut aufzeigen, dass diese Verfolgung während der NS-Zeit verschärft, nach 1945 aber in beiden Teilen Deutschlands nicht beendet wurde. Aber unter den Nazis wurden die Bedingungen für die Insassen des Arbeitshauses enorm verschlimmerte zahlreiche Menschen wurden von dort in weitere Gefängnisse und Konzentrationslager eingeliefert.

Der AK Marginalisierte will in dem noch erhaltenen Gebäude des ehemaligen Arbeitshauses einen Erinnerungsort für die als asozial Verfolgten errichten. Durch Kundgebungen, Bücher, Broschüren sowie eine Ausstellung im Stadtmuseum Lichtenberg wurde die fast vergessene Geschichte des Arbeitshauses einer größeren Öffentlichkeit bekannt.

Doch selbst eine Gedenktafel ist an dem Gebäude des ehemaligen Arbeitshauses bisher nicht angebracht. Mittlerweile ist die Rummelsburger Bucht ein begehrtes Wohngebiet geworden. Townhäuser für die wohlhabende Mittelklasse sind dort sehr begehrt. In ein solches Umfeld passt ein spezielles Hotel wie das »Andere Haus 8« besser als ein Erinnerungsort für Asoziale.

Die Initiative wird aber nicht aufgeben. Andrea Behrendts Film ist dabei eine gute Unterstützung. Der Künstlerin gelingt in knapp 30 Minuten ein kurzweiliger Überblick über die Geschichte des Berliner Arbeitshaus und die Stigmatisierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe, die auch ohne Arbeitshäuser bis heute nicht beendet ist.

DVD »arbeitsscheu-abnormal-asozial – Zur Geschichte der Berliner Arbeitshäuser«, 15 Euro, zu bestellen über Globale Medienwerkstatt e. V., behrendt@globale-medienwerkstatt.de. Tel.: 92 12 02 59

http://www.neues-deutschland.de/artikel/165216.gemuetlichkeit-am-ort-des-schreckens.html

Peter Nowak

Dresden – 13.2. – ein Nachtrag

Am vergangenen Samstag hat die Linke in Dresden mit der Verhinderung des Neonaziaufmarsches einen realen und nicht nur, wie beispielsweise bei den Blockaden in Heiligendamm im Jahr 2007, einen symbolischen Erfolg errungen.

Der rechte Aufmarsch in Dresden war in den letzten Jahren der zentrale Termin in ihrer politischen Agenda. Denn viele andere langjährige Aktionen, wie der Rudolf-Hess-Gedenkmarsch, waren durch die antifaschistischen Proteste und die darauf reagierenden staatlichen Maßnahmen nicht mehr durchführbar.

Während in Berlin schon am 8.Mai 2005 ein Bündnis aus Antifaschisten und Zivilgesellschaft einen Neonaziaufmarsch durch Blockaden verhinderte, konnten die Rechten bis zum vergangenen Samstag in Dresden marschieren. Denn die politisch Verantwortlichen hatten bisher mit ihrem Agieren gegen „linke und rechte Extremisten“ in Wirklichkeit den Rechten den Rücken freigehalten. Zudem wird das Anliegen des rechten Aufmarsches, die Dresdner Bevölkerung als wahre Opfer des 2.Weltkrieges zu stilisieren, auch von Teilen der Dresdner Bevölkerung geteilt, die sich nicht öffentlich auf der rechten Demo zeigen würden.  Diese Gemengelage hat dazu geführt, dass bisher in Dresden die Antifaschisten als größere Gefahr als die Rechten gesehen wurden. Das war das Klima, in denen die Nazis marschieren konnten und die Linken isoliert waren.

Linke und Zivilgesellschaft

Dass sich in diesem Jahr der Wind gedreht hat, liegt  an dem Bündnis zwischen der größten Teil der aktiven antifaschistischen Szene und Teilen der Dresdner Zivilgesellschaft, die sich nicht länger mit symbolischen Aktionen a la Friedensgebeten und Menschenketten begnügen wollten.    Diese Aktionen haben  den Naziaufmarsch nicht verhindert und das war auch gar nicht ihr Ziel. Die politisch Verantwortlichen von Dresden haben sich noch in der letzten Woche mit  demVerbot des rechten Aufmarsches, das juristisch so gehalten war, dass es abgelehnt werden mußte, blamiert. Dass die Rechten nicht marschieren konnten, ist allein den aktiven Gegendemonstranten zu verdanken.

 Mit dem Blockadekonzept wurde eine Aktionsform gefunden, auf die sich alle Akteure einigen konnten.  Als die Polizei vor mehr als 3 Wochen mit Razzien und der Beschlagnahme von Mobilisierungsmaterialen auf den Blockadeaufruf reagierte, hatte das  Bündnis seine entscheidende Bewährungsprobe zu bestehen.  Schnell zeigte sich, dass sich aus dem Bündnis niemand distanzierte. Vielmehr war die Bereitschaft nun erst recht den Rechten entgegenzutreten noch gewachsen.

Nur auf dieser Grundlage war der Erfolg vom Samstag möglich. Hätte die Blockade nur aus Antifas und radikalen Linken bestanden, wäre sie wohl  von der Polizei geräumt worden. Aber alte Frauen, Menschen mit Gewerkschaftsfahnen und Mandatsträger verschiedener Parteien abzuräumen, damit die Nazis marschieren können, das war für die Staatsapparaten ein zu hoher Preis.

Für die linke Bewegung sollte die Lehre aus Dresden sein, solche  Bündnisse für die Durchsetzung ganz konkreter Ziele in Zukunft öfter anzustreben. Das bedeutet nicht, dass die Bündnispartner die Position der Linken akzeptieren müssen. Konkret für Dresden war es nicht nötig, eine einheitliche Meinung über die Sinnhaftigkeit der alliierten  Bombardements zu haben, um sich den Nazis entgegen zu stellen.  Das bedeutet aber auch nicht, dass die linken Aktivisten in dem Bündnis aufgehen und die Partner nicht mehr kritisieren dürfen.

 Gegen jede Totalitarismustheorie

Wie nötig eine inhaltliche Auseinandersetzung ist, zeigte sich noch wenige Tage vor dem Dresdener Aufmarsch. Da erweist sich Christian Demuth von dem zivilgesellschaftlichen Verein „Bürger.Courage e.V.“  als  Nachbeter der sächsischen Totalitarismustheorie, die besagt, dass man die Nazis nicht kritisieren kann, ohne sich nicht mindestens genau so vehement von der DDR zu distanzieren.

So behauptet Demuth in einem Interview mit der Taz  im Zusammenhang mit der alliierten Bombardierung Dresdens:  „ Die DDR hatte die Propaganda aus dem Goebbels-Ministerium im Grunde dankbar aufgenommen, um gegen die angloamerikanischen Imperialisten Stimmung machen zu können.“

Dass die DDR die alliierten Bombardements auf Dresden im kalten Krieg instrumentalisieren ist bekannt und beschämend. Zu behaupten, sie hätte dabei die Goebbels-Propaganda fortgesetzt ist eine Geschichtsfälschung, die man auch bei Personen nicht durchgehen lassen sollte, mit denen man gemeinsam gegen die Nazis auf die Straße geht.   

http://www.freitag.de/community/blogs/peter-nowak/dresden—132—-ein-nachtrag

Peter Nowak

Dresden: Rechter Aufmarsch blockiert

An den Blockaden beteiligten sich Menschen allen Alters und der verschiedenen politischen Richtungen.
Am Samstagabend sah man in Dresden-Neustadt viele feiernde Menschen. Sie hatten bei winterlichen Temperaturen teilweise über 10 Stunden auf der Straße ausgeharrt, um den bundesweit größten Aufmarsch von Rechtsextremisten zu verhindern. Wie auch in den vergangenen Jahren, hatte die ansonsten zerstrittene Rechte zum Jahrestag der alliierten Bombardierung von Dresden in die Elbestadt mobilisiert.

Mehrere Tausend Rechte aus Deutschland und dem europäischen Ausland hatten sich am Bahnhof Neustadt versammelt. Doch am Nachmittag erklärte die Polizei, dass sie sich wegen der Blockaden nicht in der Lage sehe, die Demonstration zu gewährleisten. Eine ähnliche Konstellation hatte es schon am 8.Mai 2005 in Berlin gegeben, wo auch eine von Linken und Teilen der Zivilgesellschaft getragene Blockade einen rechten Aufmarsch verhinderte.

In Dresden war dies in den vergangenen Jahren nicht gelungen. Deshalb hatte die rechte Szene die Dresden-Demonstration zu einem festen Termin erklärt. Dass der rechte Aufmarsch in diesem Jahr verhindert werden konnte, lag vor allem an der Kooperation von Antifaszene und Teilen der Zivilgesellschaft, die sich nicht mehr nur auf rein symbolische Proteste, wie Friedensgebete und der von der von führenden sächsischen Politikern initiierte Menschenkette beschränken wollte. An den Blockaden beteiligten sich Menschen allen Alters und der verschiedenen politischen Richtungen.

Während der Mobilisierung zu der Aktion hatte die Polizei Plakate und Flyer beschlagnahmt. Auch die Kampagnenhomepage war abgeschaltet worden. Nach Einschätzung von Aktivisten hat dieses Vorgehen der Polizei die Mobilisierung verstärkt und das Bündnis verbreitert.

Ob mit der erfolgreichen Blockade die Dresdner Aufmärsche der Vergangenheit angehören, ist unklar. Auf rechten Internetseiten wird schon für das Jahr 2011 mobilisiert. Bei den Rechtsextremen wird verbreitet, dass sie alleine von der Polizei gehindert worden seien: „Wenn etwas den Marsch blockiert hat, dann lediglich die Polizei die den linksextremen Pöbel zum Vorwand genommen hat um den Notstand auszurufen.“ Auf Altermedia wird denn auch überlegt, das nächste Mal zu anderen Mitteln zu greifen: „Auf nationaler Seite wird die Frage sein, wie man künftig Veranstaltungen dieser Art durchführt. Der Wille das unter legitimen Mitteln zu tun, ist zwar löblich, aber letztlich doch nicht realisierbar sobald sich abzeichnet, dass die Sache ein paar Nummern größer wird als man dies auf Seiten des Systems bereit ist zuzulassen. Das war am 8. Mai 2005 in Berlin so oder im September 2008 anlässlich des von „pro Köln“ organisierten Anti-Islamkongress.“

 http://www.heise.de/tp/blogs/8/147080

Peter Nowak